Liechtenstein unterwegs in den Weltraum

Fast 600 Satelliten sollen in einigen Jahren für einen Quantensprung in Sachen
Internetversorgung sorgen. Liechtenstein ist über das Amt für Kommunikation (AK) an diesem Projekt beteiligt und kann finanziell sowie als Wirtschaftsstandort
profitieren. Markus Skarohlid vom AK und Severin Meister, als Verwaltungsrat der
Rivada AG zuständig für die praktische Umsetzung, geben einen Einblick in den
aktuellen Stand und die weiteren Schritte.

Das Satellitenprojekt ist zwar von Zeit zu Zeit in den Medien präsent. Doch den Wenigsten dürfte bekannt sein, worum es geht. Können Sie dies in einigen Sätzen erklären?

Severin Meister: Es handelt sich um zwei globale, sogenanntes Low Earth Orbit Satelliten-Netzwerke. Jeweils 24 aktive Satelliten werden in zwölf geordneten Bahnen in 1050 Kilometern Höhe um die Erde kreisen – insgesamt also 576 aktive Satelliten plus 24 als «Reserve». Das Ziel ist es, günstige, überall verfügbare, weltweite Konnektivität vor allem im Bereich des Internets der Dinge, aber auch als weltweite Punkt-zu-Punkt-Verbindungen und für Breitbanddienste anzubieten.

Was ist dabei die Rolle Liechtensteins? 

Markus Skarohlid: Liechtenstein ist als Mitglied der Internationalen Fernmeldeunion, kurz ITU, berechtigt, entsprechende Frequenzen und die dazugehörigen Orbitalpositionen für die einzelnen Satelliten anzumelden. Es hat sehr vorausschauend schon 2014 solche Frequenzrechte angemeldet, die heutzutage für die Breitbandkommunikation sehr wichtig sind. Für die Wahrnehmung und Vertretung der Interessen Liechtensteins bei der ITU, die Geltendmachung von Rechten sowie die Überwachung und Sicherstellung der Einhaltung auferlegter Pflichten ist das AK zuständig. Es fungiert in diesem Bereich aufgrund der europäischen Vorgaben und der nationalen Kommunikationsgesetzgebung als unabhängige, weisungsfreie Regulierungsbehörde. Bei der Umsetzung des Projekts wurde aber bewusst ein Weg gewählt, der sicherstellt, dass es zu keiner völkerrechtlichen Verantwortung und Haftung Liechtensteins für die Satelliten kommt. So kommen nur die Frequenzen für die Konstellationen aus Liechtenstein, während alle notwendigen Schritte für den Bau und Start der Satelliten in anderen Ländern stattfinden. 

Wie hat sich das Projekt seit 2014 entwickelt?

Die konkrete Nutzung der angemeldeten Frequenzen musste spätestens sieben Jahre nach der Anmeldung bei der ITU dadurch unter Beweis gestellt werden, dass zwei Satelliten ins Weltall gebracht werden mit der Fähigkeit, auf den relevanten Frequenzen zu senden und zu empfangen. Für die gegenständlichen Frequenzanmeldungen wurde diese Erklärung am 1. Juni 2021 gegenüber der ITU vom AK abgegeben, nachdem die technischen Voraussetzungen von den involvierten Unternehmen, der Trion Space AG über die KLEO Connect GmbH mithilfe eines chinesischen Partners, erfüllt worden waren.

Diese Unternehmenskonstellation hat sich inzwischen verändert. Wie kam es dazu und von wem wird das Projekt nun umgesetzt?

Am 27. Februar 2023 hat das AK zwei Verfügungen erlassen. Mit der ersten hat es die Frequenzzuteilung zugunsten der Trion Space AG widerrufen und mit der zweiten die vorübergehende Zuteilung zugunsten der Rivada AG vorgenommen. Dies war notwendig, da durch die Zerwürfnisse im Konsortium die Toxizität in Deutschland auf die liechtensteinische Trion Space AG übergeschwappt ist. Gleichzeitig war faktisch bereits seit Mai 2022 die Rivada AG gemeinsam mit der Rivada Space Networks GmbH für die praktische Umsetzung sämtlicher Schritte verantwortlich, da sie einen vom AK genehmigten Frequenznutzungsvertrag mit der Trion abgeschlossen hatte. 

Wie kam es zu diesen Zerwürfnissen?

Die ursprünglichen Initianten des Projekts von Trion und KLEO Connect, die sich 2014 an das AK gewandt haben, waren auf der Suche nach Investoren. Diese fanden sie in China. Nachdem die Investoren jedoch die Mehrheit in der KLEO Connect GmbH übernommen hatten, wurde die Zusammenarbeit zusehends schlechter. Das AK hatte den Eindruck, dass die liechtensteinischen und deutschen Firmen systematisch ausgehöhlt wurden und das Projekt in China durchgeführt werden sollte. Auch der vom AK als zwingende Voraussetzung definierte Businessplan, der von den chinesischen Investoren abgegeben wurde, entsprach keinesfalls den Anforderungen und hätte postwendend zu einem Entzug der Frequenznutzungsrechte geführt. Die Trion Space AG hat den Frequenznutzungsvertrag mit der KLEO Connect jedoch rechtzeitig gekündigt, sich einen neuen Partner gesucht und diesen in der Rivada gefunden. 

Severin Meister: Auch die Weltpolitik spielt eine Rolle. Vor zehn Jahren wollten in unserem Business alle Firmen mit China kooperieren. Doch seither hat sich die Lage verändert: Heute dürfen die meisten westlichen Hochtechnologie-Firmen, vor allem die Marktführer aus den USA, nicht mehr mit Unternehmen zusammenarbeiten, die mehrheitlich in chinesischem Eigentum stehen. Der Kauf von Satellitenkomponenten aus den USA scheidet für solche Gesellschafter komplett aus. China verbietet seinerseits den Export entsprechender Technologien nach Europa. Damit konnte das Projekt nur mit einer Änderung der Gesellschafterstruktur fortgesetzt werden.

Jetzt geht es um den Satellitenbau. Was wird das Kosten?

Severin Meister: Rivada hat am 21. Februar 2023 einen Vertrag mit Tyvak Nano-Satellites System, Inc., einem Tochterunternehmen der bekannteren Terran Orbital Corp., zum Bau von 288 Satelliten abgeschlossen. Das entspricht 50 Prozent der beiden Konstellationen und somit dem Prozentsatz, der aufgrund des sogenannten Meilenstein-Ansatzes der ITU bis Juni bzw. September 2026 erreicht sein muss. Dieser Vertrag umfasst ein Gesamt-Investitionsvolumen von 2,4 Milliarden US-Dollar. 

Sind die Satelliten einmal gebaut, müssen sie in den Orbit. Wer übernimmt das und von welchem Staat aus sollen die nötigen Raketen abgeschossen werden?

Rivada hat am 21. Februar einen Vertrag mit der Firma Space Ex abgeschlossen, der den Start der 288 Satelliten im Zeitraum von Juni 2025 bis Juni 2026 umfasst. Die Starts werden in den USA erfolgen.

Welche weiteren Schritte werden noch folgen?

Markus Skarohlid: Es muss zwischen dem regulatorischen und dem unternehmerischen Rahmen unterschieden werden. Aus regulatorischer Sicht ist der nächste, wesentlichste Schritt eine positive Entscheidung des Radio Regulations Board der ITU. Erst wenn dieses Gremium beschliesst, dass Rivada von der Verpflichtung, 10 Prozent der Gesamtkonstellation bis Juni bzw. September 2023 tatsächlich betriebsbereit zu haben, entbunden wird, kann das Projekt weiterbestehen. Sollte das RRB aber wider Erwarten beschliessen, keinen Aufschub zu gewähren, bedeutet dies das Ende des Projekts. 

Severin Meister: Unternehmerisch werden die nächsten Schritte darin bestehen, die Landing Rights zu sichern, also die Genehmigung, in den einzelnen Staaten vom Weltraum aus Dienste zu erbringen, die technischen Details der Satellitenkonstellationen zu definieren und mit möglichst vielen Kunden Vorverträge abzuschliessen. Dies wird unterstützt durch Auftritte auf diversen Branchenmessen rund um den Globus. Daneben muss die Finanzierung des Projekts durch Eigen- und Fremdkapital sichergestellt werden. Derart grosse Infrastrukturprojekte sind immer von diversen, ebenfalls grossen Risiken begleitet, bis sie tatsächlich umgesetzt sind.

Wie steht es um den Zeithorizont, bis das angestrebte Netzwerk genutzt werden kann und was sind die Vorteile gegenüber dem Internet, wie es heute genutzt wird?

Eine Testnutzung wird ab Ende 2025 möglich sein. Der grosse Vorteil des Systems besteht darin, weltweite Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zu ermöglichen – das kann bisher niemand. Wir können zwei beliebige Punkte der Erdoberfläche direkt mittels Laserverbindung über unsere Satelliten verbinden. Andere Konstellationen nutzen Bodenstationen, über die das Signal ins Internet eingeleitet wird. Das ist stör- und abhöranfällig. Daher sind wir auch kein Internetanbieter wie Starlink. Wir verstehen uns als Privates Netzwerk, innerhalb dessen Unternehmen und Regierungen grosse Datenmengen sicher übertragen können, getrennt von jeglicher Kommunikationsstruktur wie Glasfaserkabeln oder dem Internet. Selbstverständlich können unsere Kunden ihren jeweiligen Endpunkt selbst mit dem Internet verbinden, um über ihr VPN mit der restlichen Welt zu kommunizieren.

Wurde die Technologie bereits unter realen Bedingungen getestet?

In dieser Zusammenstellung noch nicht. Dies wird ab 2024 erfolgen. Jedoch sind alle Komponenten des Systems einzeln in anderen Netzwerken im Einsatz und damit tausendfach erprobt. Nur die Zusammenstellung der Komponenten ist neu.

Wie lässt sich die Zielkundengruppe definieren?

Unsere Nutzer sind Grosskunden, die ein besonderes Bedürfnis nach Sicherheit, Schnelligkeit und Zuverlässigkeit haben. Damit scheiden Endnutzer aus. Es ist die Mission unserer Muttergesellschaft Rivada Networks, neuen Wettbewerb durch die Einrichtung einer weltweiten Handelsplattform für Bandbreite und Datenübertragung zu befördern. Dadurch sollen die Ineffizienzen in bestehenden Netzwerken reduziert und die Endkundenpreise günstiger werden.

Welche Vorteile hat das für den einfachen Bürger? 

Dieses Satellitensystem wird nicht direkt für Endkunden verfügbar sein. Es ist jedoch sehr gut möglich, dass in abgelegenen Gebieten wie dem Hochgebirge neue Funkzellen für Mobilfunknetze über das Satellitensystem günstiger aufgebaut werden können als über das Verlegen von Kabeln. Das wird die Preise senken und die Verfügbarkeit erhöhen.

Und welchen Nutzen zieht Liechtenstein aus dem Projekt?

Markus Skarohlid: Das Land erhebt für die Einräumung der Frequenznutzungsrechte Nutzungsgebühren, die nach dem Vollausbau der beiden Konstellationen rund 6 Millionen Franken pro Jahr betragen. Zusätzlich könnte sich die weitere Umsetzung des Satellitenprojekts vorteilhaft auf die Schaffung hochqualifizierter Arbeitsplätze in Liechtenstein mit entsprechendem Steueraufkommen auswirken. In politischer Hinsicht führt das Projekt auf Ebene der ITU zu einer höheren Sichtbarkeit Liechtensteins und kann gegebenenfalls auch einen Beitrag zu dem Europäischen Projekt «Secure Connectivity», bei dem ein europäisches Satelliten-Kommunikationsnetzwerk aufgebaut werden soll, leisten. 

Severin Meister: In Liechtenstein wird ein Network Operations Center, also ein Kontrollzentrum über das die Aussendung der Satelliten kontrolliert und gesteuert werden kann, mit etwa zwei Dutzend Ingenieuren eingerichtet werden. Daneben könnten sich etliche Dienstleister im Kommunikationsbereich ansiedeln.

Markus Skarohlid: Darüber hinaus wird durch ein nationales Weltraumgesetz die rechtliche Grundlage geschaffen, dass auch unmittelbare Weltraumaktivitäten in und aus Liechtenstein getätigt werden können. Durch den im Entwurf vorgesehenen Genehmigungsvorbehalt und die für eine Genehmigung einzuhaltenden Voraussetzungen wird einerseits sichergestellt, dass die völkerrechtliche Haftung Liechtensteins durch eine verpflichtende Versicherung des Betreibers einer Weltraumaktivität minimiert wird und das Land Liechtenstein andererseits über sämtliche Aktivitäten informiert ist.