Mindestbesteuerung beschränkt Steuerwettbewerb

Anfang Juli haben sich die Finanzminister der 20 grössten Handels- und Industriestaaten (G20) in einem Massnahmenpaket zur Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft darauf geeinigt, dass Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro künftig einen Mindeststeuersatz auf ihre Gewinne von mindestens 15 Prozent zahlen müssen. Diese globale Mindeststeuer hat auch Auswirkungen auf Liechtenstein. Die Regierung beobachtet den Prozess genau und ist bestrebt, die Standortvorteile des Landes weiter zu stärken.

Liechtenstein ist Mitglied des BEPS Inclusive Frameworks der OECD, dem 139 Staaten angehören. Die Gruppe hat sich am 1. Juli mit den neusten Vorschlägen zur Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft und damit auch der globalen Mindeststeuer befasst. Anderthalb Wochen später fand in Venedig ein Gipfel der Finanzminister der 20 wichtigsten Industriestaaten statt. Sie haben sich für eine globale Mindeststeuer für grosse, weltweit tätige Konzerne in der Höhe von mindestens 15 Prozent ausgesprochen. 

Eingriff in die Souveränität
Die Unsicherheiten hinsichtlich der tatsächlichen Ausgestaltung der Regeln bleiben noch beträchtlich. So ist noch nicht klar, wie hoch die effektive Mindeststeuer sein wird, ab wann sie greift und wie die rechtliche Umsetzung erfolgt. Die Regierung reagierte unmittelbar nach der Sitzung des BEPS Inclusive Framework mit einer Medienmitteilung. «Liechtenstein hat seine Position bereits im Vorfeld und an der Sitzung des Inclusive Framework eingebracht. Auch wenn Liechtenstein den sich abzeichnenden globalen Konsens, genauso wie unter anderem die Schweiz, Luxemburg und Singapur, nicht abgelehnt hat, bleiben wichtige Fragen offen. Liechtenstein hat seine Bedenken und Vorbehalte mehrfach deutlich zum Ausdruck gebracht.» Diese Kritik bezieht sich nicht nur auf die Mindeststeuer, sondern insbesondere auch auf den Umsetzungszeitpunkt, der im derzeitigen Vorschlag auf den 1. Januar 2023 vorgesehen ist. 

Es bleibe die Position Liechtensteins, dass alles dafür getan werden muss, eine globale Lösung zu finden, die nicht noch stärker in die Souveränität der einzelnen Staaten eingreift, die Wirtschaftsentwicklung nicht behindert und die zu einer Aufhebung unilateraler Massnahmen führt. Bereits jetzt haben einzelne Staaten wie Frankreich sogenannte Digitalsteuern eingeführt. Derartige unilaterale Massnahmen beeinträchtigen aber den globalen Wirtschaftsverkehr, was auch nicht im Interesse kompetitiver Staaten wie Liechtenstein ist. Deshalb seien vermehrt «insbesondere auch die Positionen von kleinen und wettbewerbsfähigen Staaten zu berücksichtigen. Es sind weiterhin intensive Arbeiten notwendig, um den weltweiten Konsens in eine global umsetzbare Lösung zu überführen», schreibt die Regierung weiter. Sie beobachtet den weiteren Prozess genau. Das nächste Meeting des Inclusive Frameworks ist für Oktober 2021 terminiert. Liechtenstein stimmt sich bis dahin intensiv mit verschiedenen Staaten, die gleichgelagerte Interessen haben, ab. Was es für Liechtenstein bedeutet, dass Gewinne von gewissen Unternehmen mit mindestens 15 Prozent besteuert werden sollen, ist noch nicht abschätzbar. 

Liechtenstein bleibt attraktiv
«Die Regierung, das Ministerium für Präsidiales und Finanzen sowie die Experten der Steuerverwaltung verfolgen die Entwicklungen sehr eng», sagte Regierungschef und Finanzminister Daniel Risch gegenüber den Medien. Denn Auswirkungen würden die angedachten Steuerreformen auch für kleinere Unternehmen und nicht nur für die gemeinhin als «digital» bezeichneten Konzerne wie Amazon oder Facebook haben. «Wir sind nach wie vor überzeugt, dass ein fairer Steuerwettbewerb im globalen Kontext wirtschaftliches Handeln fördert und nicht behindert. Ich erlaube mir, zum Prozess kritisch anzumerken, dass es schwer zu rechtfertigen ist, wenn derartige Entscheidungen faktisch von wenigen, zugegebenermassen wichtigen, Ländern gefällt werden. Trotzdem müssen wir den herrschenden globalen Trend, der aus heutiger Sicht nicht umkehrbar ist, anerkennen», sagte der Regierungschef. Derzeit laufen insbesondere auf technischer Ebene noch zahlreiche Diskussionen. Der von der OECD vorgegebene Zeitplan ist sehr ambitioniert. 

Trotz aller Unklarheiten gehe der internationale Trend klar und mit relativ hohem Tempo in die Richtung einer globalen effektiven Unternehmensbesteuerung, denn nur eine solche werde international und insbesondere von grossen Staaten als «fair» erachtet. «Es wird deutlich, dass es erstmals realistisch ist, dass ein globales Mindestbesteuerungsniveau von Unternehmen vereinbart wird. Liechtenstein wird damit umgehen und ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleiben», sagt Regierungschef Daniel Risch. Er ergänzt: «Die Regierung befasst sich mit Weitsicht mit den internationalen Entwicklungen und ist bestrebt, die zahlreichen Standortvorteile Liechtensteins weiter zu stärken.»