Fairness und Gerechtigkeit für Rentnerinnen und Rentner

Die Anpassung der AHV-Renten an die realen Gegebenheiten ist den beiden Abgeordneten Johannes Kaiser (FBP) und Manfred Kaufmann (VU) seit langem ein grosses Anliegen. Die inzwischen stark steigende Inflation erhöht den Druck auf die Rentnerinnen und Rentner noch. Kaufmann und Kaiser möchten diesen Druck mildern, haben aber auch mit starken Widerständen zu kämpfen.

Bei einer Initiative gibt es – wie bei jedem Bericht und Antrag der Regierung bzw. einer Gesetzesvorlage – eine Eintretensdebatte. Ihre FAIRNESS-Initiative hat diese Hürde eher knapp geschafft. Was hätte ein Nichteintreten im Klartext bedeutet?
Johannes Kaiser: Ein Nichteintreten ist ein ziemlich klares Verdikt. Dies gibt es auch eher selten, denn damit wird unmissverständlich zum Ausdruck gebracht: «Dieses Thema der Initianten interessiert uns nicht.» So ist es aber glücklicherweise nicht gekommen, weshalb ich über dieses Szenario gar nicht diskutieren möchte.

Eine kurze Replik: Wie bewerten Sie die Diskussion im Rahmen der Eintretens-
debatte grundsätzlich? 
Manfred Kaufmann: Es gab viele Wortmeldungen, und die Debatte dauerte recht lange. Man merkte, dass das Thema wichtig ist und sich die Abgeordneten auf die Debatte vorbereitet hatten. Es gab befürwortende Voten, aber auch kritische Voten, bei denen teils das Warten auf gesamtheitliche Lösungen oder eine Altersstrategie gefordert wurden. Nach elf Jahren Rentenstillstand muss jedoch jetzt etwas passieren, und es darf nicht weiter zugewartet werden. 

Um auf ein paar Argumente der Gegner der FAIRNESS-Initiative einzugehen: Um eine Gesamtbetrachtung vornehmen zu können, müsse der Armutsbericht sowie die Altersstrategie der Regierung abgewartet werden. Was sagen Sie dazu?
Johannes Kaiser: Mit keinem Thema beschäftigte sich der Landtag in den letzten Jahren so intensiv wie mit der AHV. Im Jahr 2021 stand das AHV-Thema – darunter auch eine potenzielle Rentenanpassung – insgesamt an neun Landtagssitzungen auf der Traktandenliste. Der Armutsbericht hat keinen Belang für die FAIRNESS-Initiative, da es dort um wirtschaftliche Hilfestellungen geht, und die Altersstrategie wird sich mit einem ganzen Strauss von Themen rund um das Leben im Alter befassen. Sie ist aber auch erst auf Ende 2023 angekündigt. Es liegen jedoch alle Informationen und Studien auf dem Tisch, jetzt muss der Landtag endlich Farbe bekennen.

Auf die Ausführungen, dass Ihre Initiative in dem Sinne nichts Neues zum Ziel hat, sondern lediglich einen Systemzustand wiederherstellt, der in einer Ausnahmesituation der Staatshaushaltssanierung ausgesetzt wurde, ist von den negativen Stimmen mit keiner Silbe eingegangen worden? 
Manfred Kaufmann: Es ist tatsächlich so, dass wir mit dem Mischindex zu einem System zurückkehren wollen, das Liechtenstein bereits kennt und auch die Schweiz seit vielen Jahren anwendet. In der Schweiz wurden damit in den letzten elf Jahren vier Rentenerhöhungen vorgenommen, während bei uns nichts passiert ist. Die Rentnerinnen und Rentner haben einen grossen Beitrag zur Staatshaushaltsanierung geleistet. Da es dem Staat aktuell mit den hohen Reserven von 2,7 Milliarden Franken gut geht, ist es auch an der Zeit, diese Sparmassnahme gegenüber den Rentnerinnen und Rentnern rückgängig zu machen.

Sie beiden Initianten haben die grossen Leistungen der Rentnergeneration hervorgehoben, die Liechtenstein zu dem gemacht hätten, was es heute ist. Ihre Wertschätzung gegenüber der älteren Generation wurde von den Initiativgegnern nicht reflektiert und damit auch nicht geteilt.
Johannes Kaiser: Bei Sonntagsreden werden die Leistungen der älteren Generation, die sie für unser Land – zum Teil mit grossen Entbehrungen – erbracht haben, mit Lob und Würdigung bedacht. Die jungen und mittelalten Generationen profitieren heute von vielen Errungenschaften, die unsere Eltern und Grosseltern aufgegleist haben. Unsere FAIRNESS-Initiative bringt diese Wertschätzung gegenüber den Rentnerinnen und Rentnern zum Ausdruck. Ich empfinde eine grosse Dankbarkeit gegenüber unserer älteren Generation.

Die AHV hat in ihren Geschäftsberichten in begründeter Form darauf hingewiesen, dass die Absenkung der Versorgungsquote – das heisst das Verhältnis der Rente zum Lohn im Erwerbsleben – längerfristig problematisch sei. Dieser Fakt wurde von einigen Votanten völlig negiert oder sogar in Abrede gestellt. Was sagen Sie dazu?
Manfred Kaufmann: Dass die Versorgungsquote in einem bestimmten prozentualen Verhältnis bleiben soll, wurde mehrfach in den AHV-Geschäftsberichten ausgeführt. 2010 machte die Höchstrente der AHV noch 39,5 Prozent des liechtensteinischen Medianlohns aus. 2018 hingegen konnte die Höchstrente der AHV nur noch 37,7 Prozent des Medianlohns decken. Der Medianlohn ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und betrug 2010 monatlich 6257 Franken, 2018 monatlich 6675 Franken, was eine Steigerung von beachtlichen 418 Franken ausmacht. Dies führt zu einem klaren Ungleichgewicht und ist meines Erachtens auch nicht gerechtfertigt, weil durch den höheren Lohn mehr AHV-Beiträge einbezahlt werden, aber die ausbezahlte Rente auf gleichem Niveau verbleibt. Daraus ergibt sich der Effekt einer sinkenden Versorgungsquote, die sich in einer Abwärtsspirale befindet.

Interessant ist jeweils die Argumentationskultur im Landtag, wenn es um Vergleiche mit der Schweiz geht. Wenn es die eigene Meinung unterstreicht, dann wird die Schweiz geflissentlich als gelichwertiges Beispiel herangezogen – und wenn es der eigenen Argumentation nicht dient, dann ist der Blick über den Rhein irrelevant.
Johannes Kaiser: Die Schweiz hat den Mischindex nie verlassen, obwohl die AHV-Stabilisierung stets ein Dauerthema ist. Die Schweiz hat den Staatsbeitrag an die jährlichen AHV-Ausgaben reduziert – wie in Liechtenstein. Dieser beträgt bei unseren Nachbarn aber noch über 20 Prozent und bei uns lediglich 11 Prozent. Zudem sind die Rentnerinnen und Rentner in der Schweiz bezüglich der 2. Säule wesentlich besser abgesichert. In der Schweiz gab es zudem in den letzten zehn Jahren vier Rentenanpassungen. Für das Jahr 2023 ist in der Schweiz die nächste Rentenerhöhungsrunde – wohlgemerkt gemäss Mischindex – angesagt!

Ein Blick nach vorne: Es ist nun die Aufgabe der Initianten, für die zweite Lesung sowie die Schlussabstimmung einen Bericht und Antrag zu erstellen und zu den in der ersten Lesung aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen? Wie bewältigen Sie als Milizparlamentarier diese Mammutaufgabe?
Manfred Kaufmann: Es ist bestimmt eine grosse Aufgabe, da man das Protokoll der Debatte nochmals durchgehen und zu den wichtigsten Punkten Stellung beziehen muss. Auch wurde in der ersten Lesung nach einer Finanzierungsmöglichkeit gefragt, welche wir für die zweite Lesung ausgearbeitet haben. Johannes Kaiser und ich nehmen uns diese Zeit aber sehr gerne. Der Einsatz für die Rentnergeneration und – damit zusammenhängend – für die Rentenanpassung ist uns absolut wichtig. Dies liegt uns sehr am Herzen.

Gefordert wird von Ihnen beiden in der FAIRNESS-Initiative auch die Darlegung der Finanzierbarkeit bezüglich einer Rückkehr zum Mischindex, wie dies bis 2011 bereits Praxis war. Schon bei der Lancierung haben Sie bekräftigt, dass die FAIRNESS-Initiative finanzierbar ist.
Johannes Kaiser: Das stimmt. Wir haben bei der Vorstellung der Initiative nachvollziehbar dargelegt, dass unsere Initiative «Rückkehr zum Mischindex» finanzierbar ist. In der Landtagsdebatte wollten einige Abgeordnete jedoch nur die altbekannten «Schraubstellen» akzeptieren und gaben diese gleich vor: Rentenkürzung, Rentenaltererhöhung, Beitragssatzerhöhungen oder Staatsbeitragserhöhung. Wir werden in der zweiten Lesung erneut unsere nachweisliche – und zwar kostenneutrale – Finanzierbarkeit darlegen. Wer jedoch generell gegen die FAIRNESS-Initiative ist, wird sich auch weiterhin als Neinsager präsentieren.

Welche Erwartung setzen Sie in die zweite Lesung mit der Schlussabstimmung? Bei der Eintretensdebatte haben einige Abgeordnete klar gesagt, dass sie dem Eintreten zwar zustimmen würden, was aber noch nichts für die Schlussabstimmung bedeute.
Manfred Kaufmann: Wir sind bei der Stellungnahme auf die zweite Lesung auf diverse Punkte aus der ersten Lesung eingegangen und haben Gegenargumente aufgezeigt. Auch präsentieren wir eine Gegenfinanzierung, die kostenneutral ist und somit weder für Arbeitgeber noch für Arbeitnehmer Mehrkosten verursacht. Wir hoffen nach wie vor auf die Zustimmung der Mehrheit des Landtags. Wir Initianten setzen uns klar für Fairness, Korrektheit und Gerechtigkeit sowie für die Wertschätzung gegenüber der älteren Generationen ein. Dies ist uns Initianten nicht gleichgültig. 


Abstimmungsergebnis zur «FAIRNESS-Initiative» betreffend EINTRETEN auf das Initiativbegehren der Initianten in der Landtagssitzung vom 31. August 2022

JA

EINTRETEN auf die «FAIRNESS-Initiative»

VU
Dagmar Bühler-Nigsch
Peter Frick
Walter Frick
Norma Heidegger
Manfred Kaufmann
Mario Wohlwend

FBP
Johannes Kaiser
Wendelin Lampert
Daniel Oehry

Freie Liste
Sandra Fausch
Manuela Haldner-Schierscher
Georg Kaufmann

DpL
Herbert Elkuch
Thomas Rehak

NEIN

NICHT-EINTRETEN auf die «FAIRNESS-Initiative»

VU
Hubert Büchel
Gunilla Marxer-Kranz
Günter Vogt
Thomas Vogt

FBP
Sebastian Gassner
Franziska Hoop
Bettina Petzold-Mähr
Sascha Quaderer
Daniel Seger
Karin Zech-Hoop