Hexenverfolgungen in Liechtenstein

Bild, das auf die Hexenprozesse hinweist

Als Hexenverfolgung bezeichnet man das Aufspüren, Festnehmen, Foltern und Bestrafen, insbesondere die Hinrichtung, von Personen, von denen geglaubt wird, sie praktizierten Zauberei bzw. stünden mit dem Teufel im Bunde. In Mitteleuropa fand sie vor allem während der Frühen Neuzeit statt. Global gesehen ist die Hexenverfolgung bzw. der sogenannte Hexenwahn bis in die Gegenwart verbreitet. Auch Liechtenstein war dem Hexenwahn verfallen. Aus der Zeit der 70er- und 80er-Jahre des 17. Jahrunderts liegen umfangreiche archivalische Unterlagen vor, weil die Hexenverfolgungen in der Grafschaft Vaduz und in der Herrschaft Schellenberg Ausmasse angenommen hatte, die sogar zum Eingreifen des Kaisers führten.

Titelblatt des Schellenberger Inquisitionsprotokolls, das zahlreiche Informationen über die Hexenverfolgungen in Mauren enthält. Staatsarchiv Augsburg

Ein Interesse an der Verfolgung von Hexen und vorchristlich-germanische Deutungsmuster, die persönliches Unglück wie regionale Missernten und Krisen auf Magie zurückführten, waren in breiten Bevölkerungskreisen vorhanden. Hexenverfolgungen wurden sowohl öffentlich-rechtlich als auch teilweise gegen den Willen der Obrigkeit eingefordert und praktiziert.

Insgesamt wurde in Europa im Zuge der Hexenverfolgung geschätzt drei Millionen Menschen der Prozess gemacht, wobei 40’000 bis 60’000 Betroffene hingerichtet wurden. Frauen stellten in Mitteleuropa die Mehrzahl der Opfer (etwa drei Viertel) wie auch der Denunzianten von Hexerei. In Nordeuropa waren Männer stärker betroffen. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Konfessionszugehörigkeit und Hexenverfolgung liegt nicht vor. Heute sind Hexenverfolgungen insbesondere noch in Afrika, Südostasien und Lateinamerika anzutreffen. 

Die frühneuzeitlichen Menschen versuchten sich mit allen möglichen Mitteln gegen die vielfältigen Bedrohungen ihres Alltags zu schützen. Als eine der grössten Gefahren galten dabei magisch versierte Mitmenschen, deren Wirken seit dem Spätmittelalter zusehends mit dem Teufel in Verbindung gebracht wurde. Vom Treiben solcher Hexen und Hexer nah und fern berichteten Reisende. Manch einer erlebte selbst Hinrichtungen samt den öffentlichen Verlesungen von Geständnissen mit. Merkwürdige Geschichten darüber wurden auch schriftlich verbreitet. Geistliche warnten in Predigten vor den über alles verderblichen Teufelsbündlern, zu denen vor allem die leichter zu verführenden, glaubensschwachen Frauen zählen sollten. 

In den meisten Dörfern Liechtensteins war man sich der Gefahren jedoch aus eigener Erfahrung bewusst: Die Laster der Zauberei und der Hexerei, die gewöhnlich nicht unterschieden wurden, hatten sich nach verbreiteter Meinung selbst in Nachbarsfamilien verwurzelt. Verbrennungen einzelner Mitglieder bestätigten und vertieften die Stigmatisierung ihrer Sippen. Vorsicht und und Misstrauen galten als Gebote der wirtschaftlichen und sozialen Vernunft. Gleichzeitig vergifteten sie das gesellschaftliche Klima zusehends. 

Die meisten Verdächtigungen waren nicht dazu geeignet, gerichtlich geahndet zu werden. Bis die Obrigkeiten einschritten, musste man sich – so gut es eben ging – mit den traditionellen Schutzmitteln gegen die Bedrohungen zur Wehr setzen. Diese Vorgänge und das vielfältige System der Ausgrenzungen von vermeintlich magisch schädigenden Personen und ihren Familien fanden kaum schriftlichen Niederschlag. Die Aufzeichnungen zu anderen Vorfällen wiederum wurden gezielt vernichtet. 

«Böckereiten, Gabelfahren, Unzuchtränke, Adlersklauen, Bärentatzen, Löwenmähen, Teufelslarven sind zu schauen. Sehet wie die Königinn, gelben Gifft zum Fest muss kochen, Und das alte Hexenvolk zeiget kleine Kinderknochen. Schrecket nicht den Bauersmann Pauckenbrummen, Mordgetümmel, Euleneugen, Krötenzucht, Schlangenzischen, Würmgewimmel. Pfuh ihr tollen Sterblichen! Lasset euch nicht so
bethören, Wer einmahl kömt in die Hell der kan nimmer wiederkehren.»

Mauren – höchste Opferdichte Liechtensteins
Eine Ausnahme bei der Überlieferung des volkstümlichen Hexentreibens bilden in Liechtenstein die 70er- und 80er-Jahre des 17. Jahrhunderts. Aus dieser Zeit liegen umfangreiche archivalische Unterlagen vor, weil die Hexenverfolgungen in der Grafschaft Vaduz und in der Herrschaft Schellenberg Ausmasse und Formen annahmen, die sogar zum Eingreifen des Kaisers und – nach Einsetzung einer kaiserlichen Untersuchungskommission – zur spektakulären Aufhebung aller Urteile der letzten Hexenprozesse führten.

Die Archivdokumente dieser Zeit zeigen, dass Mauren in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts von den Hexenverfolgungen schwer betroffen war. Stellt man die Opferzahlen in Relation zur Einwohnerzahl, was nur für das Jahr 1680 möglich ist, ergibt sich für Mauren sogar ein landesweiter Spitzenwert. Es folgen Eschen, Triesenberg und Ruggell, wo die Zahlen der Opfer ebenfalls weit über dem prozentuellen Bevölkerungsanteil liegen. Deutlich unterdurchschnittliche Werte zeigen Vaduz, Triesen und noch stärker Schaan sowie Balzers. Keine Opfer sind bislang aus Gamprin/Bendern und Schellenberg bekannt. In eine ähnliche Richtung weisen die erhaltenen Unterlagen zu den Hexenprozessen von 1678: Mehr als die Hälfte der Opfer stammte aus Mauren.

Die ersten bekannten Opfer aus Mauren
Um die Mitte des 17. Jahrhunderts fanden in Vaduz Hexenprozesse statt, die zu mehr als hundert Verbrennungen geführt haben sollen. Eine der Hingerichteten von damals war die Mutter der Maria Walserin aus Mauren. Bei den Gerichtsverfahren von 1678 wurden schliesslich auch deren Schwester, Marias Bruder und ihre Stiefmutter als Hexenpersonen getötet. Sie selbst wäre ebenfalls verbrannt worden, wenn sie sich nicht für schwanger ausgegeben hätte. Als der wahre Sachverhalt aufkam, waren die Hexenprozesse bereits beendet. 

Nicht mehr retten konnten sich damals Katharina Fehrin und Magdalena Eglin. Letztere war seit 1660 mit dem Tavernenwirt auf dem Werth, Peter Matt, dem späteren Landammann, verheiratet. Die Eglin soll vor ihrer Hinrichtung grosse Reue bezeugt und «wenigst eüserlichen schein nach sich aufrichtig zue gott bekhenet» haben. Bei beiden Frauen zeigte sich wiederum – wie schon bei Maria Walserin – die grosse Bedeutung verwandtschaftlicher Beziehungen bei Hexereiverdächtigungen. 

 

Folterinstrument, genannt «Spanisches Fusswasser», das auch bei Angeklagten aus Mauren angewendet wurde. Man spreizte deren Beine, legte ihnen die Bretter hinter die Waden und auf das Schienbein und zog die Knie mit einem Strick zusammen, so dass sie grausame Schmerzen erlitten.

Die verzögerten Hexenprozesse von 1680
Nachdem im Frühjahr 1679 Hexenprozesse geführt worden waren, die 20 Personen aus der Grafschaft Vaduz das Leben gekostet hatten, sollten Gerichtsverfahren gegen 18 Bewohner der Herrschaft Schellenberg folgen. Da floh jedoch überraschenderweise der in politische Bedrängnis geratene Landvogt nach Graubünden: Den Verdächtigten blieb so eine Galgenfrist bis zum nächsten Jahr. 

Die Hexenprozesse von Mai bis September 1680 kosteten zwölf Personen aus der Herrschaft Schellenberg das Leben. Fünf davon stammten aus Mauren. Zählt man die beiden Frauen, die nach schweren Martern freigesprochen wurden, dazu, kam die Hälfte der Opfer aus dem genannten Ort. Ihr Schicksal lässt sich aufgrund der Quellenlage im Folgenden näher darlegen.

Vergiftete Nachbarschaft
Zunächst sind jedoch zwei Männer anzuführen, die zwar verdächtigt, aber nicht inhaftiert wurden. Bei Jakob Schechle, der mit seiner Mutter die Wallfahrt nach Ettal unternommen hatte, riet der vom Vaduzer Gericht konsultierte Rechtsgutachter Dr. Thomas Welz aus Lindau sogar ausdrücklich von der Gefangennahme ab. Die Anschuldigungen gegenüber Mathias Marxer scheinen diesem erst gar nicht vorgelegt worden zu sein.

Fidelis Matt warf Marxer vor, dass er ihm im Sommer 1680 im Zuge eines Streits gedroht hatte: «Wahrt du hundt, ich wils dir schon machen». Fünf Tage später hätten zwei Kühe Matts keinen Tropfen Milch mehr gegeben. Obwohl den Tieren schon tags darauf eine Wandelkerze des Pfarrers – also eine Kerze, die während der Wandlung gebrannt hatte – unter das Futter geschnitten worden sei, erholten sie sich erst sieben Tage später. Von seiner Ehefrau sei Matt gerügt worden: «Du hast alle weill zu zankhen mit disen teüfels leüthen.» 

Den Jakob Schechle beschuldigte Fidelis Matt ebenfalls des Schadenzaubers. Schechle sei einmal in seinen Stall gekommen und habe dem Ross Heu vorgeschüttet, woraufhin dieses gleich erblindet sei und sich danach so sehr «verblüettet» habe, dass es nach sechs oder sieben Wochen verendet sei. In seinem Argwohn gegenüber Schechle wollte Matt vom Wasenmeister bestärkt worden sein, denn dieser habe nach der Öffnung des Tierkadavers erklärt, das Pferd «sei von bösen leüthen» verritten worden, weil es an den Nieren ganz schwarz war. 

Im Unterschied zu den beiden Männern empfahl der Rechtsgutachter die Gefangennahme zweier Frauen. Deren Verdächtigungen reichten seiner Meinung nach allerdings nicht für die Anwendung der Folter aus. 

Eine der Betroffenen war Margaretha Marxerin. Sie stammte aus Ruggell und war in Mauren mit Hans Kiber verheiratet. Ihre Grossmutter mütterlicherseits, die Mutter und deren Bruder waren «im feür aufgangen». Auch ihr Bruder Hans Jörg stand 1675 in starkem Verdacht. 

Andreas Stral und seine Ehefrau Anna Negelin warfen der mit ihnen verfeindeten Nachbarin Margaretha Marxerin vor, ihre Kinder vergiftet zu haben, sodass sie sich ständig in Wasser oder auf einen Ofen zu stürzen versuchten. Auch der Taglöhner Ferdinand Wangner erklärte, von der Marxerin durch einen Trunk «hönigwasser» so schwer geschädigt worden zu sein, dass ihm – wie Strals Kindern – nur mit Heilmitteln geholfen werden konnte, die von den Feldkircher Kapuzinern gesegnet worden waren. 

Bei der zweiten Verdächtigten handelte es sich um Johanna Walserin, eine Vaduzerin, die in Mauren mit Martin Hopp verehelicht war. Ihren Vater Hans Walser hatte man 1648 als Hexer hingerichtet. Ihr Halbbruder väterlicherseits war «ganz jung auch iustificiert worden.» Schliesslich wurde 1680 noch ihr Bruder Daniel Walser verbrannt. Auch die Walserin war eine unmittelbare Nachbarin Andreas Strals, mit dessen Ehefrau Anna Negelin sie in immerwehrenden «zankh und haader» lebte. Dabei sei dieser bei einer Begegnung mit der Walserin einmal ein beinah unerträglicher Schmerz in die Brust und in die Hand gefahren, sodass sie diese «nicht mehr zum maul bringen mögen.» Später habe sie von den Kapuzinern geweihte Sachen erhalten und damit «etwas besserung erlanget». Den Verdacht gegenüber der Walserin hegte sie nach eigenen Angaben deshalb, weil ihr die Herren Kapuziner selbst gesagt hätten, «dass diser zustandt durch bese leüth ihro miesse gelegt sein worden.»

6. Maria Walserin: «Verbranntes Ungeziefer»
Zu den Personen, die solche Verdächtigungen das Leben kosteten, zählte Maria Walserin, die Ehefrau Hans Enderlins. Wie erwähnt, stammte sie aus einer schwer belasteten Familie und hätte schon 1678 verbrannt werden sollen. 1680 folgten sie und ihr Bruder Hans den bereits hingerichteten Verwandten im rauch nach. Der Rechtsgutachter Dr. Welz bezeichnete die Walserin als ungeziefer.

Ihr wurden vor allem Schädigungen von Vieh zur Last gelegt. Nachdem Hans Kiber einmal einen Rechtsstreit gegen den Ehemann der Walserin für sich entschieden hatte, habe sich die Frau im Verdruss zur Äusserung hinreissen lassen, «sy welle es ime schon eintrenkhen», was eine verbreitete Ankündigung von Rache darstellte. Tatsächlich habe Kibers Kuh am folgenden Tag ganz gestockte Milch gegeben, und am dritten Tag sei ihm ein Stier verendet. Die Kuh wollte Kiber nur mehr mittels geweihter Sachen, die er von den Kapuzinern erhalten hatte, gerettet haben. Dies galt als deutliches Zeichen einer zauberischen Schädigung. 

Im Gegensatz dazu hatte Katharina Schmidlin einmal der Walserin gegenüber Mitleid gezeigt, weil ihr ein Rind eingegangen war. Darauf habe diese aber übel reagiert und erklärt, sie solle auf ihr eigenes Vieh achten. Als bald darauf ein schönes Tier der Schmidlin verendete, hegte sie keinen Zweifel über die Ursache des Unglücks. Den entsprechenden Verdacht bestätigte ihr schliesslich noch der Metzgermeister Jakob Hasler, indem er bei der Untersuchung des Kadavers feststellte, dass das Tier am Rücken ganz schwarz und blau gewesen sei, als «ob man darauf wie in einem sessel geriten were.» Des Weiteren habe die Walserin der Schmidlin, als diese 1664 im Kindbett lag, eine Suppe gekocht, von der sie sofort «einen solchen hefftigen grosen husten und haysere bekhommen, dass es sye über dass herz übel getrukht und aufgebleet, also dass sy es noch zu zeithen empfinde und vermaine, sy miesse zerspringen.»

Der Metzger Hasler, ein nächster Nachbar der Walserin, geriet mit ihr ebenfalls einmal in Streit, da ihm deren Hennen grossen Schaden angerichtet hätten. Nachdem die Frau dabei eine Drohung ausgestossen habe, sei ihm in der Nacht darauf ein Schwein verendet. Aber auch wenn er ihr nicht nach Wunsch zur Hand gegangen sei, habe sie ihm gleich ain unglükh zugefiegt. Als Folge davon habe er neun ganze Jahre hindurch, von 1667 bis 1676, kein Stück Vieh darvon bringen können. Das habe einen Schaden von mehr als 600 Gulden bewirkt, dessen ursach er allain iro und ihren thails verbrendten vor und eltern zuschreibe. Allerdings fügte Hasler abschliessend vorsichtiger hinzu, in letzter Zeit zeige die Walserin ihm gegenüber keinerlei Widerwärtigkeit mehr, und er könne auch «nix gewises von ihrer hexerey sagen, allein suspiciere er auf sye, wegen all zu grossen wider sy ergangenen geschray.» 

Maria Walserin wurde schliesslich am 15. Juli 1680 verhaftet und vor Gericht zuerst ohne und dann mit der Folter verhört. Dabei gestand sie die Hexerei und gab etliche Komplizen an. Ein darauf folgender Widerruf nützte ihr nichts, denn sie wurde durch das «Spanische Fusswasser» – eine grausame Tortur, bei der den Gefolterten die gespreizten Beine bei den Knien gewaltsam zusammengezogen wurden – neuerlich zum Geständnis gezwungen. Dieses umfasste die Angaben, dass sie den Teufelspakt mit ihrem eigenen Blut unterzeichnet, sich zum Ausfahren eines Steckens sowie einer vom Teufel erhaltenen Salbe bedient und verschiedenen Leuten «durch zauberey die frücht verdörbt» habe. Das genaue Datum ihrer Hinrichtung im Sommer 1680 ist wie bei den anderen Opfern nicht bekannt.

Hans Walser: «Dessen Angesicht nicht viel Gutes ausdeutet»
Ein weiteres Beispiel zeigt das Schicksal von Hans Walser in Eschen. Marias Bruder Hans arbeitete als Knecht des Waibels in Eschen. Dort wurde ihm vor allem vorgeworfen, dass er im Sommer 1675 dem etwa zweijährigen Kind Ferdinand Marxers aus Eschen, «welches zuvor ganz gesundt war, auch schon etwas gehen und reden khönnen», ein Stück Brot, das er im Hosensack getragen hatte, zu essen gab. Zehn Tage später sei das Kind mit «grosem schmerzen angefallen, auch an hend und fuessen ganz lamm worden». Der Gebrauch von geistlichen Mitteln brachte nur eine kurzfristige Besserung. Der Bub blieb lahm. Dessen Vater hielt man allgemein vor, er hätte es nie dulden dürfen, dass Walser dem Kind etwas gebe, denn er stehe in sehr üblen rueff. Man sehe ja, dass er sogar mit seinen angesicht nicht vil guetes von sich ausdeütet.

Obwohl ihn sonst nur noch Baptist Hasler für die Krankheit eines Rosses verantwortlich machte, sprach sich der Rechtsgutachter im März 1679 für die Gefangennahme und Folterung aus. Im folgenden Jahr vertrat der Jurist hingegen die Auffassung, dass sich der Richter vor einer Verhaftung um weitere Indizien bemühen müsse. 

Das geschah anscheinend auch, denn am 19. Juli 1680 wurde Walser vom Gericht verhört und, da er freiwillig nichts Belastendes gestand, zwei Stunden lang in das «Spanische Fusswasser» gesetzt. Daraufhin bekannte er, einen Teufelspakt mit eigenem Blut unterzeichnet zu haben und auf einem Stecken, den er mit einer Salbe eingeschmiert habe, zu Hexensabbaten gefahren zu sein. Des Weiteren wollte er Mathias Marxer einen Stier verzaubert und andere Leute durch die Erzeugung von Hagelwetter geschädigt haben. Hans Walser wurde schliesslich wie seine Schwester hingerichtet.

«Hexenverbrennung auf der Alp», Gemälde von P. Balzer

Anna Marxerin: «Selbst von den Kindern auf der Strasse für einen Unhold gehalten»
Ein weitere Geschichte, aus den Hexemprozessen: Anna Marxerin, die Ehefrau des Müllers Andreas Öhre, war durch ihre Mutter, die man als Hexe verbrannt hatte, schwer belastet. Das «mereste volkh, absonderlich die nachbauren, hielt auch die Tochter für nichts nutz».

Als bedeutsamstes Indiz der Hexerei galt der überraschende Tod ihres 24-jährigen, stets gesunden Knechts Hans Wetzel aus Mauren. Der mit Maria Lampartin aus Schellenberg verheiratete Hans war ein Sohn Andreas Wetzels und seiner Ehefrau Katharina Köchin. Nachdem ihm die Marxerin einmal Dörrbirnen «zum brendt essen» gereicht hatte, habe er unmittelbar darauf unter grossen Schmerzen angefangen zu bluten, sei am ganzen Leib, besonders an den Genitalien, aufgeschwollen und innerhalb von acht Tagen verstorben. Auf dem Krankenbett habe Hans gegenüber seiner Ehefrau und den Eltern erklärt, «er habe dörre bieren gessen, die seyen sein todt.» Kurz vor dem Tod habe er auch gesagt, er wisse schon, dass ihn die Marxerin «nit mehr gehrn gehabt habe», sie habe ihm nämlich das Essen nicht mehr gegönnt. Als Wetzel bei den Kapuzinern Heilung suchte, stellten diese fest: «Diser man hat ein besondere khrankheit.» Deshalb sollen auch ihre geweihten Mittel nichts mehr geholfen haben. Als die Marxerin ihren Knecht während seiner Krankheit besuchte, sei sie auffällig um sein Bett herum gegangen. 

Bei den letzten Zeugenverhören erklärte Hans Kiber, dass Anna Marxerin in einem sehr üblen Ruf stehe und von jedermann für eine nichtswürdige Person gehalten werde. Es sei schon so weit gekommen, dass «auch das khindt auf der gassen sie für ein unholdt gehalten.» Man frage öfters, «ob man sie noch nit auf das schloss geführt habe.» Früher habe er um sie geworben (umb sie ahnbuelet). Sein Vater und seine Verwandten hätten jedoch eine Heirat wegen ihres schlechten Rufs nicht zugelassen. Obwohl die Marxerin ihnen selbst noch nie geschadet habe, gaben auch Christian Risch und Samuel Matt aus Mauren zu Protokoll, die Frau stehe bei jedermann in Stadt und Land «in einem bösen und üblen ruef», weil man glaube, sie sei an Hans Wetzels Tod schuld gewesen. Dabei betonte man, «dise verschrey sey von ehrlihen leüthen entsprungen.» Darüber hinaus erklärte Ferdinand Wangner, er sei zwar nicht ganz sicher, ob er von Anna Marxerin oder von Maria Martin die Suppe bekommen habe, woran er einmal zu sterben meinte. Von der Marxerin halte man aber auch sonst wenig, ihr eile ein schlimmer Ruf voraus. 

Vor Gericht gestand Anna Marxerin ihre vermeintlichen Verbrechen schon bei der ersten Folterung. Anschliessend widerrief sie ihre Angaben aber viermal. Aufgrund dessen wurde sie dreimal in das «Spanische Fusswasser» und auch auf den «Esel» – ein spitzes Foltergestell, das zwischen die Beine einschnitt – gesetzt. Unter anderem bekannte sie dabei, dass sie Hans Wetzel «das vom teuffel subministrirte pulver» in die Suppe gegeben habe. Anna Marxerin erhielt dafür die Todesstrafe.

Historisches Hexengewand, das die verurteilten Hexen anziehen mussten, bevor sie auf
Scheiterhaufen verbrannt wurden. Foto: Picture Alliance Frankfurt am Main

Zusammenfassung
Aus Mauren sind bislang elf Personen bekannt, die als Hexen oder Hexer verbrannt wurden. Zwei weitere überstanden Hexenprozesse mit schweren Nachwirkungen. Bei etwa 70 Prozent der Betroffenen handelte es sich um Frauen. Die Zahl der tatsächlichen Opfer lag zweifellos weit höher. Die Maurer Hexenverfolgungen hatten ihre Ursache in Nachbarschaftskonflikten, bei denen Erklärungen von Schäden an Menschen, Vieh und Feldfrüchten im Vordergrund standen. Tatbestände wie Teufelsbund, Hexenflug oder Hexentanz wurden erst von der Obrigkeit thematisiert. Bei der Bevölkerung war das Hexenlaster vor allem durch einen entsprechenden öffentlichen Ruf und damit zusammenhängend durch die Vererbbarkeit charakterisiert. Letztere bedingte eine tiefe Spaltung der Dorfgemeinschaft, die in Triesen im Rahmen der Tobelhockervorstellung bis heute fassbar ist. In Mauren bot sich Anhängern der Hexenvorstellung – übrigens noch lange nach dem Verbot von entsprechenden Prozessen – die Möglichkeit von symbolischen Hexenverfolgungen im Rahmen der rituellen Verfluchungen des Uli Mariss als Wetterdämon.