Die Weltwirtschaft in geändertem Umfeld

Karlheinz Ospelt

Die Weltwirtschaft ist im Umbruch. Die nachfolgenden Überlegungen sollen einen Einblick in die Problematik geben, die damit verbunden ist. 

Von lic. oec. HSG Karlheinz Ospelt 

Neue Weltordnung

Mit Russland, militärisch, und China, wirtschaftlich und militärisch, gibt es mächtige Gegenspieler zu den USA und Europa, die über Jahrhunderte bestimmend waren. Beide Blöcke entfremden sich zusehends und suchen nach bedeutenden Partnern, wie Indien oder einigen arabischen Ländern, als Mitstreiter. Der Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine und nun Israels gegen die Palästinenser aufgrund der bestialischen Morde von Hammas-Terroristen an israelischen Einwohnern sind Zeichen des übergeordneten Konflikts. Der Anspruch Chinas an Taiwan droht mit Weltkriegspotenzial.

Der Kampf um Ressourcen, die Bündnisse und die Spaltung der Welt in unterschiedliche Machtblöcke hat erst begonnen. Diese neue Situation mündet in eine Aufstockung der Militärausgaben. Die Kosten für die Sicherheit beanspruchen zusätzliche Milliarden. Lange verpönte Branchen werden plötzlich wieder salonfähig und haben Hochkonjunktur. 

Davon betroffen ist nicht zuletzt Europa, das sich über Jahrzehnte in Sicherheit wähnte – trotz der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien. Die USA haben schon vor Jahren eine klare Botschaft gesandt: Europa muss selbst für die eigene Sicherheit sorgen und darf sich nicht dauerhaft auf die USA verlassen. Das bedeutet, dass Europa entweder seine Staatsverschuldung weiter ausbauen, bei Leistungen einsparen oder neue Einnahmen erschliessen muss.

Wissenschaftliche Fortschritte 

Ebenso radikal hat sich die Wissenschaft verändert. Forschung und Entwicklung haben sich in unvorstellbarer Dynamik gewandelt. Künstliche Intelligenz, Genmanipulationen und die Möglichkeiten der Medizin, um nur einige wenige Felder aufzuzählen, waren noch vor wenigen Jahren in diesem Ausmass kaum denkbar. Wissenschaftliche Entdeckungen können zum Guten wie zum Bösen verwendet werden. Das Weltall wird nicht mehr von den grossen Mächten allein genutzt – immer mehr Länder sind dabei, dieses Umfeld für sich zu erschliessen, auch militärisch. Die dafür eingesetzten Beträge sind enorm und fehlen für andere, wichtige politische Agenden.

Wirtschaft und Umwelt

Grundlage für diese Fortschritte sind und waren eine funktionierende Wirtschaft und innovative Unternehmen. Sie schaffen die Möglichkeit für neue Entwicklungen und finanzieren die Staaten durch deren Gewinne. Gewinne können aber auch durch die Ausbeutung der Umwelt erzielt werden: überdimensionierte Fischereikontingente, der umweltschädliche Abbau von Rohstoffen oder unverantwortliche Entsorgungen von chemischen und anderen Abfallstoffen durch die Industrie und nicht zuletzt die Abholzung der (Tropen-)Wälder sowie der CO2-Ausstoss sind kaum durch entsprechende Umweltabgaben kompensiert. 

Das Tierwohl wird weit hinter dem Preis für Fleischkonsum angesiedelt. Dadurch entstehen Gewinne zulasten der Umwelt oder von Nutztieren. Wem gehören die Fische im offenen Meer, die immer weniger werden? Wer sorgt für eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen?

Warum ist es trotz UNO, G7, G20 und all den anderen hochrangigen politischen Treffen nach wie vor möglich, dass korrupte Politiker oder mafiöse Strukturen sich durch die Vergabe von Konzessionen oder die Abzweigung von Subventionen unermesslichen Reichtum anschaffen können, während die Bevölkerung, deren Eigentum diese Rohstoffe eigentlich sind, oft leer ausgeht? Viel schlimmer noch: Die Schäden verbleiben bei der Allgemeinheit und sind von dieser zu bezahlen bzw. zu erdulden. 

Eine faire Wirtschaft könnte entstehen, wenn die Umweltschäden bei der Vergabe eingepreist würden. Das bedeutet aber, dass diese Produkte teurer werden. Dazu, dies zu bezahlen, sind die meisten nicht bereit. Ein anderes Problem stellt die Kontrolle von Missbrauch dar, die kaum lösbar erscheint.

Globalisierung und Handel

Zu sehr haben wir uns in Europa daran gewöhnt, dass Lebensmittel, Kleider und Mobiliar gemessen am Warenkorb ausserordentlich günstig geworden sind. Möglich wurde das unter anderem durch die Globalisierung. Der Handel optimiert die Wirtschaftsleistung, je nachdem wie die politischen Rahmenbedingungen angesetzt werden. Es entstehen Mehrwerte und Vernetzungen weltweit, aber auch falsche Anreize können die Folge sein.

Die Mehrwerte werden bei uns durch immer mehr Luxus beim Wohnen, den Ferien oder der Freizeit kompensiert. Daher bleibt der breiten Bevölkerung am Ende nicht viel an Ersparnis. Die Staatsquoten wachsen, und die Staatsverschuldung, gemessen an der Wirtschaftsleitung, steigt in vielen Ländern dramatisch an. Wer bezahlt am Ende die Rechnung – die kommenden Generationen, die Umwelt durch weitere Ausbeutung, die Wohlhabenden durch hohe Inflation oder noch höhere Steuern und Umverteilung?

Dazu kommt, dass die Globalisierung nicht nur Vorteile mit sich bringt. Unsere billigen Kleider, Lebensmittel oder Medikamente werden in anderen Kontinenten nicht selten zu ausbeuterischen Löhnen und ohne Rücksicht auf die Umwelt hergestellt. Die Menschen und die Umwelt in diesen Staaten zahlen den Preis für unsere günstigen Produkte. Die Verteilung der Globalisierungsgewinne ist ungleich.

Ein weiterer Faktor ist die enorme Abhängigkeit von Lieferketten für die stark spezialisierte Weltwirtschaft. Riesige Containerschiffe versorgen die vernetzte Welt, sie transportieren aber nicht nur die gewünschten Produkte, sondern auch versteckte Drogen und Schädlinge für das Pflanzen- und Tierreich. Diese Kosten sind ebenfalls nirgends eingerechnet. Der Flugverkehr mit seinen zum Teil lächerlich günstigen Preisen wird auch von der Klimajugend gerne genutzt. Ermöglicht wird das durch subventionierte Transportkosten.

Weltbevölkerung und Migration

Die Weltbevölkerung blieb während Jahrtausenden relativ stabil. Noch um 1650 belief sie sich auf rund 0,5 Milliarden Menschen. Dann explodierte sie förmlich: um 1800 war es zirka 1 Milliarde Menschen, um 1900 waren es etwa 1,5 Milliarden und 1960 rund 3 Milliarden Menschen. Heute leben 8 Milliarden Menschen auf unserem Planeten. Es wird angenommen, dass es im Jahr 2030 bereits 8,5 Milliarden sein werden.

Jeder Mensch benötigt Lebensraum, Nahrung, Energie und produziert Abfälle. Der Lebensraum geht zu Lasten der Natur und der Tierwelt. Umweltschutz ist unter diesen Bedingungen immer schwieriger durchzusetzen, denn auch die Kultur der indigenen Völker wurde nach und nach durch unsere ersetzt. Die Vernetzung der Welt durch Social Media ermöglicht einen Einblick in die Lebensweise in Europa oder den USA. Wer wollte da nicht davon profitieren? Die Migration wird damit noch zunehmen und auch der Druck auf eine gerechtere Entlöhnung. Der Verteilungskampf ist angesagt.

Kriege als Ausdruck der weltweiten Veränderungen 

Kriege waren seit jeher ein Übel der Menschheit: Angreifer erhofften sich Vorteile wie Landgewinne, Kriegsbeute in Form von Sachwerten oder monetären Schätzen, aber auch die Unterwerfung der angegriffenen Bevölkerung und deren Versklavung.

Während vor Jahrhunderten die Waffen nicht so ausgereift waren wie heute, die Anzahl der Bewohner unserer Erde nur wenige Millionen betrug und somit die Heere in keiner Weise die heutige Schlagkraft besassen, so ergeben sich heute allein durch die technischen Möglichkeiten Zerstörungen in ungeheurem Ausmass. Mit der heutigen Weltbevölkerung werden auch wesentlich mehr Menschen in Kriege involviert, direkt oder indirekt.

Moderne Waffensysteme ermöglichen den Kriegsparteien Angriffe über Hunderte, ja Tausende von Kilometern. Auch wenn die Verwendung von Atom-, Chemie- oder Biowaffen verboten und geächtet ist, so sind sie dennoch vorhanden und «dienen» der Abschreckung. Was aber, wenn sie von einer Seite je wieder zur Anwendung kommen? 

Konsequenzen für Liechtenstein, die Schweiz und Europa

Die geschilderten Problemfelder verlangen auch von uns eine Neuorientierung und neue Perspektiven. Die Kleinheit, die weltpolitische Unbedeutsamkeit und die göttliche Vorsehung der Lage zwischen der Schweiz und Österreich inmitten von Europa erleichtert uns die Situation enorm. Es wird sich dennoch die Frage stellen, welchen Beitrag Liechtenstein zur Sicherheitsarchitektur Europas leisten muss. Auch Liechtenstein musste erkennen, dass Migration vor grosse Aufgaben stellt. 

Dazu gehört nicht nur die Zurverfügungstellung von Liegenschaften für Unterbringung, Eingliederung in Schule und Kindergärten etc., die Anstellung von entsprechendem Personal auf Kosten des Landes, der Gemeinden und der Sozialwerke. Vor allem geht es um Integration. In anderen Ländern sehen wir die zerstörerischen Unruhen, Gewalt und Kulturkämpfe infolge von religiösen Aufhetzungen und Nichtanerkennung westlicher Werte. Die innere Sicherheit ist ein wichtiges Gut unserer Gesellschaft.

Länder wie Finnland und Schweden haben die Neutralität verlassen und sich der NATO angeschlossen. Die Gefahr war für sie zu gross geworden, dass Russland seine Aggression ausweiten könnte. Die Schweiz ringt zäh um ihre Position der Neutralität und musste diese nach und nach korrigieren. Der Beitrag Europas an die Ukraine für die Verteidigung ihres Landes und als grosser Puffer zu den EU-Staaten darf nicht unterschätzt werden. 

Liechtenstein als exportorientiertes Land hat erlebt, wie schnell sich das wirtschaftliche Umfeld ändern kann.

 


 

Karlheinz Ospelt

studierte von 1981 bis 1985 Betriebswirtschaft in St. Gallen (lic. oec. HSG), war Wirtschaftsprüfer und Treuhänder. Mit seiner 1992 gegründeten Firma FIDUCIA Consulting Est. berät er heute Privatpersonen und Institutionen bei Agenden mit der Landesverwaltung oder unternehmerischen Fragen. Karlheinz Ospelt ist und war Verwaltungs- und Stiftungsrat in zahlreichen Unternehmen. So war er von 2007 bis 2010 Mitglied und ab 2010 bis November 2020 Präsident des Verwaltungsrates der NEUE BANK AG, Vaduz, sowie nunmehr deren Ehrenpräsident. Aktuell ist er unter anderem Mitglied des Verwaltungsrates der AHV/IV/FAK-Anstalten und Vorsitzender des Immobilienfachausschusses.