Prof. Eugen Zotow: Ein russischer Künstler in Liechtenstein

«Delehala-Kappele»: Zeichnung/Selbstbildnis von Prof. Eugen Zotow (mit Frau), ca. 1940; nummerierte Häuser: 1 = Metzgerei Bühler; ­2 = Elternhaus Otto Ritter, Sandgrub; 3 = Franz-Sepp-Matt (heute Alfons Matt); 4 = Amadeus Matt, Britschen; 5 = Julius Matt, Spengler; 6 = Rupert Meier (altes «Philipple-Huus»); 7 = Ernst Bühler, Erbauer Johann Bühler «Bretscha-Bura»; 8 = Thomas Matt (Klemens Matt, Landwirt)

Ivan Miassojedoff (der spätere Eugen Zotow), geboren 1881 in Charkow/Ukraine, in Moskau und St. Petersburg als Künstler bekannt, flieht 1921 nach Jahren politischer Wirren nach Berlin. Es ist der Beginn einer Odyssee über mehrere Exilstationen und ohne Heimkehr. Ein Jahr vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gelingt es ihm, unter dem Namen Eugen Zotow Wohnung und Auskommen als Maler und Grafiker in Vaduz zu finden. Er bleibt über die Kriegsjahre und danach noch in Liechtenstein, wo er Hunderte von Bildern, Aquarellen, Zeichnungen usw. schafft, die heute im Besitz der gleichnamigen Stiftung und des Landesmuseums sind.

Text: Herbert Oehri

Eugen Zotow um 1911

Einer posthumen Ehrung gleich­kommend wurden 1996 drei repräsentative Werke als Zeugnisse von seinem malerischem Können und zugleich als Hinweise auf die wichtigen Stationen seines bewegten Lebens auch auf Liechtensteiner Briefmarken reproduziert: Prof. Eugen Zotow (1881-1953), ein russischer Emigrant, mit bürgerlichem Namen Ivan Miassojedo, der von 1938 bis 1953 zusammen mit seiner Frau in Liechtenstein wohnte, ehe er im März 1953 in Richtung Argentinien aufbrach und am 27. Juli des gleichen Jahres in Buenos Aires starb. Zotow malte eine Vielzahl von Porträts, Blumenstillleben und Landschaften, darunter unter anderem die Ansicht Maurens vom «Delehala-Kappele» aus betrachtet. Seine Arbeiten lassen darauf schliessen, dass sich der Künstler vorwiegend im Rahmen der Vorbereitungen für die «Mappe der elf Gemeinden» mit Mauren als Bildmotiv auseinandergesetzt hat. Neben dem bekannten Blatt mit «Zotow und seine Frau auf einer Bank sitzend», hat er Studien, Entwürfe und Planskizzen des St. Christophorus beim Haus von Andreas Ritter (ehemals Postauto Ritter) angefertigt. Die Entwürfe für das Wandgemälde befinden sich in Privatbesitz.

Ansicht Maurens vom ­«Delehala-Kappele» ausDie «Ansicht Maurens» (siehe Zotow-Bild) entstammt dem Maurer Gemeindearchiv. Das Blatt dürfte etwa Anfang oder Mitte der 40er-Jahre, also während des Zweiten Weltkrieges, entstanden sein. Es zeigt in der Bildmitte das «Delehala-Kappele» mit Sicht auf das damalige Mauren, das stark bäuerlich geprägt war. Auf der Bank vor dem «Kappele» sitzt Prof. Eugen Zotow mit seiner Frau Malvina Vernici. Die Zeichnung ist im Besitz des Liechtensteinischen Landesmuseums. Albertina Kaiser-Öhri, die damalige Eigentümerin des «Delehala-Kappeles», der im Herbst des Jahres 1996 das Zotow-Bildnis gezeigt wurde, erkannte die beiden Bäume vor der kleinen Kapelle, die allerdings heute nicht mehr stehen. An ihrer Stelle wurden nach späteren Aussagen von Albertina Kaiser-Öhri um 1970 eine Pappel und eine Birke gepflanzt. 

Die Dorfansicht Maurens ist von Prof. Zotow ziemlich realistisch gezeichnet, wie befragte Zeitzeugen bestätigten. Die Häuser sind gut erkennbar. Einige dieser Häuser stehen allerdings heute nicht mehr. Die gut erkennbaren Häuser sind beistehend nummeriert und mit den Namen der Besitzer versehen. Warum Zotow Mauren gerade von der Delehala aus gezeichnet hat, ist nicht bekannt, wahrscheinlich ihrer schönen Aussicht und Lage wegen. Als Prof. Zotow 1944 Mauren zeichnete, beherbergte die Kapelle einen grossen Schatz und einen der berühmtesten Kunstgegenstände Maurens: die Pietà. Von ihrer Bedeutung wusste damals noch niemand. 

In Liechtenstein wirkte Zotow nicht nur als Landschafts- und Stilllebenmaler, sondern auch als Porträtist und Gebrauchsgrafiker besonders für private Auftraggeber. Landschaftsmotive aus Liechtenstein und der Schweiz lieferte er in realistischer und impressionistischer Ausprägung. 1951 entstanden die «Radierungen aus den elf Gemeinden des Fürstentums Liechtenstein». Zeichnungen und Grafiken zeigten Schloss Vaduz als Staatssymbol. Zotow schuf als Briefmarkenentwerfer und -stecher die «Huldigungsserie» (1939), die Einzelmarke «Madonna von Dux» (1941), die «Historische Serie» (1942) und die Serie «Binnenkanal» (1943), die ihn über die Grenzen Liechtensteins hinaus bekannt machten. Für das Fürstenhaus entstanden unter anderem Bildnisse von Fürst Franz Josef II. Im Kontrast zu den Auftragsarbeiten stehen seine politischen Malereien und Zeichnungen. Sie stellen die Verarbeitung seiner Schreckenserlebnisse von Krieg und Revolution in Russland dar.

Zotow wurde 1924 und 1933 in Deutschland wegen Geldfälschung und 1948 in Liechtenstein wegen versuchter Fälschung öffentlicher Papiere zu Gefängnisstrafen verurteilt. Gruppenausstellungen in Russland, Einzelausstellungen von ihm waren zu sehen in Vaduz 1940, 1952, 1959, 1986 und 1997 sowie in Moskau 1998. 

65 Jahre später: 2005 schaut die Gemeinde im Vergleich zu der Zeichnung von Zotow sehr verändert aus.
Delehala-Kappele 2023 vom selben Standpunkt aus wie im Jahre 2005.

Adulf Peter Goop und die Eugen ­Zotow-Stiftung

Das Andenken des Künstlers und die Pflege des dem Besitz der Erben angekauften Nachlasses mit Gemälden, Grafiken, Zeichnungen, Fotos und schriftlichen Dokumenten werden von der 1992 gegründeten Prof. Eugen Zotow-Ivan Miassojedoff-Stiftung in Vaduz übernommen. Wegbereitend war das grosse Engagement des Liechtensteiner Sammlers Adulf Peter Goop. Ihm allein ist es zu verdanken, dass Ivan Miassojedoff/Eugen Zotow posthum an Bedeutung gewann. 

Der Nachlass im Besitz der genannten Stiftung umfasst rund 3‘500 Kunstwerke, darunter Gemälde, Pastelle, Aquarelle, Zeichnungen und Druckgraphiken. Darüber hinaus gehören zum Sammlungsbestand Fotografien und schriftliche Zeugnisse.

Die Sammlung ist heute im Besitz des Landes. Am 25. Oktober 2023 unterzeichneten Vertreter der Professor Eugen Zotow-Ivan Miassojedoff-Stiftung und die Kulturstiftung Liechtenstein im Gamanderhof in Schaan einen Schenkungsvertrag über 3500 Kunstwerke. Für die Stiftungsratspräsidentin der Zotow-Stiftung, Rita Kieber-Beck, war der Schenkungsvertrag aber gleichzeitig auch das glückliche Ende einer langen Suche nach einer opitmalen Lösung, «weil die finanziellen Mittel des Unterhalts der Stiftung immer geringer wurden, obwohl alle Stiftungsräte ehrenamtlich gearbeitet haben.»