Ein Leben zwischen zwei Welten

Vor acht Jahren entschied sich Alexandra Jehle aus Schaan, ihr behütetes Zuhause in Liechtenstein aufzugeben, um in Burkina Faso, welches zu den ärmsten Ländern weltweit gehört, ein neues Leben zu beginnen. 

«Ich hatte alles und war trotzdem nicht richtig glücklich, mir fehlte der Sinn in meinem Leben.» So fragte die damals 25-jährige beim Liechtensteinischen Entwicklungsdienst (LED) an, ob irgendwo ihre Hilfe gebraucht wird, woraufhin ihr ein Praktikum im Zentrum für Kinder in Not LSI vorgeschlagen wurde. «Ich musste das Land Burkina Faso erst mal googeln, um herauszufinden, dass es in Westafrika liegt. Auch den Verein für humanitäre Hilfe, der das Zentrum aufbaute und unterhält, kannte ich bis dahin nicht. Aber die Entscheidung fiel mir leicht. Innerhalb nur weniger Wochen habe ich meine Arbeit und Wohnung gekündigt, mein Auto verkauft und meinen Lieben erklärt, dass ich mal für eine Weile wegginge.»  

Kindern eine Überlebenschance bieten
Angekommen in Burkina Faso, stand Alexandra Jehle zunächst einmal vor ein paar Herausforderungen. «Am Anfang war es nicht leicht, mich an das sehr einfache Leben und die extremen klimatischen Bedingungen zu gewöhnen. Das Thermometer steigt nicht selten auf 45 Grad. Ich erinnere mich, dass ich in den ersten Nächten mehrmals aufgestanden bin, um zu duschen. Und wenn dann noch der Strom und somit der Ventilator ausfiel, war es kaum auszuhalten.» Doch die Arbeit im Zentrum für Kinder in Not LSI bereitete ihr von Anfang an grosse Freude und sie war glücklich, eine sinnvolle Aufgabe gefunden zu haben. 

In Burkina Faso gibt es unzählige Kinder in Not, die ohne Einrichtungen wie das Zentrum LSI kaum eine Überlebenschance hätten. «Der Fall von den Zwillingen Jean-Marc und Jean-Louis berührte mich sehr. Als sie bei uns ankamen, waren sie bereits zwei Jahre alt und bestanden nur aus Haut und Knochen. Sie zeigten keinerlei Emotionen und konnten weder laufen noch sprechen. Ihre Mutter verstarb während der Geburt und ihr Vater hatte aufgrund seiner Arbeit auf den Feldern kaum Zeit, um sich um sie zu kümmern und auch nicht ausreichend Geld, um sie zu ernähren. Zum Glück haben sie schliesslich den Weg ins Zentrum gefunden, und dank der liebevollen und professionellen Pflege konnten sich die Zwillinge gut entwickeln. Heute besuchen sie die Primarschule und sind kerngesund.» Es sind solche Schicksale, die Alexandra Jehle dazu bewegten, ihren Aufenthalt nach dem Praktikum zu verlängern und für weitere zweieinhalb Jahre im Auftrag des LED für das Zentrum LSI zu arbeiten. 

Beruflich und privat glücklich
Seit Anfang 2017 erfüllt Alexandra Jehle die Aufgaben der Geschäftsführung und Projektbetreuung des Vereins für humanitäre Hilfe, der sich in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Ernährungssicherheit einsetzt und dabei seinen Fokus auf Kinder und Jugendliche in Not richtet. Das unermüdliche Engagement der Schaanerin und ihrer vier Vereinskolleginnen lohnt sich. So konnte der Verein in den vergangenen Jahren das Gesundheitszentrum Shalom mit Solarstrom und einem Ultraschallgerät ausstatten sowie dessen Geburtenabteilung erneuern, die Infrastruktur des Zentrums LSI erweitern und eine Gästeherberge mit Restaurantbetrieb zur Stärkung der Eigenfinanzierung realisieren. Auch konnte der Verein abgelegene Dörfer im Rahmen des Förderprogramms Sourou mit einem Trinkwasserbrunnen sowie einem Fahrzeug für Krankentransporte ausstatten. Das Projekt «Lafi – Medizinische Notfallversorgungen» wurde ins Leben gerufen sowie ein neues Berufsbildungsprojekt gestartet. Dies sind jedoch nur einige der grössten Erfolge. Auch privat läuft es in Alexandras Leben rund. Mit ihrem langjährigen Partner hat sie eine zweijährige Tochter und weiterer Zuwachs ist unterwegs. Ob oder wie lange die 32-jährige in Westafrika bleiben möchte, weiss sie derzeit noch nicht. «Im Moment pendeln wir zwischen zwei völlig verschiedenen Welten hin und her und sind glücklich damit.»

Weitere Informationen zum Verein für humanitäre Hilfe und seinen Projekten finden Sie unter www.vfhh.li.