Die Landesverwaltung im Fokus

Jeder Einwohner Liechtensteins steht in regelmässigen oder unregelmässigen Abständen in Kontakt mit der Landesverwaltung. Die Anforderungen an die Behörden sind in den vergangenen 200 Jahren deutlich gewachsen, die Aufgaben haben stark zugenommen. Letzteres gilt auch für die Anzahl der Ämter. Die lie:zeit stellt die wichtigsten von ihnen in den kommenden Ausgaben näher vor. Den Auftakt macht eine Einordnung, wie sich die Landesverwaltung im Lauf der Zeit entwickelt hat, dargelegt von Paul Vogt im Historischen
Lexikon. Nachstehend eine Zusammenfassung seines Beitrags.

In Liechtenstein nahm bis Anfang des 19. Jahrhunderts das Oberamt als einzige Landesbehörde sämtliche Verwaltungsaufgaben wahr. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich eine weisungsgebundene Organisation, bei der einzelne Amtsstellen dem Oberamt bzw., seit 1862, der Regierung unterstellt waren. Die Landesverwaltung hatte zur damaligen Zeit rund 20 Mitarbeiter. Bis 1921 war sie mit der fürstlichen Domäne bzw. Rentenverwaltung verflochten: Die fürstlichen Beamten waren teilweise auch Staatsbeamten.

Landvogt, Schulkommissär, Landestierarzt
Die von der Landesverwaltung wahrgenommenen Aufgaben spiegeln sich in den Amts- beziehungsweise Funktionsbezeichnungen. Um 1800 nahmen in Vaduz ein Landvogt, ein Rentmeister, ein Amtsschreiber und ein Amtsbote hoheitliche Aufgaben war, zusätzlich gab es verschiedene fürstliche Diener. Der Landesphysikus erhielt ein Wartegeld. Bemerkenswert ist, wie früh Liechtenstein gezwungen war, sich zur Selbstbehauptung aussenpolitisch beim Deutschen Bund und beim Rheinbund durch Gesandte vertreten zu lassen. 1808 wurde ein Grundbuchführer angestellt. Die Funktion des Försters oblag von alters her dem Jäger. Welche Bedeutung die Hofkanzlei in Wien dem Forstwesen zumass, zeigte sich 1837, als ein qualifizierter Waldbereiter nach Vaduz versetzt wurde. Der Begriff Wald- beziehungsweise Forstamt wurde seit 1840 als Amtsbezeichnung verwendet. Ab 1843 befindet sich auch ein Landestierarzt in den Besoldungslisten. Als Sicherheitsorgane wirkten drei bis vier Polizisten.

Seit der Verfassung von 1862 war für die Rechtsprechung nicht mehr der Landesverweser, sondern ein Landrichter zuständig, der bis 1871 zudem zahlreiche Verwaltungsaufgaben – vor allem mit polizeilichem Charakter – wahrzunehmen hatte. Erst 1871 erfolgte die völlige Trennung der Justiz von der Verwaltung. 1871 wurden drei Landweibel eingestellt. Folgende Beamte hatten gemäss Amtsinstruktion von 1862 einen unkündbaren Status: Kassenverwalter, Landestechniker, Landesforstbeamte, Schulkommissär, Landesphysikus und Landestierarzt. Damit sind auch die wichtigsten Funktionen der Landesverwaltung aufgezählt. Der Wunsch nach der Einrichtung eines Bauamts fand beim Fürsten in Wien kein Verständnis. Die baulichen Tätigkeiten wurden von den Offizieren des Militärkontingents geleitet, nach dessen Auflösung 1868 vom sogenannten Landestechniker. Auch die 1861 gegründete Sparkassa war bis 1923 der Landesverwaltung angegliedert. Das Schulwesen unterstand bis 1972 dem der Regierung neben-, nicht untergeordneten Landesschulrat. Der Schulkommissär war bis 1970 ein Geistlicher, der nicht die Stellung eines Landesangestellten hatte. Bis zum Ersten Weltkrieg entstanden noch die Stellen eines Geometers (1903) und eines nebenamtlichen Staatsanwalts (1914).

1921: Regierung regelt alles ausser der Bildung
Wie einfach die Landesverwaltung nach der Verfassung von 1921 gedacht war, zeigt sich in den einschlägigen Bestimmungen: Die «gesamte Landesverwaltung mit Ausnahme der Schulangelegenheiten» wurde der Kollegialregierung übertragen. Zur Besorgung der Geschäfte wurden ihr der Regierungssekretär, der Kassenverwalter und der Landestechniker sowie die erforderlichen Kanzleifunktionäre als besoldete Berufsbeamte unterstellt. Für die übrigen Geschäfte – namentlich im Sanitäts-, Veterinär- und Forstdienst – sollten «im Einvernehmen mit dem Landtage Fachleute gegen zu vereinbarende Entlohnung» bestellt werden.

Trotz eines des offenkundigen Sparwillens wurden 1919 Gesandtschaften in Wien und Bern errichtet. 1922 folgte die «Briefmarkenverschleissstelle». Wie diese diente auch die Schaffung einer selbständigen Steuerverwaltung (1923) der Sicherung der Staatsfinanzen. 1926 wurde das vom Landrichter geleitete Handelsregister eingeführt, 1931 das Arbeitsamt. 1933 ersetzte ein Sicherheitskorps die Landweibel. Die Umbenennung in Landespolizei erfolgte 1989. 

Wohlfahrtsstaat und EWR schaffen neue Aufgaben
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wuchs die Zahl der Ämter kontinuierlich an. Dieses Wachstum war einerseits auf einen ordnungspolitischen Nachholbedarf zurückzuführen, andererseits auf den Ausbau des Leistungs- und Wohlfahrtsstaats. Der EWR-Beitritt im Jahr 1995 bewirkte ausserdem, dass viele Ämter zusätzliche Aufgaben erhielten und neue Amtsstellen geschaffen werden mussten.

Wichtige staatliche Aufgaben wurden und werden aufgrund von Verträgen auch ausserhalb der Landesverwaltung wahrgenommen, so zum Beispiel die Zollverwaltung – 1852 bis 1919 durch österreichische, seit 1924 durch Schweizer Behörden. Typisch für die Landesverwaltung war, dass viele Aufgaben seit 1862 an Kommissionen übertragen wurden. Die Kirche bzw. Geistlichkeit hatte nicht nur im Schulwesen einen dominierenden Einfluss, sondern besorgte auch bis 1974 im staatlichen Auftrag das Zivilstandswesen. Beispiele für die Privatisierung ursprünglicher staatlicher Leistungen sind Post, Telekommunikation und Vermessung. Nicht Teil der Landesverwaltung, aber ebenfalls öffentliche Einrichtungen des Landes Liechtenstein sind die vor allem im wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bereich tätigen Landesinstitute.

Lange Zeit kaum Frauen und Ausländer
1919 wurde erstmals eine Frau als «Schreibkraft» eingestellt, im Rahmen von Abbaumassnahmen 1922 aber wieder entlassen. 1941 wurde Rosa Wachter Leiterin der Tuberkulosenfürsorge – das Gesetz zur Tuberkulosebekämpfung von 1941 enthielt die Bestimmung, dass «auch Frauen und niedergelassene Ausländer» zu Mitgliedern der Tuberkulosenkommission ernannt werden konnten. Noch in den 1950er Jahren waren Frauen in der Landesverwaltung selten. Mitarbeiterinnen hatten damals nur die Regierungskanzlei und die Postwertzeichenstelle. 

Der Artikel 107 der Landesverfassung von 1921 enthielt ausserdem die Bestimmung, dass für die Anstellung im Staatsdienst die liechtensteinische Staatsbürgerschaft notwendig war und Ausnahmen der Zustimmung des Landtags bedurften. Damit war der Anstellung von Ausländern für längere Zeit ein Riegel vorgeschoben, bereits angestellte Ausländer wurden aber nicht entlassen. Die seit den 1960er-Jahren wieder zunehmende Einstellung von Ausländern erfolgte, zumindest anfänglich, oft durch privatrechtliche Anstellungsverhältnisse, die Zustimmung des Landtags wurde nur ausnahmsweise eingeholt. Im Jahr 2003 wurde Artikel 107 abgeändert, da er mit dem EWR-Recht unvereinbar war. EWR-Ausländer und Schweizer sind seither hinsichtlich der Anstellung in der Landesverwaltung den liechtensteinischen Staatsbürgern gleichgestellt, sofern es sich nicht um Stellen mit hoheitlichen Funktionen handelt. Ende 2020 beschäftigte die Landesverwaltung in Ministerien, ihnen unterstellten Ämtern, in Stabsstellen und Gerichten insgesamt 985 Personen mit rund 880 Vollzeitäquivalenten. Hinzu kamen Auszubildende, Hilfspersonal, dem Landtag zugeordnete Stellen und das richterliche Personal.

Paul Vogt, «Landesverwaltung», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL). Zum Teil wörtlich zitiert, zum Teil gekürzt.


Die Ämter und Leiter

  • Amt für Auswärtige Angelegenheiten (AAA) – Martin Frick
  • Amt für Bau und Infrastruktur (ABI) – Romano Kunz
  • Amt für Berufsbildung und Berufsberatung – Werner Kranz
  • Amt für Bevölkerungsschutz (ABS) – Emanuel Banzer
  • Amt für Gesundheit (AG) – Peter Gstöhl
  • Amt für Informatik (AI) – Martin Matt
  • Amt für Justiz (AJU) – Martin Alge
  • Amt für Kommunikation (AK) – Rainer Schnepfleitner
  • Amt für Kultur (AKU) – Patrik Birrer
  • Amt für Lebensmittelkontrolle und Veterinärwesen (ALKVW) – Werner Brunhart
  • Amt für Personal und Organisation (APO) – Thomas Kind
  • Amt für Soziale Dienste (ASD) – Hugo Risch
  • Amt für Statistik (AS) – Andrea Scheller
  • Amt für Strassenverkehr (ASV) – Otto C. Frommelt
  • Amt für Umwelt (AU) – Stefan Hassler
  • Amt für Volkswirtschaft (AVW) – Katja Gey
  • Ausländer- und Passamt (APA) – Mario Konzett
  • Datenschutzstelle (DSS) – Marie-Louise Gächter-Alge
  • Landeskasse (LK) – Thomas Kieber
  • Landespolizei (LP) – Jules Hoch
  • Schulamt (SA) – Rachel Guerra
  • Steuerverwaltung (STV) – Bernhard Büchel
  • Zivilstandsamt (ZSA) – Hansjörg Meier