Auch dieses Jahr bildete der Fürstensteig das Ziel zahlreicher Wanderer, die den anspruchsvollen Weg mit der Aussicht auf ein herrliches Panorama des Rheintals und der Schweizer Bergketten geniessen wollten. Der Fürstensteig, im Jahr 1898 eröffnet, besteht schon seit 125 Jahren. Liechtenstein-Tourismus preist den Fürstensteig als «Höhenklassiker in Liechtenstein» und als eine der «berühmtesten Weganlagen des Rhätikons an.
Text: Günther Meier
Nach beschwerlichen und nicht ungefährlichen Arbeiten im abfallenden Felsgelände konnte der Fürstensteig am 17. Juli 1898 offiziell eröffnet werden. Die Feier war auf einen Sonntag gelegt worden, damit möglichst viele Bergsteiger und Wanderer aus Liechtenstein und Vorarlberg daran teilnehmen konnten. Der «Wettermacher Petrus» habe es nach einem regnerischen Juli-Beginn gut gemeint mit der Festgemeinde, die von einem «stets heiteren Himmel» begrüsst wurde, berichtete das Liechtensteiner Volksblatt und jubelte dann: «Kühn wehten von der Kuhgrat- und Garsellaspitze die Flaggen und freundlich begrüssten die Höhenfeuer am Samstagabend das ganze Rheintal und luden ein zur feierlichen Eröffnung des neuerbauten Fürstensteigs längs des Drei-Schwestern-Kamms.» Von überall her hätten sich Festbesucher am Sonntagmorgen zum neuen Bergweg begeben: Von Vaduz über Masescha und Gaflei oder von den Drei Schwestern, aufgestiegen über Planken oder Feldkirch. Munteres Treiben herrschte auf Gaflei im neuerbauten Kurhotel, wo sich die Gäste in der Trinkhalle erfrischen konnten. Hier versammelte sich etwas später, nachdem der Fürstensteig besichtigt worden war und die Festgäste aus Richtung Drei Schwestern empfangen wurden, die fröhliche Runde zum Festakt.
Der Fürstensteig, der imposanteste Abschnitt des Drei-Schwestern-Wegs, stand im Mittelpunkt der Feier. «Derselbe ist unstreitig der interessanteste Teil des ganzen neuen Weges und imponiert durch die Kühnheit der Anlage besonders dort, wo er in 1000 Meter Höhe nahezu senkrecht über der Sohle des Rheintals sich um den Gipskopf herumwindet und einen überraschenden Blick auf das Rheintal von Luziensteig bis Sennwald im Norden sowie auf dasselbe von Westen begrenzende Schweizer Gebirge, den Calanda-Stock, die Grauen Hörner, die Palfrieser Kette und den Alpstein gewährt», schrieb das Volksblatt. Nicht viel weniger enthusiastisch wirbt Liechtenstein Tourismus heute für die Wanderung über die Drei Schwestern und den Fürstensteig: «Der Fürstensteig und der Drei-Schwestern-Steig gelten als kühne und grossartig angelegte Bergsteige, welche durch einen wunderschönen und aussichtsreichen Gratweg verbunden sind. Der Kuhgrat, der höchste Punkt dieser abwechslungsreichen Bergwanderung, bietet eine hervorragende Aussicht auf den Rätikon und den Schweizer und Vorarlberger Bergen. Unvergesslich sind auch der Blick hinab zu den Dörfern entlang dem Rhein bis zum Bodensee sowie die prächtige Schuttflora.»
Drei Abschnitte, finanziert von drei Partnern
Beim Fürstensteig handelt es sich um ein Gemeinschaftswerk, das von drei Partnern finanziert wurde – von Fürst Johann II. von Liechtenstein, Karl Schädler als Besitzer des damaligen Alpenkurhauses Gaflei sowie der Sektion Vorarlberg des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins.
Wie bei der Eröffnung des Fürstensteigs erwähnt wurde, finanzierte jeder der drei Partner einen Abschnitt des Höhenwegs:
- Die Wegstrecke von den Drei Schwestern über den Garsella-Kopf zur Kuhgratspitze übernahm der Vorarlberger Alpenverein.
- Den Weg von der Kuhgrat-Spitze zum Gaflei-Sattel finanzierte Karl Schädler, der die Alp Gaflei 1872 erworben hatte und die bestehenden Gebäude zur «Molken- und Luftkuranstalt» ausbaute.
- Für den Abschnitt vom Gaflei-Sattel um die Flanke des Gipsbergs zur Alp Gaflei steuerte Fürst Johann II. von Liechtenstein die erforderlichen Geldmittel bei.
Der teilweise in den Felsen gehauene Bergweg wurde zuerst als «Dreischwestern-Weg» bezeichnet, gebräuchlich war auch die Bezeichnung «Fürstenweg», bis sich dann der Name «Fürstensteig» etablierte.
Der Aufschwung des Fremdenverkehrs in Liechtenstein
Zur Eröffnung des Fürstensteigs vor 125 Jahren hatte eine Vorgängerorganisation von Tourismus Liechtenstein, die sich «Verschönerungsverein» nannte, eingeladen. Der Verschönerungsverein hatte es sich zur Aufgabe gemacht, den Tourismus in Liechtenstein weiter anzukurbeln, der damals gerade in einer Art Aufbruchstimmung war. Mitverantwortlich dafür war die internationale Eisenbahn-Linie von Österreich in die Schweiz, die Liechtenstein zwar nur streifte, aber über den Bahnhof Schaan-Vaduz an das europäische Bahnnetz anschloss. Vor allem Gäste aus Österreich und Deutschland suchten Ruhe und Erholung in der liechtensteinischen Alpenwelt, wo ab 1870 verschiedene Kurhäuser gebaut wurden. Der erste Kurbetrieb fand wohl auf der Alp Sücka statt, dann folgten ähnliche Betriebe in luftiger Höhe auf der Rheintalseite, wie 1875 auf Gaflei die «Molken- und Luftkuranstalt», während Malbun erst anfangs des 20. Jahrhunderts für den Fremdenverkehr entdeckt wurde.
Gaflei spielte eine wichtige Rolle bei den alpinen Kurangeboten
Gaflei gehört zu den schönsten Alpflecken hoch über dem Rheintal und spielt als Ausgangs- oder Endpunkt der Wanderung durch den Fürstensteig eine besondere Rolle. Die einmalige Lage und die schöne Aussicht auf die Schweizer Bergketten dürfte ein Grund für die zahlreichen Besitzerwechsel der Alpweide und deren unterschiedlichen Nutzungen sein. Heute thront auf etwa 1200 Meter Seehöhe das Clinicum Alpinum, das laut Klinikphilosophie den Patienten hilft, den «Körper und Geist aus dem Stillstand der Depression zu bewegen». Vor diesem Klinikbau stand dort das «Alphotel Gaflei» als Nachfolger der 1875 errichteten Kuranstalt. Dem von der Gemeinde Vaduz gebauten Alphotel blieb der erhoffte Erfolg versagt, etliche Jahre stand das 1965 mit grossen Hoffnungen eröffnete Hotelgebäude leer und wurde zwischenzeitlich als Standort der Internationalen Akademie für Philosophie (IAP) benutzt.
Gaflei gehört zum Gemeindegebiet von Triesenberg, befindet sich aber seit 1955 im Besitz der Gemeinde Vaduz. Bevor die Vaduzer Bürger dem Kauf der Alp, die rund 25 Hektaren an Weidegebiet und Wald umfasst, die Zustimmung erteilten, hatte es bereits eine Reihe von Handänderungen gegeben. Seit Gaflei im Jahr 1615 erstmals in einer Urkunde erwähnt wurde, gab es immer wieder neue Besitzer – Triesenberger und Vaduzer, einmal für ein paar Jahre war es sogar ein Bauer aus dem Kanton St. Gallen.
Bis die ersten Touristen im ausgehenden 19. Jahrhundert die Schönheiten der Alpen entdeckten, diente Gaflei den Bauern als Alpweide. Fünf Vaduzer – Anton Amann, Felix Real, Anton Ospelt, Aloys Rheinberger und Johann Laternser – kauften Gaflei 1872 und setzten neben der alpwirtschaftlichen Nutzung auf den Tourismus. Schon drei Jahre später konnten sie die ersten Gäste in der «Molken- und Luftkuranstalt auf der Alp Gaflei» begrüssen. Aufbauend auf diesen Anfängen baute Karl Schädler, der in Deutschland und Venezuela am Eisenbahn-Bau beteiligt war, als neuer Besitzer ab 1894 die bestehende Anlage aus: Im Endausbau standen 100 Fremdenbetten zur Verfügung, in einem Saal konnten Veranstaltungen stattfinden und die Gäste durften sich in einer Kegelbahn vergnügen. Ausserdem wurde das «Kurhaus Gaflei» bereits 1901 an das Stromnetz angeschlossen, schon zu einem Zeitpunkt, als noch nicht alle Gemeinden des Landes die Vorteile der Elektrifizierung geniessen konnten.
Seilbahnprojekte von Vaduz bis zum Fürstensteig wurden nicht realisiert
Die Erben von Karl Schädler bemühten sich nach dem Ersten Weltkrieg, der den Tourismus weitgehend zum Erliegen gebracht hatte, um eine Wiederbelebung des Kurbetriebs. Zwar gab es in der Zwischenkriegszeit einen Aufschwung, aber der Zweite Weltkrieg machte allen Hoffnungen einen Strich durch die Rechnung. Daran vermochten auch der im Jahr 1930 errichtete Aussichtsturm und das im gleichen Jahr eröffnete Schwimmbad beim «Alphotel Gaflei», wie das ursprüngliche Kurhaus nun genannt wurde, nicht viel zu ändern.
Nicht nur Feriengäste und Wanderer bevölkerten in den 1930er-Jahren Gaflei, auch die Wintersportler hatten die sanften Hänge zum Skifahren und Rodeln entdeckt. Das 1. Liechtensteinische Skirennen – eine Abfahrt von Bargälla und ein Slalom – fand am 26. Februar 1933 statt.
Alle Versuche, Gaflei mit einer Seilbahn von Vaduz aus zu verbinden und damit den Fürstensteig noch leichter zugänglich zu machen, scheiterten. Ein erstes Projekt wurde 1948 der Bevölkerung vorgestellt, das die Besucher mit einer Fahrzeit von 8 Minuten von Talstation beim damaligen «Waldhotel» nach Gaflei befördern sollte, blieb in der Planungsphase stecken. «Der schönste Bergraum im Herzen der Alpen braucht eine Seilschwebebahn», lockten die Initianten des Projekts, vermochten damit aber nicht genügend Geldgeber zu überzeugen. Auch weitere Projekte, die in den 1960er- und 1970er-Jahren aufgegleist wurden, um Wanderfreunde von Vaduz aus mit einer Seilbahn zum Einstieg in den Fürstensteig zu befördern, kamen nicht über das Planungsstadium hinaus.