Die Work-Life-Balance Richtlinie

DOMENIK VOGT, Rechtsanwalt und Senior Associate

Im Juni 2019 hat das Europäische Parlament mit der schnell als Work-Life-Balance Richtlinie bekanntgewordenen Richtlinie 2019 / 1158 eine Norm zur besseren Vereinbarkeit von Familienleben und Beruf und zur Förderung der Gleichberechtigung im Erwerbsleben auf den Weg gebracht. Durch die Mitgliedschaft Liechtensteins im EWR muss der Inhalt in das Landesrecht übernommen werden, wobei für die Umsetzung hierzulande noch keine Frist verlautbart wurde.

Bei der konkreten Ausgestaltung kommt dem Gesetzgeber ein gewisser Spielraum zu, doch hat die Regierung bis dato noch keinen Gesetzesentwurf vorgelegt. Die Eckpunkte und Mindeststandards der Richtlinie sind allerdings bekannt und können nachfolgend vorgestellt werden.

Vaterurlaub bei der Geburt
Künftig stehen Vätern rund um eine Kindesgeburt zehn Tage bezahlter Urlaub zu. Dabei kann der Gesetzgeber festlegen, ob der Urlaub am Stück und ausschliesslich nach der Geburt oder flexibel und bereits vor der Geburt konsumiert werden kann. Fest steht jedenfalls, dass der Urlaub unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu gewähren sein wird und auch entlohnt werden muss. 

Elternurlaub und flexible Arbeitszeiten im Kleinkindalter
Bis zum achten Lebensjahr des Kindes stehen beiden Elternteilen jeweils vier Monate Elternurlaub zu. Eine flexible Aufteilung und Übertragbarkeit zwischen den Elternteilen ist möglich, wobei ein Zeitraum von zwei Monaten nicht übertragbar ist. So soll ein Anreiz geschaffen werden, dass vermehrt auch Väter den Elternurlaub in Anspruch nehmen. Der Elternurlaub kann an die Dauer der Betriebszugehörigkeit geknüpft werden. Ein flexibler Urlaubskonsum ist vorgesehen, wobei die Frage unter welchen Bedingungen Arbeitgeberinnen bzw. Arbeitgeber einen solchen Urlaubsantrag aufschieben können, Gegenstand der innerstaatlichen Umsetzung sein wird. Dabei wird auf einen Kompromiss zwischen den Interessen des Betriebes und der Mitarbeitenden abzustellen sein. 

Daneben ermöglicht die Richtlinie auch unter Berücksichtigung betrieblicher Erfordernisse eine flexible Regelung der Arbeitszeiten. Hat ein Arbeitgeber zugestimmt, steht dem Elternteil nach Ablauf des vereinbarten Zeitraumes eine Rückkehr in das ursprüngliche Beschäftigungsschema zu. Ganz generell dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Inanspruchnahme dieser Rechte keine Nachteile erfahren. Dafür sieht die Richtlinie unter anderem ein Diskriminierungsverbot vor: Eine Kündigung aufgrund der Inanspruchnahme von Urlaub oder der Arbeitszeitflexibilisierung ist rechtswidrig.

Flexible Arbeitszeiten und Urlaub zur Betreuung und Pflege Angehöriger
Neben Erleichterungen für Eltern beinhaltet die Richtlinie weitere Neuerungen im Bereich der Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger. Arbeitnehmenden stehen künftig für die Pflege Angehöriger pro Kalenderjahr bis zu fünf Tage Pflegeurlaub zu. Als Angehörige gelten neben Kindern, Eltern und Partnern unabhängig von einer gemeinsamen Wohnsitznahme auch im gleichen Haushalt lebende Personen. Dieser Urlaubsanspruch muss, zumindest gemäss der Richtlinie, nicht vergütet werden. Es bleibt der Regierung jedoch ungenommen, im Umsetzungsgesetz auch eine Vergütung für den Pflegeurlaub festzuschreiben. Dies wird in der Richtlinie empfohlen. Ebenfalls können die Arbeitszeiten zur Pflege von Angehörigen zu denselben Bedingungen wie bei der Arbeitszeit der Eltern flexibilisiert werden. 

Fazit
Bis zur Umsetzungsfrist hat der Landesgesetzgeber noch gewisse Detailfragen, vor allem im Hinblick auf die Regelungen im innerbetrieblichen Bereich zu klären. Dahingehend ist wohl in nächster Zeit mit der Vorlage eines Gesetzesentwurfes zu rechnen. Das entsprechende Gesetz muss auch im Hinblick auf die Attraktivität des Standortes Liechtenstein auf einen Kompromiss zwischen den nicht immer deckungsgleichen Interessen von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden abzielen. Klar ist jedenfalls, dass die Umsetzung eine begrüssenswerte Reform des Sozialrechts darstellt und, neben zum Beispiel einem flächendeckenden Angebot zur Kinderbetreuung, einen weiteren Beitrag zu der guten, geschlechterrollenunabhängigen und zeitgemässen Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Liechtenstein leisten wird.