Nachhaltige Berufsbildung durch Know-how-Transfer

Mit Vertretern verschiedener Ministerien: In der Mitte Projektleiter Michael Biedermann, flankiert von zwei Trainees.

«Ich sehe mich nicht als Berufsbildungs-Missionar», sagt Michael Biedermann, der in den vergangenen beiden Jahren vier Monate in Laos verbracht hat. Dort hat der Rotarier in ehrenamtlichem Einsatz ein Projekt des Distrikts 2000 mit über 80 Rotary-Clubs aus Liechtenstein und der Schweiz geleitet: Das Projekt «Skilldream», das Grundzüge des Erfolgsmodells der dualen Berufsbildung in Südostasien implementiert, stellt nachhaltigen Erfolg dabei vor allem durch Know-how sicher und nicht durch eine Kopie des Liechtensteiner und Schweiz Systems.

Interview: Heribert Beck

Was beinhaltet das Projekt Skilldream in Laos, das du in den vergangenen beiden Jahren geleitet hast?
Michael Biedermann: In aller Kürze zusammengefasst geht es um die Unterstützung und Begleitung der laotischen Berufsbildung mit der Erfahrung und dem Know-how der dualen Berufsausbildung aus Liechtenstein und der Schweiz. In Laos beruht sie auf dem gesetzlich verankerten «Dual-Cooperative Training». Wir sind in Savannakhet im Süden des Landes tätig und fokussieren auf Berufe in der Hotellerie und Gastronomie. Diese strategische Ausrichtung hat neben der Ausbildung junger Berufsleute auch die Stärkung einer nachhaltigen Tourismusbranche in einem touristisch noch wenig erschlossenen Gebiet zum Ziel, das landschaftlich aber grosses Potenzial hat. Die Finanzierung erfolgt durch Rotary-Clubs im Distrikt 2000. Dazu gehören über 80 Clubs aus der Schweiz und Liechtenstein, darunter Liechtenstein-Eschnerberg, bei dem ich Mitglied bin. Auch Sponsoren und Mitgliederbeiträge des Vereins Skilldream, der zum Zweck der Durchführung des Projekts gegründet wurde, tragen zum Erfolg bei. Diesen Erfolg stellen wir unter anderem sicher durch den Einbezug relevanter lokaler Institutionen, insbesondere des Ministeriums für Bildung und Sport, des Departements für Kultur und Tourismus und des Hotellerie- und Gastronomieverbands.

Wie bist du dazu gekommen, die Leitung des Projekts zu übernehmen.
Dem Vorstand des Vereins Skilldream, der 2018 gegründet wurde, gehören unter anderem die vier Governors des Distrikts 2000 an. Eine von ihnen war im Jahr 2019 Magdalena Frommelt aus Schaan. Sie wusste um meine Kenntnisse in Berufsbildung und vor allem Projektmanagement. Ich war 1968 der erste Liechtensteiner Teilnehmer an den Worldskills, zehn Jahre als Teamleader und technischer Delegierter für die Organisation tätig, 30 Jahre international als Projektmanager erfolgreich und habe ein vielbeachtetes Buch zu diesem Thema geschrieben. Im September 2021 habe ich die Gesamtverantwortung für Skilldream als Projektleiter übernommen und war ab 2022, als es die Corona-Situation wieder zugelassen hat, sieben Mal für jeweils drei Wochen in Laos. Hinzu kam viel ehrenamtliche Arbeit von zu Hause aus.

Warum haben sich die Initianten damals für Laos und für die Gastro-Branche entschieden?
Rotary International unterstützt humanitäre Projekte auf der ganzen Welt mit Geld und dem Know-how seiner Mitglieder. Dass es am Ende ein Projekt der Hotellerie und Gastronomie wurde, liegt daran, dass einer der bei der Vereinsgründung aktiven Governors ein Hotel in St. Moritz betrieben hat. Laos hat sich angeboten aufgrund der Gastfreundschaft, welche die gesamte Bevölkerung lebt, sowie der Kultur und Natur, die ein grosses Potenzial für einen nachhaltigen Tourismus bergen. Wir wollen die Region Savannakhet auf dem Weg in diese Richtung begleiten. Die offiziellen Stellen sind uns dabei gerne behilflich, da der Tourismus eine grosse Chance bietet, Devisen ins Land zu bringen. Die Entscheidung für Laos war definitiv die richtige. Die Menschen dort sind unglaublich wissbegierig und hilfsbereit. Ihre Dankbarkeit und Herzlichkeit sind der schönste Lohn für unser Engagement. Mir sind die Bedenken in Bezug auf Korruption in Südostasien selbstverständlich bekannt. Aber ich kann auch garantieren, dass dies in Laos kein weitverbreitetes Phänomen ist und dass alle Zahlungen, die wir für das Projekt tätigen, auf nachgewiesenen Leistungen beruhen.

Du hast das «Dual-Cooperative Training» erwähnt, die Grundlage für das Projekt Skilldream, und seine Ähnlichkeit zur dualen Berufsbildung hierzulande. Lässt sich das wirklich vergleichen?
Eins zu eins vergleichen kann man es nicht. Aber ich habe das laotische Gesetz und die Umsetzungsverordnung studiert und in den Grundzügen viele Parallelen festgestellt. Dennoch kann man unsere Berufsbildung nicht einfach in Laos implementieren. Beispielsweise würde es nicht funktionieren, drei bis vier Tage pro Woche im Betrieb zu arbeiten und ein bis zwei Tage zur Berufsschule zu gehen.
Ich habe schnell gesehen, dass zwei Monate Praxis im Betrieb, zwei Monate Theorie im Technical College, dann wieder zwei Monate Praxis aufgrund der lokalen Strukturen und der Mentalität sinnvoller sind. Ich betone stets – und an dieser Stelle wieder –, dass wir unsere duale Berufsbildung nicht exportieren, sondern mit unserem Know-how dazu beitragen, das Vorhaben «Dual-Cooperative Training» umzusetzen. Ich sehe mich daher auch nicht als Berufsbildungs-Missionar. Diese Einstellung hilft mir dabei, vor Ort Massnahmen umzusetzen wie das Erstellen von Jobbeschreibungen für die Ausbildner in den Betrieben oder die Einführung eines Bewertungssystems bei Prüfungen.

Die Bildung von Ausbildnern in den Betrieben ist sicher unabdingbar für einen nachhaltigen Erfolg eures Projekts …
Definitiv. Nachhaltigkeit ist nur dann gegeben, wenn es uns gelingt, vor Ort Expertenwissen aufzubauen. Dabei ist die Sprachbarriere aber auf allen Ebenen eine Herausforderung. Das fängt in den Ministerien an und reicht bis hinunter in die Ausbildung am Technical College. In Laos wird Englisch gelehrt, gerade auch am College, aber leider auf einem Niveau, das einer auf Kommunikation ausgerichteten Sprachbildung nicht gerecht wird. Für meine Beratungen und Verhandlungen hatte ich zum Glück eine Dolmetscherin von Laotisch zu Englisch an meiner Seite, die auch über eine Ausbildung in der Gastrobranche verfügt. Doch das allein ist nur eine kurzfristige Lösung. Ich habe bald gesehen, dass der Englischunterricht stärker auf Konversation ausgerichtet werden muss. Bei einem meiner Besucher habe ich bei einem Trainee mein Frühstück, Spiegeleier, bestellt. Dafür habe ich auf die Karte gezeigt. Als ich noch Salz haben wollte, hat sie mich nicht verstanden. Also zeigte ich auf den Salzstreuer und sagte «salt». Am nächsten Tag spielte sich das Gleiche mit «pepper» ab. Ich habe so gemerkt, dass es den Trainees sehr viel hilft, wenn ich wenige Minuten am Tag mit ihnen spreche. Am Ende der Woche kam sie, stellte mir mein Frühstück hin und sagte auf Englisch: «This is your breakfast. Enjoy it. Do you want any salt or pepper?» Dieses Beispiel habe ich immer wieder erwähnt, um die Verantwortlichen auf die Bedeutung der aktiven Konversation hinzuweisen – nicht nur bei den Trainees, sondern auch bei den Ausbildungsverantwortlichen. Unterstützt habe ich sie durch die Entwicklung eines Stufenmodells, um die Kommunikationsfähigkeiten zu fördern und Hemmungen abzubauen.

Was sind neben der Sprachbarriere die Herausforderungen, mit denen ihr zu kämpfen hattet oder habt?
In Liechtenstein und der Schweiz suchen die Firmen Lernende. In Laos ist es genau umgekehrt. Dort suchen wir zusammen mit dem Technical College Ausbildungsbetriebe. Um für die erste Pilotklasse genug Unternehmen zu einer Zusammenarbeit zu überzeugen, waren mehrere meiner Besuche notwendig. In Kürze können wir aber schon mit der dritten Klasse starten. Langsam sprechen sich der Sinn und der Erfolg unseres Ansatzes herum, und es fällt uns leichter, Betriebe für eine Kooperation zu finden. Eine Grundlage dafür war neben dem Erfolg der ersten Klassen der Aufbau von Vertrauen. Das gelingt nur auf der persönlichen Ebene. Beispielsweise, wie in meinem Fall, indem man mit einem Angehörigen eines Ausbildungsbetriebs Schlagzeug spielt. Das bringt die Beziehung auf eine ganz andere Ebene. Dafür muss man den Menschen zuhören und sich bemühen, ihre Kultur zu verstehen.

Kannst du die Erfolge der ersten beiden Jahre Skilldream in einigen Sätzen schildern?
Wir haben ein belastbares Prüfungskonzept nach einem Zehn-Punkte-System entwickelt. Mehrere Trainees haben nach dem Abschluss ihrer Ausbildung ein staatlich anerkanntes Diplom empfangen und eine Anstellung in ihren Ausbildungsbetrieben erhalten. Die Ausbilder verfügen über detaillierte Instruktionen und haben Anleitungen erhalten. Wir haben ein Memorandum of Understanding mit den zuständigen Ministerien und dem Technical College unterzeichnet, das die Zusammenarbeit für mindestens die kommenden drei Jahre sicherstellt. Ich denke, wir konnten viel Gutes bewegen und in die Wege leiten. Nun darf ich die Projektleitung mit einem guten Gefühl abgeben.