Pflege und Betreuung – Quo vadis?

Die Pandemie hat noch einmal sehr deutlich gemacht, welch grosse Bedeutung dem Pflegepersonal zukommt und dessen hohe Systemrelevanz klar aufgezeigt. Die Pandemie rückt aber auch ganz deutlich die Probleme rund um das Thema Pflege in den Vordergrund.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass das politische Interesse sehr gross ist. In der Schweiz wird im November über die Pflegeinitiative abgestimmt, in Liechtenstein wurde das Thema im Rahmen eines Postulats aufgegriffen, und der Landtag beschäftigte sich in seiner November-Sitzung in einer aktuellen Stunde damit, wie die künftige Pflege im Alter in Liechtenstein ausschauen soll.

Das Thema Pflege und Betreuung ist ein sehr vielschichtiges. Pflege und Betreuung wird nicht nur in Akutspitälern, Reha-Kliniken und Pflegeheimen geleistet, sondern auch im ambulanten Bereich, daheim, von der Spitex bzw. der Familienhilfe, von sogenannten Care-Migrantinnen, aber auch von pflegenden Angehörigen, und zwar für Alt wie Jung.

Das Thema Pflege und Betreuung rückte spätestens rund um in die Diskussion um die demografische Entwicklung, d.h. die zunehmende Lebenserwartung, Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter und niedrige Geburtenrate in den Mittelpunkt des politischen Interesses. Dahinter steckt die Sorge, wie künftig die Pflege und Betreuung einer massiv ansteigenden Anzahl von Senioren bewerkstelligt werden könnte, wie der steigende Bedarf an Pflegepersonal gedeckt wird, vor allem aber, wie – und von wem – dies alles zu finanzieren sei.

Liechtenstein hat mit dem alterspolitischen Leitbild schon vor Jahren die Rahmenbedingungen definiert: Ambulant vor stationär heisst, dass jeder Einwohner sein Leben so lange wie möglich – und gewünscht –  selbstbestimmt daheim verbringen können sollte. Dazu wurde die häusliche Pflege mit der Einführung des Betreuungs- und Pflegegeldes (BPG) massiv gestärkt. Mit dem BPG können, je nach Bedarf, Leistungen der Familienhilfe, aber auch von pflegenden Angehörigen bezahlt werden. Letzteres ist von grosser Wichtigkeit, da ein Grossteil der häuslichen Pflege – rund 70 Prozent – von diesen übernommen wird. Mit dem BPG soll dieses Potenzial auch zukünftig erhalten bleiben. Strukturelle Verbesserungen wurden ebenfalls durch die Reorganisation der Familienhilfe erzielt, die nun in der Lage ist, Pflegefachpersonal auszubilden. Auch in der Schweiz wird derzeit intensiv über eine Stärkung der häuslichen Pflege diskutiert, was mit einer grösseren finanziellen Unterstützung verbunden ist.

Aufgrund des viel diskutierten demografischen Wandels wurden auch in Liechtenstein schon verschiedene Vorschläge bzw. Studien zur künftigen Finanzierung der Pflege und Betreuung von Senioren präsentiert. Genannt sei an dieser Stelle nur etwa die Einführung einer Pflegeversicherung, in deren Rahmen jeder zusätzlich zu AHV und Pensionskasse für seine Pflege und Betreuung im Alter selber vorsorgen muss. Das würde zwar den Staatshaushalt entlasten, dafür aber die Bürger in höherem Mass als bisher finanziell belasten. Heute wird die stationäre wie auch die ambulante Pflege und Betreuung stark durch Steuergelder von Land und Gemeinden gestützt. Trotzdem hat auch der Betroffene im Anlassfall einen guten Teil der Kosten zu tragen. 

Der Liechtensteiner Seniorenbund vertritt die Meinung, dass die heutige, steuerbasierte Finanzierung der Pflege und Betreuung beibehalten werden sollte. Es ist zwar richtig, dass die Lebenserwartung in den letzten Jahren zugenommen hat (mit Ausnahme, bedingt durch die Pandemie, des Vorjahres). Aber auch der Eintritt einer etwaigen Pflegebedürftigkeit hat sich nach hinten verschoben, was das Schreckgespenst des demografischen Wandels doch etwas relativiert. Auch nimmt die Anzahl der über 80-Jährigen (und potenziell Pflegebedürftigen) weniger stark zu als in den Bevölkerungsszenarien, auf deren Grundlage die bisherigen Studien zu Pflegeversicherungen etc. erstellt worden sind, prognostiziert. Mindestens das gleiche Interesse wie der Finanzierung der Pflege und Betreuung sollte aber der Ausbildung von genügend Pflege- und Betreuungspersonal entgegengebracht werden.