Eduard Kieber, Junggeselle und Dorforiginal

Jugendliche vom Steinbös, im Hintergrund das 1963 abgebrannte Haus Nr. 39 des Johann Meier «Jegerhans», vorne v. l. Theodor Kieber, Rudolf Jenny, Josef Näscher, Konrad Meier, Pepi Kieber, auf dem Pferd Eduard Kieber, Arnold Schreiber, Hilda Kieber, Marianne Kieber-Marxer, Frl. Jenny, Karolina Uehle-Bühler; Aufnahme zwischen 1915 und 1920. Fotograf: unbekannt.

Es gibt sie kaum noch, sie sind weitgehend ausgestorben, jene Dorforiginale, welche durch ihren Humor oder durch ihre exzentrische Lebensart Abwechslung und Freude in das Dorfleben Liechtensteins des 20. Jahrhunderts gebracht haben. Einer dieser seltenen und unvergesslichen Menschen war Eduard Kieber (1895-1973) aus der Gemeinde Mauren. Er wurde im Volksmund der «Kieberle Eduard» genannt.

Eduard Kieber – ein Junggeselle voller witziger Einfälle – hat durch seine ironischen Sprüche und köstlichen Übertreibungen seinen Miteinwohnern soviel Freude und Lebensmut gebracht, dass sein Name und seine Eigenart den Nachfahren noch lange in Erinnerung bleiben werden. Sein Bruder Pepe stand ihm im Sprücheklopfen nicht viel nach, sodass es manchmal schwierig ist, die einzelnen Aussagen den richtigen Personen zuzuordnen. Die Sprüche sind so direkt aus der bäuerlichen Umgebung gegriffen, dass sie das Leben unserer Vorfahren einzigartig widerspiegeln. Was würde der Kieberle Eduard zur Corona-Pandemie wohl sagen, die seit fast anderthalb Jahren auch unser Land teilweise lahmgelegt hat? Sicher hätte er einen passenden Spruch auf Lager gehabt. Nachfolgend eine Auswahl aus seiner Witzreihe. 

Vom Sommer: 

«Es ischt im Riet so trocka gsi, i ha müassa Bretter ober d’Spält lega.»
Übersetzung: Im Riet war es so trocken, dass ich Bretter über die Spalten legen musste. 

«Dr Wetzstoo ischt miar in an Spalt ahetrolat, i ha ihn am nächsta Tag noch ghört rolla.»
Übersetzung: Der Wetzstein ist mir in eine Spalte gefallen, ich habe sein Rollen noch am nächsten Tag gehört. 

«Im Jodaböhel ischt a so wenig Gräs gschtanda, i ha müassa dr Huat ahelega bim Wetza, dass i gwesst ha wo witermeiha.»
Übersetzung: Im Jodbüchel stand so wenig Gras, dass ich beim Schärfen der Sense den Hut hinlegen musste, um zu wissen wo ich weitermähen soll. 

«Nochher han i s’Fahrrad gnoo, zum vo om Halm zum andara z‘fahra.»
Übersetzung:  Danach habe ich das Fahrrad genommen, um von einem Grashalm zum anderen zu fahren.

Vom Winter: 

«Schneeflocka het’s gwarfa wia Wagablacha.»
Übersetzung:  Die Schneeflocken war so gross wie Wagenplanen.

«Es hat soviel Schnee kha, i ha d’Spatza zum Kemmehuat usse gfuatteret.»
Übersetzung:  Es lag so viel Schnee, dass ich die Spatzen zum Kamin hinaus gefüttert habe. 

«Drü warme Summer het’s bruucht, bis dr Schnee weg gsi ischt.»
Übersetzung: Drei warme Sommer hat es gedauert, bis der Schnee geschmolzen war. 

Eduard Kieber (1895 – 1973) war ein Dorforiginal.

Vom Heuen: 

«Im Riet doss hets Brema kha, so gross wia Schwalba!»
Übersetzung: Im Riet draussen gab es Bremsen (lt. Duden: Pferdebremse, Dasselfliegen; die Red.), die so gross waren wie Schwalben. 

«S’Ross hat an Ropf ahn Waga too, dass d’DirxIa abbrocha ischt. D’Räder sind grad verschrocka!»
Übersetzung: Das Pferd hat den Wagen dermassen herumgerissen, dass die Deichsel abgebrochen ist. Auch die Räder haben sich erschrocken. 

Von der Politik: 

«Dr Koter ischt jedesmol abgschlecha, wenn miar ober d’Gmondsröt und ober d’Behörda gschumpfa hon!»
Übersetzung: Der Kater ist jedes Mal weggeschlichen, wenn wir über den Gemeinderat und über die Behörden geschimpft haben! 

«Ma sött’s um’kehrt macha, dr Stier vo Mura und d’Gmondsröt vo Rapperswil, net an Stier vo Rapperswil und d’Gmondsröt vo Mura!»
Übersetzung: Man sollt es umgekehrt machen, den Stier von Mauren und die Gemeinderäte von Rapperswil, nicht einen Stier von Rapperswil und die Gemeinderäte von Mauren. 

Dies und jenes: 

Als Agraringenieur Lingg Vorschläge für eine effizientere Landwirtschaft machte und vom Umstellen sprach, antwortete Eduard: «Also guat, denn ton i dr Moscht in Estrich uffe und dr Tüarka in Kär ahe».
Übersetzung: Also gut, dann lagere ich den Most im Estrich und den Türken (Mais) im Keller. 

Als ein Kalb nur unwillig die Milch nahm, rief Eduard: «Muass dr noch a Musik-Kappa ufsetza, dass suufscht?»
Übersetzung: Muss ich dir noch eine Musik-Kappe aufsetzen, damit du säufst?

Kommentar von Eduard nach der Kartoffelernte: «Ma hät eppa weder ussa, was ma in d’Dräck ihe gsteckt hät. Es hät viellecht füar’n an Rosakranz glangat, aber für’s Ehre sei … het’s kone me kha.»
Übersetzung: Man hat in etwa das herausgeholt, was man in den Dreck hineingesteckt hat. Es hat vielleicht für einen Rosenkranz gereicht, aber fürs «Ehre sei …» hat es keine (Kartoffeln) mehr gehabt.

«Du wüarscht es scho noch hom ko, vor kälblescht», fluchte Eduard hinter der Kuh nach, als diese nach Hause eilte, nachdem sie beim Stier war.
Übersetzung: Du wirst es schon noch nach Hause schaffen, bevor du kalbst. 

«Wo i s’Stalldach neu deckt ha, isch es so heiss gsi, miar ischt dr Schweiss i Bäch ahagloffa, ma het im Gesabach dunna noch ghört d‘ Dachkener ruscha.»
Übersetzung:  Als ich das Stalldach neu eingedeckt habe, war es so heiss, dass mir der Schweiss in Bächen am Körper hinuntergeflossen ist. Es war so laut, dass man das Rauschen in den Dachrinnen im Gänsenbach unten noch gehört hat. 

«Nochher han i s’Fahrrad gnoo, zum vo om Halm zum andara z‘fahra.»
Übersetzung:  Danach habe ich das Fahrrad genommen, um von einem Grashalm zum anderen zu fahren.


QUELLEN

Band 3, fünfteilige Buchreihe «Menschen, Bilder & Geschichten Mauren von 1800 bis heute», Gemeinnütziger Verein für Ahnenforschung, Pflege der Kultur und des Brauchtums Mauren

Adolf Marxer, Geschichts- und Ahnenforscher, Mauren

Eintracht, Lachendes Liechtenstein, 1996