Feldkirch: Protest gegen Stadttunnelprojekt

Bild: EXTINCTION REBELLION: Klimaaktivist:Innen protestieren mit Blockade der Montfortbrücke gegen geplante Tunnelspinne in Feldkirch/Vorarlberg.

Demonstration auf der Montfortbrücke 

Am Samstagmorgen protestierten etwa 40 Menschen gegen das Stadttunnelprojekt der sogenannten „Tunnelspinne“ in Feldkirch. Dazu bauten sie auf der Monfortbrücke ein fünf Meter hohes Spinnennetz auf und stellten sich damit der klimaschädlichen Landespolitik in den Weg. Zudem zeigten sie mit Bannern an der Brücke ihre Unzufriedenheit mit der Klimapolitik in Vorarlberg.

Feldkirch – Nachdem in Wien und Salzburg die Klimaschutzbewegung bereits erfolgreich Aktionen gegen Verkehrsprojekte durchgeführt hat, weitet sich nun der Protest nach Vorarlberg aus. Die ursprünglich für August geplante Protestaktion wurde damals von der Bewegung zur Entlastung der Rettungskräfte im Unwettereinsatz abgesagt. Heute ist sie umgesetzt worden. „Fossile Megaprojekte sind in keinem Bundesland gerechtfertigt. In Anbetracht der sich verschärfenden Klimakrise muss in den öffentlichen Verkehr und Radwege investiert werden, statt Hunderte Millionen für Autostraßenprojekte rauszuwerfen.“, erklärt Marina Hagen-Canaval von Extinction Rebellion (XR), „Unsere Lokalgruppe hat in den letzten Monaten viel Zuwachs erhalten. Es gibt immer mehr Menschen, die sich um ihre Zukunft sorgen und zu zivilem Ungehorsam für mehr Klimaschutz bereit sind.“

„Öffis statt Tunnelspinne“ und „Für unsere Zukunft“ war auf den Bannern auf der Monfortbrücke zu lesen. Die Aktivist:innen argumentieren, dass die Kostenberechnungen für das Projekt Stadttunnel in Feldkirch bereits absurd sind, durch die Energiekrise weiter steigen und dabei keine Kostenwahrheit enthalten. Denn zum einen wurden die ursprünglich angenommenen Kosten von max. 275 Millionen Euro in diesem Sommer neu auf über 300 Millionen Euro geschätzt. Zum anderen sind in genannter Prognose Klimakosten in der Höhe von 0 Euro eingeplant, was angesichts der drastischen Entwicklungen dieses Sommers befremdet. „Es ist komplett wahnsinnig, dass bei einem solchen Straßenprojekt keine Klimakosten berechnet werden. Es stärkt den klimaschädlichen Individualverkehr und es werden Unmengen an Beton verbaut„, erklärt die 36-jährige Julia.

Auch das zweite geplante Großprojekt hat für die Aktivist:innen Ökozid-Charakter. Die Verbindungsstrasse S18 („Bodensee-Schnellstraße“) soll durch das Naturschutzgebiet Ried oder unmittelbar daneben gebaut werden, die Kosten der aktuellen Planung werden von der Asfinag auf 1,5 Milliarden Euro geschätzt. Aufgrund der breit abgestützten wissenschaftlichen Fakten ist dies nicht vertretbar. Derartige Projekte versiegeln noch mehr kostbare Ackerflächen für die Zukunft (in diesem Fall allein 25 Hektar) und zerstören kostbare Biodiversität, obwohl wir uns wissenschaftlich erwiesen mitten im 6. Massenartensterben der Erdgeschichte befinden und deswegen unsere Nah-rungsnetze zusammenbrechen. Ökozid wird weltweit gerade als 5. Verbrechen gegen den Weltfrieden diskutiert. Eine Verkehrsstudie der TU Wien hat unlängst nochmal den internationalen Konsens von Verkehrsexperten bestätigt, dass mehr Straßen mehr Verkehr verursachen und nicht entlastend wirken. Vor diesen Hintergründen ist ein fossiles Megaprojekt wie das der Tunnelspinne eindeutig zu beenden.

Empfehlungen des (Vorarlberger)
Bürger:innenrats werden ignoriert

Extinction Rebellion verweist auf die Forderungen des Vorarlberger Bürger:innenrates „Klima-Zukunft“ von 2021 sowie des österreichweiten Klimarats 2022 hin. Darin enthalten sind eine radikale Reduktion des Individualverkehrs und massive Investitionen in Radwege und öffentliche Verkehrsmittel. Außerdem verlangte der Vorarlberger Bürger:innenrat keine neuen Straßen zu bauen. Der nationale Klimarat empfiehlt sogar Maßnahmen für eine Entsiegelung. „Bei beiden Bürger:innenräten hat sich gezeigt, dass die Bevölkerung zu viel mehr Klimaschutz bereit ist, als es die Politik wahrhaben will.„, so Christian Alther (25) von XR-Vorarlberg. Die Verhältnisse in der Realpolitik sehen deutlich anders aus. Die Vorarlberger Landesregierung projektiert die klimaschädliche Tunnelspinne mit über 300 Millionen Euro und neue Infrastruktur für Radwege lediglich mit 20 Millionen Euro.

In Pakistan wurde heuer ein Drittel des Landes überflutet. Der UN-Generalsekretär sagte, dass die Menschheit einen selbstmörderischen Weg eingeschlagen hat. Europa hat im Sommer die schlimmste Dürre seit 500 Jahren erlebt. Ernten wurden vernichtet, große Flächen standen in Flammen, Flüsse trockneten aus. Hitzewellen töteten Zehntausende von Menschen weltweit. Dennoch sind die Emissionen Österreichs im letzten Jahr um 6,5% gestiegen. Obwohl der Verkehrssektor „wegen des bis 2021 noch ungebrochenen Emissionsniveaus … den steilsten Reduktionspfad bis 2030 und daher tiefgreifende Maßnahmen“ benötigt (Kirchengast & Schleicher 2022), sollen fossile Megaprojekte wie die Tunnelspinne umgesetzt werden. Die ÖVP hat noch nicht begriffen, dass der Auto-Verkehr insgesamt drastisch reduziert werden muss und propagiert das S18-Projekt im Rheintal weiter. „Eine derartige Politik – als gäbe es kein Morgen- sorgt dafür, dass es auch wirklich kein Morgen geben wird. Deswegen stellen wir uns heute mit unserer Aktion dieser zerstörerischen Politik in den Weg.“, so Alther.

Internationale Abkommen und geltendes nationales Recht verpflichten Österreich, seine Emissionen deutlich zu reduzieren. Gegen dieses Recht verstoßen Bundes- und Landesregierung seit Jahren – vor allem, weil sie nichts Wirksames gegen die steigenden Verkehrsemissionen unternehmen. Der Rechnungshof hat das 2021 eindeutig festgestellt. „Mit unserer Blockade machen wir auf einen skandalösen Rechtsbruch aufmerksam, der zu Lasten der Jungen und kommender Generationen geht. Statt ihn zu beenden, wollen ihn die verantwortlichen Politiker noch verschärfen“, so der 66-jährige Aktivist Heinz Wittenbrink.

Extinction Rebellion (XR) ist eine strikt gewaltfreie, dezentral organisierte und globale Klimaschutzbewegung. Oberstes Ziel der Aktivist:innen ist, die Erderhitzung auf 1,5°C zu begrenzen. Um die Regierung zum Handeln zu bewegen, greifen die Klimaaktivist:innen neben angemeldeten Kundgebungen auch immer wieder zu Aktionen des gewaltfreien zivilen Ungehorsams. Sie nehmen dabei Verwaltungsstrafen und Festnahmen in Kauf – so bereits Anfang Juli vor dem Landtag in Bregenz. Die Menschen von XR sind entschlossen, die Proteste fortzusetzen und haben bereits weitere Aktionen des zivilen Ungehorsams angekündigt, wenn die Politiker:innen nicht beginnen, die Klimakrise einzudämmen. Hierfür entwickelt sich im Moment ein bundesweites Netzwerk von Aktivist:innen. Sie verstehen ihre Aktionen als Ausführung des Willens der österreichischen Bevölkerung, der in den Empfehlungen des Klimarates Ausdruck gefunden hat.