Internationaler Währungsfonds: Mehr Schatten als Licht?

Voraussichtlich in diesem Sommer möchte die Regierung beim -Landtag die Zustimmung für den Beitritt Liechtensteins zum -Internationalen Währungsfonds (IWF) einholen. Das Vorhaben wurde schon 2011 geprüft, jedoch damals als zu teuer zur Seite gelegt. Heute, so die Regierung, könne die Mitgliedschaft aus einer Position der Stärke heraus diskutiert werden. Für die laufenden Kosten rechnet sie für zwei neuen Stellen sowie Reisekosten und Spesen mit jährlich 500‘000 Franken. Ausserdem ist eine Garantie, eine «Quote», in Höhe von 100 bis 150 Millionen Franken zu hinterlegen. Davon wäre jetzt gleich nur ein Viertel, also 25 bis 37,5 Millionen Franken, effektiv einzuzahlen.

Text: Georg Kieber 

 

Georg Kieber

Die Konferenz von Bretton Woods

Während der Zweite Weltkrieg in Europa noch tobte, luden die USA, bereits als Sieger des Krieges feststehend, im Jahr 1944 Delegationen aus 44 Ländern nach Bretton Woods (New Hampshire, USA) zu einer Konferenz ein. Der US-Delegationsleiter, Harry Dexter White, setzte bei diesem Treffen seinen Plan zur Stabilisierung der globalen Wirtschafts- und Währungssysteme gegen die Alternativvorschläge aus England durch. Der «White-Plan», später als «Bretton Woods System» bezeichnet, sah ein Weltwährungssystem vor mit dem Dollar im Mittelpunkt. Für alle Währungen wurde ein fixer Wechselkurs zum US-Dollar festgelegt sowie ein fixes Tauschverhältnis des Dollars zum Gold. Gleichzeitig erfolgte die Gründung der Organisationen zur Überwachung des Systems, des IWF und der Weltbank. Das Bretton Woods System wurde erst 1973 ausser Kraft gesetzt. Durch die damit erfolgte Freigabe der Wechselkurse wurde das Recht zur eigenen Geldpolitik wieder an die Länder zurückgegeben. Der IWF, eine Schwesterorganisation der Weltbank und Sonderorganisation der UNO mit Sitz in Washington D.C., nahm am 1. März 1947 seine Tätigkeit auf.

Die Organisation des IWF

Da die Führung der Weltbank faktisch und in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit bei den USA liegt, sollte für den IWF der massgebende amerikanische Einfluss dadurch verschleiert werden, dass nie ein US-Amerikaner den Chefposten innehaben soll. Lediglich der einflussreiche stellvertretende Direktor darf Amerikaner sein. Direktorin und damit IWF-Chefin ist derzeit die Bulgarin Kristalina Georgieva. Oberstes Leitungsgremium ist der Gouverneursrat. In dieses Gremium entsendet jedes Land einen Gouverneur und einen Stellvertreter. Das Stimmrecht der Mitgliedsstaaten orientiert sich an deren Kapitalanteilen, wodurch die Stimmkraft allein der USA jener der drei nachfolgenden Länder Japan, China und Deutschland entspricht. Um jedoch jedes Risiko, überstimmt zu werden, zusätzlich auszuschliessen, liessen sich die USA als einzigem Land ein uneingeschränktes Vetorecht gegen alle Beschlüsse einräumen. Wenn Liechtenstein dem IWF beitritt, erwarten unseren Gouverneur bei der traditionellen Frühjahrs- und Herbstsession und den Sondersitzungen des IWF wohl interessante Begegnungen, seine Stimmkraft wird jedoch höchstens in homöopathischen Dosen messbar sein. Der IWF beschäftigt, vorwiegend an Schreibtischen in den USA, 2700 Mitarbeiter aus 147 Ländern.

Was macht den IWF für uns so attraktiv?

Nach eigenen Angaben setzt sich der IWF für die Ausweitung des Welthandels ein, für die Steigerung des Lebensstandards, für nachhaltiges Wirtschaftswachstum, internationale Zusammenarbeit in der Währungspolitik und für die Bekämpfung der Armut in Ländern des globalen Südens. Unsere Regierung fühlt sich diesen hehren Zielen verpflichtet und erkannte, der IWF habe bei zahlreichen nationalen und internationalen Krisen erfolgreich eingegriffen, Finanzstabilität gewährleistet und die Realwirtschaft vor dem Zusammenbruch bewahrt. In der Realität ist der IWF nur zur Stelle, wenn einem Land finanziell das Wasser bis zum Hals steht. Er gewährt Kredite gegen Auflagen, welche die Regierungen infolge der Sonderstellung des IWF als «Kreditgeber letzter Instanz» bedingungslos umsetzen müssen – mit dem Ergebnis, dass sie sich nicht selten in einem Netz der Verschuldung verfangen und sich darin infolge von Zins, Zinseszins und Tilgungsraten immer tiefer verstricken. Die Öffnung von Staatsbetrieben im Bereich Strom, Wasser, öffentlicher Transport bewirkt, dass die privaten Investoren die Preise ungeachtet der gesellschaftlichen Folgen festsetzen können. Der IWF besteht darauf, dass Abkommen zwischen ihm und dem Schuldner nicht als internationale Verträge gelten und deshalb der parlamentarischen Zustimmung entzogen sind.

Welcher Art sind die Kreditbedingungen des IWF?

Die Bedingungen für IWF-Kredite sind für alle Länder gleich: Ausgabenkürzungen, Lohnsenkungen, Streichung von Sozialleistungen, Beseitigung von Beschränkungen für ausländische Investoren. Griechenland zum Beispiel musste neben den für die Bevölkerung giftigen Sparmassnahmen unter dem Druck der Geldgeber fast alle wichtigen Häfen und Flughäfen an ausländische Investoren verkaufen, auch die Mehrheit am Hafen von Piräus. Doch im Netz der oben erwähnten Verschuldung verstrickt, ist der Schuldenberg bereits wieder auf 374 Milliarden Dollar angewachsen. Der deutsche Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt sagte, der IWF trage erhebliche Mitverantwortung an den verheerenden Wirtschaftskrisen der vergangenen Jahre. Erstmals vergab der IWF nun auch einen Kredit an ein Land im Krieg. Die Ukraine soll Zugang zu 15,6 Milliarden Dollar haben als Teil eines internationalen «Hilfspakets» in Höhe von insgesamt 115 Milliarden Dollar. Der Kredit ist gebunden an die Privatisierung und Öffnung landwirtschaftlicher Flächen für ausländische Investoren. US-Agrarkonzerne und ukrainische Oligarchen werden die Kontrolle über das Ackerland übernehmen und ohne behördliche Einmischung grossflächig Agrarwirtschaft mit genetisch veränderten Pflanzen betreiben.

Was erhofft sich Liechtenstein?

Die Liechtensteiner Regierung sieht als Vorteile einer IWF-Mitgliedschaft unter anderem eine Verbesserung der finanziellen Stabilität, den Zugang zu personellen Ressourcen des IWF, eine Stärkung des Wirtschafsstandortes und der Souveränität. Auch sei der IWF eine Versicherung für den Krisenfall. All das mag stimmen. Aber ist es verhältnismässig, wenn das Land sich diese Vorteile durch zwei neue Staatsstellen verwalten lässt? Wollen wir wirklich dabei sein beim Geldverleih ohne Rücksicht auf soziale oder gesellschaftliche Folgen bei den Schuldnern? Seit dem Beitritt zum EWR hat unsere Bevölkerungszahl um 28 Prozent zugenommen, die Zahl der Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung um 123 Prozent. Unsere Staatsausgaben pro Kopf belaufen sich auf 42‘000 Franken, liegen also einen Drittel höher als in der Schweiz (29‘000 Franken). Mit den Steuern, auch des Gewerbes und der Arbeiter, wurden 321 Millionen Franken in die Staatliche Pensionskasse einbezahlt, 80‘300 Franken pro versicherte Person. Steht es uns an, über den IWF andere Länder das sparsame Haushalten zu lehren oder hätten wir diesbezüglich nicht eigene Hausaufgaben?