Immobilien stehen für langlebige Investitionen, für Wohnungs-, Büro-, Gewerbe- und industrielle Nutzung. Sie bilden damit nicht nur einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor, sondern auch die Grundlage für private und geschäftliche Existenzen.
Text: Lic. oec. Karlheinz Ospelt, Vaduz
Immobilien und deren Nutzung
Wer produziert oder Dienstleistungen erbringt, ist auf entsprechende Räumlichkeiten angewiesen. Während bis vor wenigen Jahren überwiegend klare Trennungen zwischen Wohnung und Büro angesagt waren, hat sich in den Corona-Jahren gezeigt, dass auch eine Wohnung im Homeoffice zum Bürostandort werden kann. Damit verbunden sind aber steuerrechtliche und gehaltsrelevante Aspekte, die es zu berücksichtigen gilt.
Das Wohnbedürfnis ist für alle Menschen von zentraler Bedeutung. Ob als Eigentümer oder Mieter gilt es, die Rahmenbedingungen zu berücksichtigen und die wirtschaftlichen Möglichkeiten zu nutzen.
Immobilien und Zinsen
In den letzten Jahren der Tiefzinsphasen wurde der Erwerb von Häusern und Wohnungen wirtschaftlich interessanter, und viele strebten nach eigenen vier Wänden. Ob als Stockwerkeigentum oder Einfamilienhausbesitzer – die niedrigen Zinsen entlasteten das private Budget massiv. Dennoch blieb Eigentum für viele ein Traum. Niedrige Zinsen allein ermöglichen noch keine langfristige Finanzierung. Hypotheken werden nach immer strengeren Vorgaben der Regelungsbehörden vorgegeben: Nicht der jeweils aktuelle Zinssatz ist für die Kreditvergabe massgeblich, sondern der kalkulatorische – eine fiktive, risikorelevante langfristige Zinsannahme. Diese liegt bei 4,5 bis 5 Prozent, dazu kommen allfällige Amortisationszahlungen bei Aufnahme von Zweithypotheken, die 66 Prozent des Wertes der Liegenschaft übersteigen und Kosten für den Liegenschaftsunterhalt. Zweithypotheken werden in der Regel bis maximal 80 Prozent des Liegenschaftswertes vergeben, die verbleibenden 20 Prozent müssen als Eigenkapital nachgewiesen werden. Zudem gilt die Vorgabe, dass die Zinsbelastung 33 Prozent des Bruttoeinkommens nicht überschreiten soll. Massgebend für die Tragbarkeitsberechnung ist somit nicht allein das Vermögen, sondern vor allem das Gehalt.
Reale oder nominelle Werte
Je höher die Inflation, desto höher muss die Rendite ausfallen, um ein wirtschaftliches Ergebnis zu erzielen. Oft wird vergessen, dass Rendite stets im Verhältnis zur Inflation zu betrachten ist – also der reale Zugewinn und nicht der nominelle entscheidend ist. Das gilt auch für Immobilien, die als Renditeanlagen über viele Jahre einen Boom verzeichnen konnten. Neben den Mieteinnahmen ist zu beachten, dass die Wertvermehrung der Grundstücke und höhere Baupreise einen wesentlichen Teil zur Rendite bestehender Immobilien beigetragen haben. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die Lebensdauer von Gebäuden endlich ist und Gebäude jährlich an Wert verlieren, sofern nicht regelmässig reinvestiert und laufend unterhalten wird.
Immobilienbestand und Bevölkerungsentwicklung
Immobilien sind und waren in der Region über Jahrzehnte eine der bestmöglichen Anlagen. Neben enormen Gewinnsteigerungen an den Aktienbörsen waren vor allem Immobilien im vergangenen Jahrzehnt eine sichere und gewinnbringende Investition. Dazu beigetragen hat der Umstand, dass die Bevölkerung ständig wächst – ob durch Geburtenüberhang oder durch Neuzuzüge. Dieser Trend zeichnet sich auch für die kommenden Jahre ab. Neben der Bevölkerungszahl stieg ausserdem die beanspruchte Wohnfläche pro Person kontinuierlich an. Somit ergaben sich eine hohe Nachfrage und damit höhere Mietpreise. Im Kanton St. Gallen betrug die Leerwohnungsziffer nur noch 1,4 Prozent – es standen per 1. Juni 2023 lediglich 3800 Wohnungen leer und wurden zur Miete oder zum Kauf angeboten.
Wohnungsbau und Mieteranteil – Liechtenstein im Vergleich
Um beim Kanton St. Gallen zu bleiben: Zwischen 2010 und 2021 ist der Bestand an Gebäuden mit Wohnnutzung um 5 Prozent gestiegen, der Bestand an Wohnungen sogar um 15 Prozent, wie der aktuellen Ausgabe vom 15. April des «St. Galler Hauseigentümers», der Zeitschrift des Hauseigentümerverbands Kanton St. Gallen/HEV zu entnehmen ist. Demnach flossen von den etwa 3 Milliarden Franken, die jährlich im Baubereich investiert werden, mehr als 50 Prozent in den Wohnungsbau.
In Liechtenstein wurden 2010 total 10’337 Gebäude gezählt, 2020 waren es 11’203, ein Zuwachs von 8,4 Prozent. Die Anzahl der Einfamilienhäuser stieg in diesen 10 Jahren von 6161 auf 6317 um 2,5 Prozent, jene der Mehrfamilienhäuser von 2135 auf 2480 um 16,2 Prozent. Von den total zirka 17’500 Wohnungen in Ein- und Mehrfamilienhäusern sind je rund die Hälfte gemietet oder eigengenutzt. Der Trend geht klar zu Einpersonenhaushalten und Familien ohne Kinder.
Der Mieteranteil gesamtschweizerisch liegt bei rund 58 Prozent Prozent, in Deutschland beträgt er gut 50, in Österreich etwa 46 und in Frankreich rund 35 Prozent. In Polen (13 Prozent) und Rumänien (5 Prozent) ist der Mieteranteil europäisch am geringsten.
Fazit:
Hohe Immobilien- und Grundstückspreise
Die starke Preisentwicklung der letzten Jahre hat mit den leicht angestiegenen Zinsen einen Dämpfer bekommen. Während in Liechtenstein und in der Schweiz keine Preissenkungen bei Immobilien zu verzeichnen waren, gab es in Deutschland empfindliche Korrekturen nach unten von teilweise weit über 10 Prozent. Die Grundstückspreise in den Schweizer Nachbargemeinden stiegen wesentlich mehr als in Liechtenstein. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass in Liechtenstein je nach Gemeinde starke Unterschiede bestehen und die Gemeinden mit ehemals niedrigeren Grundstückspreisen erheblich stärker nach oben korrigiert haben als die ohnehin schon teuren Gemeinden Vaduz und Schaan. Die hohen Grundstückspreise reduzieren die Renditen von Wohnbauprojekten, und damit wäre eigentlich eine Minderung der Bautätigkeit zu erwarten. Das ist jedoch nicht absehbar. Konkrete Statistiken sind in Liechtenstein nicht vorhanden. Zwar wurden sie schon lange angemahnt, aber das zuständige Ministerium hat erneut vertröstet. So soll der Wohnimmobilienindex erst in zwei bis vier Jahren und der Mietpreisindex in ein bis drei Jahren erstmals publiziert werden. Immerhin. Doch: Vergleiche von Inseraten zeigen, dass Mieten in Liechtenstein kaum mehr höher ausfallen als in Buchs oder Sevelen – zumindest, wenn man den gleichen Standard im Innenausbau vergleicht!
Miet- und Gehaltsentwicklung
Erst vor wenigen Tagen hat das Amt für Statistik gemeldet: «Medianlohn erstmals über CHF 7000! Im Jahr 2022 betrug der mittlere Bruttomonatslohn der in Liechtenstein beschäftigten Personen CHF 7042 (Medianlohn). Gegenüber dem Jahr 2020 stieg der mittlere Bruttolohn um 2,8 Prozent. Im monatlichen Bruttolohn enthalten ist auch ein Zwölftel des 13. Monatslohns und anderer Zulagen.»
Es handelt sich hierbei um nominelle Werte. Die Inflation von Dezember 2020 bis Dezember 2022 betrug in der Schweiz 4,4 Prozent (Konsumentenpreisindex), der Mietpreisindex stieg in der gleichen Zeit um 3 Prozent.
Immobilien in Liechtenstein
Für den Standort Liechtenstein sprechen nach wie vor niedrige Zinsen, moderate Steuern für die Bevölkerung und ein hohes Wirtschaftswachstum mit Vollbeschäftigung. Der regulierte Zuzug von Ausländern – dank einer einzigartigen Beschränkung der Personenfreizügigkeit im EWR-Abkommen – verhindert eine noch höhere Nachfrage nach Wohneigentum und damit noch höhere Mieten und Preise. Dazu soll auch das Grundverkehrsgesetz beitragen. Es stellt sich allerdings die Frage, inwieweit dieses die Konzentration der Grundstücksbesitzer verhindern konnte. Jedenfalls ist damit ein freier Markt seit Jahrzehnten eingeschränkt. 42 Prozent der Landesfläche besteht aus Wald, 32 Prozent sin Landwirtschaftsboden, 14 Prozent unproduktive Fläche und nur 11 Prozent oder 18 Quadratkilometer beträgt die Siedlungsfläche.
All die oben aufgeführten Faktoren werden einen Einfluss auf die Zukunft des Immobilienmarkts Liechtenstein haben.
Fakt ist: Die Ressourcen sind sehr beschränkt.