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Mit Betreuungs- und Pflegegeld nimmt Liechtenstein Vorreiterrolle ein

Pflege ist ein sehr komplexes, weitläufiges Gebiet, Anforderungen und Belastungen sind unterschiedlich: Pflege in Akutspitälern (Intensivstationen, Kinderspitälern, Onkologie, Geriatrie), Psychiatrien, Reha- Kliniken, Paraplegiker – Zentren, Palliativpflege (Hospiz), Pflegeheimen, Altersheimen, häusliche Pflege, Spitex, Familienhilfe, pflegende Angehörige, Care-Migrantinnen.

Liechtenstein bietet nur ein beschränktes Angebot (keine Intensivstation im Liechtensteinischen Landesspital, keine Reha-Kliniken, keine stationären Psychiatrieeinrichtungen etc.) und ist auf Einrichtungen im Ausland, hauptsächlich Schweiz angewiesen. In Liechtenstein wird Pflegepersonal – ausser im LLS – in unseren Altersheimen und in der häuslichen Pflege (Spitex, Familienhilfe, Care-Migrantinnen) benötigt. In der häuslichen Pflege und Betreuung wird ein Grossteil von pflegenden Angehörigen geleistet!

Was hat Liechtenstein bisher unternommen?
Liechtenstein hat schon vor Jahren die häusliche Pflege gestärkt: mit der Reorganisation der Familienhilfe ist dieser ein flexiblerer Einsatz des Personals möglich, es kann besser auf komplexere Pflegesituationen, bedingt durch frühzeitige Entlassung aus Akutspitälern (Einführung der Fallpauschalen!), reagiert werden, z.B. durch Einstellung eines Wundmanagers; durch die Reorganisation ist auch die Ausbildung von Pflegepersonal möglich.

Betreuungs- und Pflegegeld-Einführung ist Erfolgsmodell
Durch Einführung des Betreuungs- und Pflegegeldes (BPG) wurde die häusliche Pflege entscheidend gestärkt: pflegende Angehörige können entlastet werden, indem mit dem Betreuungs- und Pflegegeld Leistungen zugekauft werden können oder Angehörige angestellt werden können (AHV-Beiträge!).

Hintergrund ist das politische Leitbild der Altersstrategie: ambulant vor stationär. Das Betreuungs- und Pflegegeld wird nicht nur für Senioren, sondern für alle Altersgruppen entrichtet, Senioren sind naturgemäss die grösste Gruppe.

Weiterentwicklung des Erfolgsmodells  mit dem Betreuungs- und Pflegegeld
Mit dem Betreuungs- und Pflegegeld hat Liechtenstein eine Vorreiterrolle eingenommen. In der Schweiz wird derzeit über eine Stärkung der häuslichen Pflege diskutiert – schon vor der Pandemie, aber durch diese nochmals verstärkt, da viele nicht mehr ins Altersheim gehen wollen wegen der Isolation.  Das Betreuungs- und Pflegegeld wird in der Schweiz da und dort auch als best-practice-Beispiel vorgestellt, dies auch gemäss Auskunft bei Frau Kaltenbrunner, Fachstelle Bedarfsabklärung Betreuung/Pflege in Liechtenstein.

 

Was ist weiter zu tun?
Ohne die Leistungen der pflegenden Angehörigen wäre das System schon heute total überfordert. Daher ist es zwingend notwendig, dass diese auch in Zukunft wirkungsvoll unterstützt werden, finanziell durch BPG, aber auch durch Entlastungsangebote (Ferienbetten, Tagesstrukturen etwa für Demenz-Kranke etc.). Dies ist schon heute ermöglicht, die Schnittstellen können jedoch optimiert werden. Die Problematik der Care-Migrantinnen, ohne die eine 24h-Pflege schwer machbar ist, muss angegangen werden (wer ist für diese zuständig, wohin können sie sich wenden bei Problemen. Braucht es eine Anlaufstelle, wo wäre diese anzusiedeln etc).

Anstrengungen der Familienhilfe wie auch der Altersheime und des LLS bei der Ausbildung von Pflegepersonal sind weiterhin und gegebenenfalls besser zu unterstützen. Ausbildungsoffensive ähnlich wie z.B. für MINT-Berufe.

 

Studien sind selten die pure Wahrheit
Die Studie der Stiftung zukunft.li zeigt auf, dass die Zahl der über 80-Jährigen (d.h. der potentiell Betreuungs- und Pflegebedürftigen) sich bis 2050 ca. vervierfacht. Die Studie beruht auf der Grundlage der Bevölkerungsszenarien 2015 – 2050 (Szenario Trend).

Mittlerweile liegt die reale Entwicklung bis 2020 vor: schon jetzt liegt die Zunahme der über 80-Jährigen deutlich unter der prognostizierten Entwicklung (Szenario Trend: minus 9%). Die Zahl der Pflegebedürftigen wird zwar steigen, aber deutlich weniger stark als prognostiziert.

Johannes Kaiser, Landtagsabgeordneter

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