Vertrauen, vertrauen, vertrauen

Autor Karlheinz Ospelt, Vaduz

Die Credit Suisse Group (CS) wurde am 19. März 2023 in einer gemeinsamen Aktion von Bundesrat, Schweizerischer Nationalbank (SNB) und Finanzmarktaufsicht (FINMA) mittels Notrechts der UBS Group einverleibt.

Unweigerlich wird man an die Finanzkrise erinnert, als im Jahr 2008 die SNB der UBS einen Kredit in Höhe von sechs Milliarden Schweizer Franken gewähren musste, um die Bank vor den Auswirkungen der Finanzkrise zu schützen. Zusätzlich zu diesem Kredit hat die SNB schon damals eine Risikogarantie in Höhe von 54 Milliarden Schweizer Franken für bestimmte Vermögenswerte der UBS übernommen.

War die CS unterkapitalisiert?
Bei der CS bewegten sich die Kennzahlen stets im grünen Bereich. Das Eigenkapital und die liquiden Mittel waren über den von den Behörden geforderten Beträgen und der CS wurde testiert, dass sie auch den Kriterien der «Too Big To Fail» (TBTF)-Regulierungen genüge. Das heisst, dass auch die erhöhten Anforderungen von der CS erfüllt waren, welche nach der Rettung der UBS durch den Bund im Jahr 2008 infolge der Finanzkrise gefordert wurden. Zudem wurden ab 2022 die Liquiditätsanforderungen nochmals nach oben angepasst. Dennoch ging der Untergang rasend schnell.

Was führte zum Untergang der Crdit Suisse?
Seit 2021 wiegen die Verluste des Hedgefonds Archegos und der Greensill-Fonds schwer auf der CS. Durch das schlechte Management der Bank wurden seither ständig neue Hiobsbotschaften zu Tage gefördert. Die enormen Verluste im Investmentbanking und die vielen Bussen wegen Nichteinhaltung von Regeln führten zu einem enormen Vertrauensverlust. Die CS wurde mit schlechten Medienberichten überhäuft. Die Kunden waren verunsichert und zogen immer mehr Gelder ab – es gab einen sogenannten Bank-Run, der letztlich zum Untergang der CS führte.

Was hat die Börse zum Untergang beigetragen?
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die heutigen technischen Möglichkeiten an den Handelsplätzen und die in den letzten Jahrzehnten entstandenen grossen Börsenplayer wie Pensionskassen, Hedgefonds, gigantische Vermögensverwaltungsgesellschaften, Versicherungen und andere nicht dazu beitragen, den Handel überschaubarer zu gestalten. Mit Leerverkäufen, Optionen und Futures etc. werden Hebelwirkungen erzielt, welche das Ausmass noch drastisch erhöhen. Dazu kommen teils zweifelhafte Medienberichte, welche das Ihrige zu Bank-Runs beitragen. All diese für den Aktienkurs relevanten Einflüsse sind jedoch für das Unternehmen selbst, abgesehen von den schlechten Schlagzeilen, nicht unmittelbar relevant, da zur Bilanz und Erfolgsrechnung kein direkter Einfluss besteht. Der Aktienkurs kann sogar völlig unterschiedlich zu den wirtschaftlichen Daten verlaufen, da er oft eine Zukunftsbetrachtung darstellt. Beispielsweise war der Kurs der CS-Aktie schon einmal so drastisch eingebrochen, nämlich von Juli 2015 bis Juli 2016, damals innert eines Jahres von 26,50 auf 11 Franken. Anfangs 2018 lag er bei rund 17,60 Franken.

Wie sahen die Zahlen der CS Ende 2022 aus?
Im Jahr 2022 schrieb die CS einen Jahresverlust von 7,3 Milliarden Franken. Nicht nur wegen einer im Herbst 2022 erfolgreich durchgeführten Kapitalerhöhung von rund 4 Milliarden Franken blieb die CS auch nach diesem erneuten Verlust mit rund 45 Milliarden Ende 2022 noch hinreichend kapitalisiert, und sie erfüllte dabei stets die regulatorischen Kapitalanforderungen.

Im Bereich der Liquidität geriet sie jedoch zunehmend unter Druck. Letztlich reichten wohl einige unpassende Wortmeldungen, z. B. durch den Vertreter der Saudi National Bank, dass keine weiteren Mittel mehr in die CS investiert würden, oder die völlig unzureichende Informationspolitik des Verwaltungsrats und dessen Präsidenten sowie des CEOs. Der Verlust an Vertrauen führte zu einem Bank-Run, also zum Abzug von immer mehr Kundengeldern.

Analysten schätzten, dass der Abzug von 100 Milliarden Franken an Kundengeldern das Ertragspotenzial der Bank um ca. fünf Milliarden reduziert und damit die Erfolgsrechnung in dieser Höhe belastet.

Dennoch beteuerten die FINMA und die SNB noch am 15. März 2023 in einem gemeinsamen Statement, dass zu diesem Zeitpunkt die CS nach wie vor alle Kapital- und Liquiditätsanforderungen erfülle. Sie wollten so die Lage beruhigen. Gleichzeitig hat die SNB öffentlich angekündigt, der CS bei Bedarf Liquidität zur Verfügung zu stellen. Dabei handelte es sich um die im regulären Rahmen möglichen Liquiditätshilfen der SNB (Emergency Liquidity Assistance; ELA).

Aber alles half nichts: Schon einen Tag später, am 16. März 2023, leitete der Bundesrat nach Rücksprache mit FINMA und SNB an seinen Sitzungen vom 16. und 19. März 2023 Massnahmen in die Wege, die die Zahlungsfähigkeit der CS und deren Übernahme durch die UBS sicherstellen sollten.

Welche Varianten hätte es zur Rettung der CS noch gegeben?
Eine Variante wäre gemäss der «Too Big To Fail»-Gesetzgebung die Abspaltung des Schweizer Geschäfts gewesen. Das hätte bedeutet, dass man die ganze Bankgruppe in Konkurs gehen lässt und nur die Weiterführung der für die Schweiz systemrelevanten Funktionen der Bank sichert. Im Zusammenhang mit dem Ausfall der amerikanischen Silicon Valley Bank Mitte März 2023 war der Druck der ausländischen Behörden aber wohl ein zentraler Punkt, davon abzusehen. Es wurde somit nicht nur vom Bundesrat und den Aufsichtsbehörden befürchtet, dass damit eine internationale Finanzkrise die Folge sein könnte.

Ein andere Variante hätte die Übernahme der CS durch den Staat sein können. Damit wären alle Risiken der Bank auf den Bund übertragen worden. Und dann hätte es grundsätzlich wohl auch noch die Variante gegeben, mit einer Massnahme zuzuwarten, wie sich die Situation entwickelt, wenn genügend Liquidität zur Verfügung gestellt worden wäre. Immerhin betrug das Eigenkapital der CS Ende 2022 noch 45 Milliarden Franken.

Gemäss Aussagen von Bundesrätin Karin Keller-Sutter in der Nationalratssitzung waren aber in der Zeit vom 18. bis 20. März 2023 weitere «gigantische» Liquiditätsabflüsse nicht nur im Ausland, sondern auch in der Schweiz selbst, seitens der CS zu verzeichnen. Ausserdem wurde bekannt, dass bei der CS ganze Teams zu anderen Banken wechselten und ihre Kunden mitnahmen.

Ob die unter Anwendung von Notrecht gefundene Lösung die beste war, wird sich zeigen. Jedenfalls stellen sich viele Fragen, z. B. jene, ob der Kaufpreis für die UBS mit 3 Milliarden Franken für die Akquisition der CS richtig angesetzt war.

Welche Beträge werden vom Bund der SNB zur Verfügung gestellt?
Konkret betrifft dies eine Ausfallgarantie des Bundes für 100 Milliarden Franken zugunsten der SNB, welche ihrerseits der UBS und der CS diese Liquidität zur Verfügung stellt (Public Liquidity Backstop). Weitere Liquiditätshilfen im Wert von bis zu 100 Milliarden Franken für die UBS und die CS, welche bei der Nationalbank beansprucht werden können, wurden vereinbart, obwohl diese für die Nationalbank nicht gesichert, sondern nur mit einem Konkursprivileg versehen sind (Emergency Liquidity Assistance, ELA+). Rechnet man die der CS Group schon vorgängig von der Nationalbank gewährte Liquiditätsspritze von 50 Milliarden Franken dazu, die sogenannte Emergency Liquidity Assistance, ELA, welche die CS gemäss eigener Mitteilung vom 16. März 2023 in diesem Rahmen bereits gezogen hat, beträgt die gesamte zur Verfügung stehende Position der Nationalbank 250 Milliarden Franken.

Zusätzlich garantiert der Bund für weitere 9 Milliarden Franken als nachrangige Verlustabsicherung an die UBS zur Absicherung von allfälligen Verlusten beim Verkauf von schwierig zu bewertenden Aktiven der CS, wenn die UBS vorgängig einen Verlust von 5 Milliarden Franken erlitten hätte.

Was ist die Gegenleistung für Bund und SNB?
Für die Liquiditätsdarlehen erhält der Bund eine Bereitstellungsprämie von 0,25 Prozent pro Jahr auf der Höhe der Ausfallgarantie von 100 Milliarden Franken, somit 250 Millionen Franken ab dem 20. März 2023. Für effektiv beanspruchte Liquiditätshilfe-Darlehen mit Ausfallgarantie könnten für den Bund und die SNB potenziell weitere Einnahmen entstehen. Die entsprechend vereinbarte Risikoprämie beträgt je 1,5 Prozent.

Wie geht es weiter?
Diese Geschichte ist noch lange nicht zu Ende. So dürfte wohl die vollständige Abschreibung der eigenkapitalbezogenen AT1-Anleihen der CS im Umfang von rund 16Milliarden Franken infolge der behördlich verfügten Übernahme durch die UBS zu weiteren Rechtsstreitigkeiten führen, zumal die Aktionäre wenigstens noch einen kleinen Teil ihrer Investition retten konnten. Letztere erhalten nämlich für 22,48 CS-Titel eine (einzige) UBS-Aktie, was zum Zeitpunkt der Entscheidung einem Wert von 0,76 Franken entsprach, ein Verlust von rund 60 Prozent zum letztgehandelten Tageskurs! Zu Jahresbeginn 2023 notierte die Aktie mit 2,9 Franken an der Börse – der Verlust im 1. Quartal 2023 belief sich somit total auf fast 75 Prozent!

Die CS und die UBS und damit auch der eingeschlagene Weg von Bundesrat, SNB und FINMA werden noch zu vielen Fragen führen, davon bin ich überzeugt.