Ein Unikat, Raffinesse und Brillanz

Die Maturarede 2021, welche wie das Coronajahr ganz besonders war, begeisterte im SAL in Schaan: v.l. Noa Kaiser, Aaron Nobile und Daniel Elkuch.

Maturarede von Noa Kaiser, Aaron Nobile und Daniel Elkuch:

Die Reifeprüfung und die anschliessende Entgegennahme des Maturazeugnisses erwarten junge Erwachsene stets mit grosser Genugtuung. Am Samstag, 26. Juni, war es in diesem Jahr wieder soweit: 103 erfolgreiche Maturae und Maturi des Liechtensteinischen Gymnasiums feierten ihren Abschluss. Alles war anders in diesem Coronajahr. Und so überraschten die drei Maturaredner Daniel Elkuch (19), Noa Kaiser (19) und Aaron Nobile (18) mit einer sehr humorvollen Performance, die vollauf zu begeistern wusste.

Daniel Elkuch: Sehr geehrte Damen und Herren, Maturanten und Lehrpersonen Mein Name ist Daniel Elkuch, Wirtschaftsklässler, Renditenliebhaber und, wie Sie unschwer bemerken können, erfolgreicher Maturand. 

Es ist mir eine grosse Ehre, heute eigenständig, also ganz allein, die Maturarede halten zu dürfen. 

Um zu verstehen, um was es heute Abend geht, muss ein jeder sich bewusst sein, dass die Matura zwar Jahr für Jahr mit dem Alter an persönlichem Wert verliert, aber für immer Teil eines Grundsteins bleibt, auf dem wir alle unser zukünftiges Leben aufbauen werden, in dem wir hoffentlich ein Höchstmass an Glück, Zufriedenheit, Gesundheit und natürlich auch an Kapitalerträgen erwirtschaften werden.

Als nun auch zertifizierte Bildungselite des Landes stehen uns alle Türen offen, vor allem die zur HSG. Umso wichtiger ist es, diese Chance zu nutzen und stetig zu versuchen, das Beste aus sich selbst und der momentanen Situation zu machen. 

Doch … bis hierher war es ein langer Weg, der voll von vielen positiven sowie auch negativen Ereignissen war. Unvergessliche Erinnerungen machten wir vor allem an Wandertagen, im Skilager, während Klassenausflügen, an der Börse und auch ganz einfach und alltäglich im Unterricht mit Freunden und Lehrern. 

So unterschiedlich wie die Schüler selbst alle sind, waren auch die verschiedenen Herangehensweisen der Maturanden.

Während Wirtschaftsklässler klare Ziele setzten und über die Jahre zu wahren Highperformern wurden, war längst klar, dass es – zum Beispiel bei den pinselschwingenden Kunstklässlern leider nur für den Gesellschaftsstand der zukünftigen Geringverdiener reichen wird.

Wie dem auch sei …

Noa Kaiser: Meine geschätzten Damen und Herren, liebe Mitschülerinnen und Mitschüler, geschätztes Lehrertum und Feudalrektorat 

Ich bin Noa Kaiser, der Yo-Yo-Meister aus dem Musik- und Kunst-Profil, und möchte den Unsinn, den mein Rednerpartner eben kundmachte, streng unterbinden. Denn seine Rechnung ist falsch und zweckentfremdet. 

Weg mit den Finanzsektoren, heran mit den Pinseln. Was nützen einem Berge von Geld, wenn man seiner Seele – mittels der Kunst – keine Bühne bieten kann, wenn man seine Träume zu keiner Musik im Sinnestaumel tanzen lässt. Als Maturand ist man nicht nur Teil der Elite des Landes, sondern auch ein Freigeist-Aspirant. 

Wir haben die Chance auf eine kulturelle Neuverteilung, wir haben die Möglichkeit, dem Strom entgegen zu schwimmen und Liechtenstein als neues Land der Dichter und Denker erstrahlen zu lassen, anstatt mit dem Titel ‹Casinofreundliche Steueroase› unterzugehen.

Eben sprach ich über Künste. Da habe ich die wohl beeindruckendste Kunst vergessen zu nennen. Die Kunst des Brauens. Brauerei scheint in Liechtenstein grosse Aufmerksamkeit und Zuspruch zu erfahren. Eine Kneipe scheint den Platz der Kirche einzunehmen. Kritische Zungen behaupten, dass man Kirche und Staat trennen sollte. Ist die Alternative aber dann der Zusammenschluss von Kneipe und Staat? Natürlich nicht, aber im Schein und Zweifelsfall sind solche Dimensionen schwierig zu unterscheiden.

Abschliessend möchte ich noch über die letzte Zeit sprechen. Viele Probleme stauten sich an. Ein müder, melancholischer Wind wehte durch die leeren Strassen. Die Wirtschaft stagnierte oder bröckelte sogar. Viele Leute verloren ihre Arbeit. Unterrichtet wurde nur noch vor dem Bildschirm. 

Man sah seine Freunde viel weniger. Einst vertraute Gesichter wurden fremd. Man fühlte sich gefesselt, und man hatte nicht nur metaphorisch ein Blatt vor dem Mund. Und dann gab es noch Corona. 

Und jetzt wird es noch schlimmer – jetzt kommt Aaron.

Aaron Nobile: Physik heisst messe! Und messe heisst Fehler machen! Und ich heisse Aaron, und Aaron heisst?

Hallo! Mit dem Anfang dieser Sätze wurde ich vor vier Jahren in die empirische Welt der Naturwissenschaften aufgenommen. Seitdem lernte ich mit einer überaus präzisen Messgenauigkeit zu leben und zu lieben – dabei spielten Rendite für mich nie eine grosse Rolle. 

Doch meine Interessen waren nicht immer der Naturwissenschaft gewidmet, und ich rede im Namen aller, wenn ich sage, dass in diesen vielen Jahren der harten Arbeit ein grosser Wandel in uns allen stattgefunden hat. 

Die Wirtschaftsklassen wurden immer überheblicher, sodass sie es irgendwann als nötig betrachteten jeden als ‹Geringverdiener› abzustempeln, der sich nicht mit dem Aktienstand des Bitcoins auskennt.

Die Musik- und Kunstklasse hingegen war den Finanzen eher abgeneigt. Sie war in dieser Zeit mehr damit beschäftigt, 1. Klässler mit ihren verstörenden Werken im Gang zu traumatisieren und jedem zu erzählen, dass sie nicht das «Blöterleprofil» seien, weil ihre Matura ja doch so schwer sei. Die Sprachen-Klassen sollen jedoch auch nicht unbeschadet davonkommen. Deshalb sage ich nur: Was dies genau bedeutet, weiss ich selbst nicht, doch ich wäre über jede Aufklärung im Verlauf des heutigen Abends erfreut.

Allgemein kann man aber auch einen Wandel in Sachen Politik feststellen. Viele der sich im Raum befindenden Maturanden wurden über die Zeit immer mehr politisch aktiv – und setzten z.B. auch ein Zeichen gegen Homophobie, sei es in einer Jungpartei oder auf Instagram.  Angesichts dieser Zeiten, in welchen man im Ungewissen ist, will ich Licht ins Dunkel bringen. Jeder Maturand und jede Maturandin hebe bitte nun eine Hand hoch und spreize deren fünf Finger sichtbar für die Eltern aus. 

Jeder, der schon mal gespickt hat, nehme jetzt einen Finger runter.

Jeder, der schon mal geschwänzt hat, nehme einen Finger runter.

Jeder, der schon mal für die Facharbeit eine Nacht durchgemacht hat, nehme einen Finger runter.

Jeder, der schon mal in einen anderen Zustand als nüchtern zum Unterricht erschienen ist, senke auch einen Finger.

Jeder, der mit einer Lehrperson in den letzten sieben Jahren geliebäugelt hat, senke seinen Finger ebenso.

Ich hoffe, eure Eltern wissen nun Bescheid und sind gleich stolz auf euch wie zuvor.

Daniel Elkuch: Zum Schluss möchten wir drei die Haupttriebkräfte einer funktionierenden Gesellschaft zusammenschliessen: Mathe, Wirtschaft, Musik und Sprachen. Zudem möchten wir unseren Dank aussprechen. Einen grossen Dank an alle Mitschülerinnen und Mitschüler, an alle Lehrerinnen und Lehrer, ans Rektorat, ans Sekretariat, an die Putzkräfte, an die Hauswarte …

Noa Kaiser: … und einen herzlich grossen Dank an die Mensa.