Die schönste Kuh

Leserbrief von Loretta Federspiel-
Kieber, Mauren 

Tresa ist die schönste Kuh und ihrem Besitzer darf gratuliert werden! Nur gutgehaltene Tiere sind auch schön. Man möchte die Gekürte gerne in den blonden Haaren zwischen den Hörnern  kraulen, doch halt, die sind gar nicht da!

Die schönste Kuh sollte jene mit Hörnern sein. Es gibt sie noch auf den Wiesen in Liechtenstein. Ihre Hörner glänzen und die Hornspitze leuchtet in der Sonne. Ein Bauer im Elsass, der seine Tiere auch auf dem eigenen Hof schlachtet, um ihnen den Stress des Schlachthofes zu ersparen, erzählte mir seine Beobachtung, wie eine seiner Kühe einer andern vorsichtig mit der Hornspitze einen Gegenstand aus dem Auge entfernte. Es braucht kein Oh! und kein Jöh! Es zeigt einfach, wie sensibel das von uns ziemlich grob behandelte Haustier ist. Enthornen, d.h. das Verätzen der Hornansatzstelle, ist sehr schmerzhaft. Danach folgt das Durchstechen der Ohren für die gelben Plaketten, das Trennen und Isolieren des Kalbes von seiner Mutter. Die Kuh ist wie die Erde, sie gibt uns alles, Milch, Fleisch, Haut und Knochen. Und sie ist sanft und geduldig. Dafür sollte man sie ehren.

Auf einem Bild der Bushaltestellen in Mauren ist das Foto von vier jungen Kühen mit dem Widerschein des Blitzlichtes in ihren Augen zu sehen. Es ist eine starke Aussage. Das Blitzlicht, das Reflektieren der Technik in all ihren seelenlosen Abstufungen, tötet die Lebendigkeit der sonst freundlichen Augen. Auf der gegenüberliegenden Haltestelle kann man sich mit dem Bild einer Sehnsucht beschäftigen. Ein Mädchen auf einem Pferd reitet mit fliegenden Haaren in eine Traumlandschaft von Blüten, Vögeln und Schmetterlingen hinein. Sie breitet sich weit nach hinten über runde Hügel in einen Horizont voller Hoffnung aus. Es sind zwei Bilder von jungen Künstlerinnen, die ich lange nachdenklich  betrachtete. Man möchte einen Satz von N. G. Davila dazu schreiben: „Wenn wir wollen, dass etwas Bestand hat, sorgen wir für Schönheit, nicht für Effizienz“.