Kleine Anfragen an Regierungsrat Manuel Frick

Regierungsrat Manuel Frick

Kleine Anfrage des Abgeordneten Elkuch Herbert zum Thema: Kostenbefreiung vom Selbstbehalt in der Krankenversicherung

Gemäss Art. 23 Bst. b Abs. 1 müssen sich Krankenversicherte ab dem 20. Altersjahr an den Kosten für die obligatorischen Leistungen der Krankenversicherung mit einem festen Betrag von CHF 500 und einem Selbstbehalt von 20% an den den festen Jahresbeitrag übersteigenden Kosten beteiligen. Für Personen, die das ordentliche Rentenalter erreicht haben, beträgt der Selbstbehalt 10%. Per Verordnung kann die Regierung chronisch Kranke von einer Kostenbeteiligung befreien, das ist im Art. 23b Bst. c Abs. 2b geregelt. Ich habe in diesem Zusammenhang folgende Fragen an die Regierung:

Herbert Elkuch

Wie viele chronisch Kranke waren bei den Krankenkassen per Ende der letzten drei Jahre im Durchschnitt gemeldet?
Manuel Frick:
Im Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2020 waren 1’616 erwachsene Versicherte aufgrund einer chronischen Erkrankung von der Kostenbeteiligung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung befreit. Die Anzahl steigt jährlich an.

Wie viele chronisch Kranke respektive welcher Anteil der chronisch Kranken hatte das ordentliche Rentenalter bereits erreicht?
Manuel Frick: Im Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2020 hatten 745 von der Kostenbeteiligung befreite Versicherte das ordentliche Rentenalter bereits erreicht. Dies entspricht einem Anteil von 46% der von der Kostenbeteiligung befreiten erwachsenen Versicherten. Zugleich stellt diese Personengruppe aber nur einen Anteil von rund 24% der erwachsenen Versicherten.

Von wem werden die durch die Kostenbefreiung verursachten Kosten getragen?
Manuel Frick: Die aufgrund der Befreiung entgangenen Einnahmen werden von der Allgemeinheit der Prämienzahler aufgebracht bzw. querfinanziert.

Wie hoch war der Geldbetrag, von dem chronisch Kranke, die das ordentliche Rentenalter erreicht haben, befreit wurden?
Manuel Frick: Im Jahresdurchschnitt der letzten drei Jahre beträgt der Einnahmenausfall aufgrund der Befreiung von der Kostenbeteiligung von Personen im Rentenalter rund CHF 670’000.

Welcher Anteil des Betrags gemäss Frage 4 entfiel auf die fixe Kostenbeteiligung und welcher auf die variable Kostenbeteiligung?
Manuel Frick: Die entgangenen Einnahmen sind zu 55% auf den Wegfall des festen Betrages und zu 45% auf den entfallenen prozentualen Selbstbehalt zurückzuführen.


Kleine Anfrage des Abgeordneten Kaufmann Georg zum Thema: Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts

Das Sozialversicherungsrecht unseres Landes stützt sich in weiten Teilen auf das Schweizer Sozialversicherungsrecht. Seit Oktober 2000, also seit mehr als 20 Jahren, ist in der Schweiz das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, kurz ATSG, in Kraft. Dieses Gesetz koordiniert das Sozialversicherungsrecht, indem es

a) Grundsätze, Begriffe und Institute des Sozialversicherungsrechts definiert;
b) Ein einheitliches Sozialversicherungsverfahren festlegt und die Rechtspflege regelt;
c) Die Leistungen der einzelnen Sozialversicherungen aufeinander abstimmt;
d) Den Rückgriff der Sozialversicherungen auf Dritte ordnet.

Liechtenstein kennt dieselben Sozialversicherungen wie die Schweiz, verfügt aber noch nicht über ein derartiges Rahmengesetz. Damit fehlen klare Begriffsdefinitionen wie zum Beispiel Krankheit, Invalidität und so weiter. Die einzelnen Sozialversicherungen sind auch ungenügend oder überhaupt nicht miteinander koordiniert. Und es fehlt eine Sozialversicherungsgerichtsbarkeit in Liechtenstein. Der ehemalige Gesellschaftsminister Pedrazzini hat während der letzten Legislatur wiederholt betont, dass an der Schaffung eines derartigen Koordinationsgesetzes gearbeitet werde.

Abgeordneter Georg Kaufmann

Wie weit ist die Schaffung eines derartigen Koordinationsgesetzes gediehen?
Manuel Frick: Die Prüfung der Professionalisierung der Gerichtsbarkeit im Sozialversicherungsbereich sowie der Einführung eines Gesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) haben Eingang in den Koalitionsvertrag vom 24. März 2021 gefunden. Es sind noch detaillierte rechtliche Abklärungen dazu notwendig, wie die einheitliche Rechtsmittelinstanz für das ATSG auszugestalten ist.

Wo liegen die Herausforderungen bei der Erarbeitung dieses Gesetzes?
Manuel Frick: Die Herausforderungen bei der Schaffung eines Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechtes für Liechtenstein bestehen – wie die Vergangenheit bereits gezeigt hat – darin, sich auf eine einzige, einheitliche Rechtsmittelinstanz für sämtliche dem ATSG unterstehende Gesetze zu einigen. Diese einheitliche Rechtsmittelinstanz ist Dreh- und Angelpunkt, da es einer einheitlichen Anwendung der Bestimmungen bedarf, die nur durch eine einheitliche Rechtsprechung und diese wiederum nur durch eine gemeinsame Rechtsmittelinstanz, die als einzige für sämtliche Bereiche zuständig ist, gewährleistet werden kann. Die zurzeit im Kernbereich des ATSG bestehenden vier unterschiedlichen Rechtsmittelinstanzen –die Regierung, die Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten, das Landgericht und das Obergericht – können diesem Erfordernis nicht gerecht werden.

Eine weitere Herausforderung in Zusammenhang mit diesem Projekt besteht darin, dass das Rahmengesetz für das Sozialversicherungsverfahren nicht sämtliche verfahrensrechtlichen Regelungen enthalten kann und subsidiär, also immer dann, wenn eine Frage nicht im ATSG geregelt ist, einheitlich auf ein anderes Verfahrensrecht Bezug genommen werden muss.

Welches sind die weiteren Meilensteine und bis wann kann mit einem Bericht und Antrag zu einem Koordinationsgesetz ATSG Liechtenstein gerechnet werden?
Manuel Frick: Zurzeit finden Abklärungen zur einheitlichen Rechtsmittelinstanz für das ATSG statt. Auf dieser Basis soll der Regierung ein Vorschlag zum weiteren Vorgehen vorgelegt werden. Es ist derzeit nicht möglich, einen genauen Zeitplan festzulegen. Ziel ist es aber, das ATSG in der laufenden Legislaturperiode zu verabschieden.