Haberler-Konferenz, Vaduz: Die Trennung von Bildung und Staat

S.D. Prinz Philipp von und zu Liechtenstein referierte an der von Haberler -Konferenz in Vaduz.

Ist die Zeit reif für die Privatisierung des Schulsystems?- XVIII. Gottfried von Haberler Konferenz in Vaduz

 

Vaduz, 17. Mai 2024. Unter dem Titel «Privatize Education!» widmete sich die XVIII. Gottfried von Haberler Konferenz erneut einem hochaktuellen und brisanten Thema. International führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie anerkannte Expertinnen und Experten sprachen über die Entideologisierung des Bildungsideals, diskutierten Chancen der Privatisierung im Bildungsbereich und erläuterten Beispiele erfolgreicher privater Bildungsinstitutionen.

Sind die Lehrpläne der heutigen Schulen politisch einseitig ausgelegt? Ist die heranwachsende Generation bereits durch intolerante Ideologien verunsichert? Ist es an der Zeit, staatliche Bildungssysteme in Frage zu stellen und nach praktikablen Alternativen zu suchen? International führende Expertinnen und Experten diskutierten an der diesjährigen Gottfried von Haberler Konferenz, was die Freiheit der Bildung mit der Freiheit unserer Gesellschaft zu tun hat, erläuterten Argumente für eine Privatisierung des Bildungssystems und stellten internationale Fallbeispiele privatisierter Bildungseinrichtungen im Detail vor. «Bildung ist die wohl bedeutendste Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft.

Umso wichtiger ist es, dass wir unser heutiges Bildungssystem nicht einfach als gegeben hinnehmen, sondern es kritisch hinterfragen», sagte S.D. Prinz Philipp von und zu Liechtenstein, Gastgeber der Konferenz und Honorary Chairman der LGT.

Die Internationale Gottfried von Haberler Konferenz wird jährlich von der European Center of Austrian Economics Foundation (ECAEF) organisiert und fand bereits zum 18. Mal statt.

Insgesamt nahmen rund 120 Personen teil

«Diese Konferenz regt Jahr für Jahr zur positiv-kritischen Auseinandersetzung mit relevanten Zeitthemen an. Sie rückt die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von liberalen Prinzipien – Eigenverantwortung, persönliche Freiheit, freie Marktwirtschaft und ein sinnvolles Mass staatlicher Aktivität – wieder vermehrt ins öffentliche Bewusstsein», sagte S.D. Prinz Philipp von und zu Liechtenstein abschliessend.

Das Wichtigste aus den einzelnen Referaten:

Michael Esfeld: Über freie Gesellschaft und freie Bildung

Die liberale Idee erkennt jeden Menschen als Person mit grundlegenden Rechten an, die ihn vor Eingriffen in seine Lebensführung schützen. Sie bildet die Basis für eine Gesellschaft, die auf freiwilliger Kooperation und Gleichberechtigung beruht. Der Platonismus hingegen geht davon aus, dass eine Elite das Wissen über das Gute besitzt und daher berechtigt ist, das Leben der anderen Menschen zu lenken. In der Moderne nimmt die Wissenschaft diese Rolle ein, was als politischer Szientismus bezeichnet wird: Die Anwendung wissenschaftlicher Methoden zur Gestaltung der Gesellschaft mit dem Ziel, bessere Menschen zu schaffen. Bildung und Wissenschaft, oft staatlich reguliert oder finanziert, dienen als Werkzeuge des Szientismus. Michael Esfeld argumentierte, dass eine freie Gesellschaft eine von staatlichem Einfluss unabhängige Bildung und Wissenschaft benötige, ähnlich der Trennung von Staat und Religion.

Diese Trennung würde weder Bildung noch Wissenschaft schaden, sondern lediglich verhindern, dass diese als Werkzeuge gegen die Rechte der Individuen eingesetzt werden.

Martin Krause: On the Decentralization of an Education System: Argentina as a Case in Point

Martin Krause befasste sich in seinem Referat mit dem argentinischen Bildungswesen. Nachdem das Land jahrzehntelang mit wirtschaftlichen und politischen Krisen zu kämpfen hatte, habe sich das argentinische Volk für eine Regierung entschieden, die eine Rückkehr zu den erfolgreichen Prinzipien des frühen 20. Jahrhunderts anstrebt – auch im Bildungsbereich. Der anvisierte Wandel hin zu einem dezentralisierten, offenen und transparenten Bildungssystem gehe jedoch langsam voran und setze wirtschaftliche Reformen sowie eine Stabilisierung der fiskalischen und monetären Lage voraus. Der Weg dafür sei nun jedoch geebnet und die Regierung habe diesen bereits eingeschlagen, erläuterte Martin Krause.

Claudia Wirz: Über die Ideologisierung der öffentlichen Bildung

Regelmässig sorgen die schlechten Pisa-Ergebnisse in der deutschsprachigen Schweiz, Deutschland und Österreich für öffentliche Empörung. Trotz hoher Investitionen in das Bildungssystem erreichen in der Schweiz beispielsweise 19 Prozent der 15-Jährigen nicht die Mindestanforderungen in Mathematik und 25 Prozent sind im Lesen leistungsschwach. Die Ursache dafür liege in der Bildungspolitik und deren reformpädagogischen Ansätzen, argumentierte Claudia Wirz. Die übertriebene Betonung von Inklusion und Chancengleichheit gehe zu Lasten der Leistungsbereitschaft und Bildungsqualität in der Schweiz. Um das Leistungsethos wiederherzustellen, müsse die Bildung aus dem Einflussbereich internationalistischer Gremien in die nationale und kantonale Verantwortung zurückgeholt werden.

Neal McCluskey: School Choice: Arguments For and Against

Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die eine private Bildungsinstitution besuchen, ist in den vergangenen Jahrzehnten weltweit markant gestiegen. Dies habe die Debatte um die freie Schulwahl erneut ins Rollen gebracht, sagte Neal McCluskey in seinem Referat und ging im Folgenden auf die grössten Bedenken und Streitpunkte ein. Kritiker der freien Schulwahl würden eine zunehmende soziale und religiöse Segregation befürchten, was Analysen der OECD jedoch nicht bestätigt hätten. Uneinig seien sich die beiden Lager auch in Bezug auf die Auswirkung der freien Schulwahl auf die Chancengleichheit. Und schliesslich führe man Diskussionen darüber, ob sich die freie Schulwahl positiv oder negativ auf akademische Ergebnisse auswirke. Forschungsergebnisse würden diesbezüglich ein widersprüchliches Bild zeichnen, so Neal McCluskey. Insgesamt würden die weltweiten Debatten die Spannung zweier widersprüchlicher, aber durchaus menschlicher Ziele widerspiegeln: Maximale Individualität und gleiche Chancen auf Erfolg.

Pauline Dixon: Private Schools for the Poor in Developing Countries

Bildung wird oft als öffentliches Gut angesehen und es wird erwartet, dass der Staat die Bildung bereitstellt, regelt und finanziert. Doch was geschieht, wenn Regierungen es sich nicht leisten können, adäquate Bildung anzubieten oder in politisch instabilen Verhältnissen operieren? In ihrem Referat gab Pauline Dixon Einblicke in ihre Forschung und räumte mit mehreren Mythen auf (z.B. «Privatschulen für arme Familien sind qualitativ schlechter als staatliche Bildungsangebote», «Eltern in sehr armen Regionen sind nicht in der Lage, fundierte Entscheidungen über die Schulbildung ihrer Kinder zu treffen»). So zeigte sie beispielsweise auf, dass in vielen städtischen Gebieten Indiens rund zwei Drittel der Kinder kostengünstige private Schulen ohne staatliche Unterstützung besuchen – Schulen, die teils vom Staat gar nicht registriert sind. Die Qualität der Bildung und der Infrastruktur (beispielsweise der Zugang zu Trinkwasser) sei in diesen «Low-Cost-Privatschulen» generell höher als jene der staatlichen Bildungsinstitute und die Kinder würden bessere Leistungen erbringen – und dies bei geringeren Lehrkosten. Sie legte dar, dass Menschen in armen Gemeinschaften durch ein starkes Miteinander und gemeinsames Handeln vielfach eigene Lösungen für die Herausforderungen ihres Alltags entwickeln und umsetzen.

Erik Lakomaa: The Swedish Voucher System: Pros and Cons

Im Jahr 1992 ging Schweden von einem stark zentralisierten Schulsystem zu einem System über, in dem Eltern zwischen verschiedenen öffentlichen Schulen und zugelassenen Privatschulen, so genannten unabhängigen Schulen, wählen können. Heute sind 16 Prozent der Schülerinnen und Schüler auf Primarstufe sowie 31 Prozent auf Sekundarstufe in privat betriebenen Bildungseinrichtungen eingeschrieben. Der Markt für diese unabhängigen Schulen entwickle sich jedoch sehr langsam, weshalb die Auswirkungen des Wettbewerbs noch relativ gering seien, sagte Erik Lakomaa.

Insgesamt sei die Bildungsqualität und allgemeine Effizienz dank der freien Schulwahl aber gestiegen und die Gewalt an den Schulen habe abgenommen. Auch argumentierte er, dass das neue System nicht wie von Kritikerinnen und Kritikern befürchtet die Segregation verstärke, sondern tendenziell verringere.

ECAEF in Kürze

Die European Center of Austrian Economics Foundation (ECAEF) ist ein liberaler Think Tank mit Sitz in Vaduz, Liechtenstein. ECAEF begrüsst die Tradition der Österreichischen Schule der Nationalökonomie und fördert durch verschiedene Aktivitäten das Verständnis für die Theorien und das Wissen dieser Denkschule. ECAEF steht ein für Selbstverantwortung, Unternehmertum, freie Marktwirtschaft und ein sinnvolles Mass an staatlichen Aktivitäten. Mit der Gottfried von Haberler Konferenz möchte ECAEF der Öffentlichkeit eine andere Perspektive auf wirtschafts- und gesellschaftspolitische Entwicklungen aufzeigen und zur positiv-kritischen Auseinandersetzung mit relevanten Zeitthemen anregen.

 

S.D. Prinz Philipp von und zu Liechtenstein, Pauline Nixon, Martin Krause, Claudia Wirz, Michael Esfeld (von links)