„Jahrhundertautor“ Schriftsteller Martin Walser gestorben

Martin Johannes Walser (* 24. März 1927 in Wasserburg (Bodensee); † 28. Juli 2023 in Überlingen) war ein deutscher Schriftsteller und galt als Jahrhundertautor. Aufgenommen am 12.10.2014 in Frankfurt. Foto: Picture Alliance, Frankfurt/Main, Erwin Elsner

Der Erzähler und Dramatiker Martin Walser ist tot. Er starb in der Nacht im Alter von 96 Jahren. Walser galt als einer der bedeutendsten Schriftsteller der deutschen Nachkriegsliteratur. Er wurde in Wasserburg am Bodensee geboren und starb am 28.Juli in Überlingen.

Walser hinterlässt ein umfangreiches, aber auch umstrittenes Werk. Bis ins hohe Alter schrieb er Romane, Novellen und Geschichtensammlungen, Theaterstücke, Hörspiele und Übersetzungen sowie Aufsätze, Reden und Vorlesungen. Noch im Alter von 95 Jahren veröffentlichte er das „Traumbuch“, ein Jahr zuvor den Gedichtband „Sprachlaub“.

Oft wurde er als „Jahrhundertautor“ und unerschütterlicher Analytiker der bundesrepublikanischen Gesellschaft bezeichnet, der die Figuren seiner Geschichten immer am Rand des Scheiterns mit dem Leben ringen ließ. Seit 1955 veröffentlichte er rund 70 Erzählungen und Romane.

Walser zählte zu den bedeutendsten und streitbarsten Autoren der deutschen Nachkriegsliteratur. Er schuf ein umfangreiches, vielseitiges, aber auch umstrittenes Werk, das gewichtige Romane, Novellen und Geschichtensammlungen, Theaterstücke, Hörspiele und Übersetzungen, eine Vielzahl von Aufsätzen, Reden und Vorlesungen umfasst.

Erste Gedichte mit zwölf Jahren

1927 wurde er als Sohn von Wirtsleuten und Kohlehändlern in Wasserburg am Bodensee geboren. Den Vater verlor er früh, sein älterer Bruder fiel im Zweiten Weltkrieg. Er selbst war Flak-Helfer und auch für kurze Zeit Soldat.

Im Alter von zwölf Jahren begann Walser, Gedichte zu schreiben. Nach dem Literatur- und Philosophiestudium in Regensburg und Tübingen arbeitete er einige Jahre als Reporter, Redakteur und Hörspielautor beim Süddeutschen Rundfunk.

Durchbruch mit Debütroman

Schnell stieg er zu den bedeutendsten und streitbarsten Autoren der deutschen Nachkriegsliteratur auf. 1955 erschien der Erzählungsband „Ein Flugzeug über dem Haus“, für die darin enthaltene Geschichte „Templones Ende“ wurde er mit dem Preis der Gruppe 47 ausgezeichnet.

Mit seinem Debütroman „Ehen in Philipsburg“ gelang ihm 1957 der endgültige Durchbruch. Er wurde mit dem Hermann-Hesse-Preis ausgezeichnet.

Seit 1950 war Walser mit seiner Frau Käthe verheiratet, mit der er vier Töchter hat. Außerdem ist er der leibliche Vater von Jakob Augstein, was erst 2009 in der Öffentlichkeit bekannt wurde.

1969 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Verbands deutscher Schriftsteller. Das Foto zeigt ihn (2. von rechts) mit Heinrich Böll, Carl Amery, Thaddäus Troll und Günter Grass während des ersten Kongresses des Verbandes am 21. November 1970.

Streitbares Engagement

Wie viele seiner Kollegen engagierte sich Walser in der 1960er-Jahren politisch, ergriff Partei gegen den Vietnamkrieg und warb für die Kanzlerschaft von Willy Brandt.

Wegen seines Engagements galt er als Linker, entsprechend groß war 1998 die Empörung, als er sich bei seiner Rede zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels gegen die „Instrumentalisierung von Auschwitz“ wendete. „Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule“, sagte er damals.

Bis zuletzt politisch und schriftstellerisch aktiv

Vor einem Jahr übergab Walser seinen Vorlass an das Deutsche Literaturarchiv Marbach. Bis zuletzt engagierte er sich in politischen Debatten, etwa bei der Diskussion um Waffenlieferungen an die Ukraine.

Zuletzt erschien im Frühjahr ein Band mit Gedichten unter dem Titel „Fisch und Vogel lassen grüßen“. Es sei schwierig, alt zu werden, räumte der Literat mehrfach ein. „Aber ganz instinktiv wehrt man sich dagegen, dass Schluss ist“, sagte er. „Den Tod gibt es für uns nicht. Was uns bevorsteht, ist das Sterben.