«Wachstum durch Nachhaltigkeit und Innovation»

Die Entwicklung des Liechtensteiner Bankplatzes ist eine Erfolgsgeschichte. Sie begann 1861 mit der Liechtensteinischen Landesbank (damals noch «Zins- und Credit-Landes-Anstalt im souverainen Fürstenthume Liechtenstein»). Erst 60 Jahre später folgte 1921 die Bank in Liechtenstein, heute LGT Bank AG, die derzeit ihr 100-jähriges Bestehen feiert. Dann dauerte es 35 Jahre, bis 1956 die VPBank gegründet wurde. Erst 1992 folgten mit der NEUE BANK AG sowie 1993 der Centrum Bank AG die Banken vier und fünf.

Mit dem Beitritt zum EWR änderte sich die Voraussetzung für die Gründung einer Bank. Es war nicht mehr die Zustimmung des Landtags nötig, welcher über den Bedarf und die für ihn konkreten Bedingungen entschied, sondern neu die Regierung bzw. später die Finanzmarktaufsicht, welche jedoch «lediglich» noch die Einhaltung der vorgegebenen Voraussetzungen zu prüfen hat.

Bis 1997 blieb es bei den oben genannten fünf Banken. Danach entwickelte sich der Bankenplatz innert weniger Jahre enorm. Mit 17 zugelassenen Instituten war 2001 und 2002 die höchste Anzahl erreicht. Heute sind es noch 13 Banken, die ihre Dienste in Liechtenstein anbieten. Der Bankstatistik ist zu entnehmen, dass der höchste Reingewinn aller Banken zusammen im Jahr 2005 mit 743 Millionen Franken. zu verzeichnen war. Das war gleichzeitig auch der höchste Gewinn pro beschäftigte Person am Platz Liechtenstein mit 472’000 Franken bei damals 15 Instituten. Zum Vergleich: 2019 waren es 312 Millionen, entsprechend 111’000 Franken pro beschäftigte Person im Vollzeitäquivalent.

Die Statistik gibt ebenso Auskunft über die Entwicklung der Hypothekaranlagen in Liechtenstein und der Schweiz: Waren es 1993 noch 2,7 Milliarden Franken, beliefen sich diese um die Jahrtausendwende auf 4,5 Milliarden und Ende 2019 waren es 11,1 Milliarden, davon 7,1 Milliarden in Liechtenstein.

Internationale Präsenz
Betrachtet man jedoch die internationale Präsenz der Banken, so ist festzustellen, dass vor allem der Ausbau bei der LGT ein enormes Ausmass aufweist. Es waren in den letzten Jahren primär die asiatischen Märkte, welche zu einem beachtlichen Wachstumskurs beitrugen. An etwa 20 Standorten weltweit haben liechtensteinische Banken Repräsentanzen aufgebaut. Auch die LLB und die VPBank sind international vertreten, während die kleineren Banken nach wie vor den Fokus auf den Standort Liechtenstein richten. Das heisst natürlich nicht, dass diese keine internationale Kundschaft betreuen. Seit jeher war der Bankenplatz international ausgerichtet und damit breit aufgestellt.

Betrachtet man die aktuellen Zahlen der 13 Banken inklusive ausländischer Repräsentanzen betreffend Kundenvermögen, so waren rund 50 Prozent von den etwa 360 Milliarden, also etwa 180 Milliarden, am Platz Liechtenstein verbucht. Beim Nettoneugeldzufluss ist das Verhältnis noch ausgeprägter: Von 17,7 Milliarden Franken (inkl. getätigter Übernahmen) entfielen nur 5,5 Milliarden, also weniger als ein Drittel, auf den Platz Liechtenstein.

Vor allem seit der Jahrtausendwende hat sich das Geschäft massgeblich geändert. Die Internationalität hat dazu beigetragen, dass die ausländischen Aufsichtsbehörden ihre Fühler vermehrt nach Liechtenstein ausstrecken. Obwohl bereits 1996 ein Sorgfaltspflichtgesetz eingeführt wurde, nahm der Druck auf den Platz Liechtenstein und auch die Schweiz enorm zu. Die Globalisierung führte dazu, dass ein internationales «level playing field» gefordert wird. Mit anderen Worten, Liechtenstein und die Schweiz waren gezwungen, immer häufiger internationale Regulierungen zu übernehmen. Liechtenstein konnte im Gegenzug ein neues Netz von Doppelbesteuerungsabkommen aufbauen.

Finanzsektor leistet ca. 50 % an Staatseinnahmen
Für das Land Liechtenstein hat der Finanzdienstleistungssektor insgesamt – und damit natürlich die Banken – eine stets wachsende Bedeutung erlangt. Während der Beitrag der Industrie am Steuereinkommen unseres Landes bei rund einem Drittel liegt, beträgt er beim Finanzsektor mehr als die Hälfte, obwohl in diesem Bereich nur zirka 16 Prozent der Beschäftigten arbeiten.

Der Liechtensteiner Bankenplatz darf als sehr stabil und sicher bezeichnet werden. Die Banken konzentrieren sich auf die Vermögensverwaltung. Das risikoreiche Investmentbanking spielt keine Rolle. Mit einer Tier 1 Capital Ratio von durchschnittlich über 20 Prozent zählen die Liechtensteiner Banken zu den bestfinanzierten in Europa und weltweit. Dazu kommt das Top-Länderrating Liechtensteins als Staat mit AAA, die politische Stabilität und auch die Lage im Herzen Europas. 

Trotz dieser hervorragenden Voraussetzungen wird das Bankengeschäft komplexer und anspruchsvoller. Gerade die historisch internationale Tätigkeit im Finanzsektor sowie die sich in den letzten Jahren stark ändernden Wertvorstellungen gegenüber den Banken und Finanzplätzen tragen dazu bei, dass immer höhere Anforderungen an die Compliance- und Rechtsabteilungen gestellt werden. Die gesetzgeberischen Aktivitäten wie auch die konkrete Umsetzung und Verfolgung durch die Aufsichtsbehörden erfordern die Verarbeitung von komplexen Sachverhalten und die dauernde persönliche Weiterbildung der Mitarbeitenden. Nicht nur die in der Vermögensverwaltung tätigen Bankangestellten müssen stets darauf bedacht sein, allfällige Lücken in den Akten gar nicht entstehen zu lassen, auch die mit der bankinternen Aufsicht betrauten Personen stehen unter enormem Druck. Die Strafverfolgungsbehörden klagen bei Verfehlungen nicht nur die Organisationen an, sondern auch die zuständigen Mitarbeitenden persönlich. Vor allem der Tatbestand der Geldwäscherei wurde laufend erweitert. Er betrifft heute nicht nur Banken und Treuhänder, sondern greift weit in andere Branchen hinein.

Mächtigen Staaten gelingt es Vorteile zu verschaffen
Die dauernd neuen und noch detaillierteren Regulierungen führen dazu, dass die erwähnten Aufsichtsabteilungen in den Banken zunehmend mehr Platz einnehmen. Der Druck auf die Bankmitarbeitenden steigt mit der Komplexität der Materie. Während sich Liechtenstein zu allen Vorgaben verpflichten muss, gelingt es mächtigen Staaten, sich regulatorische Vorteile zu verschaffen. Es gibt daher nicht immer ein «level playing field», wie es gefordert wird, sondern primär einen Wirtschaftskrieg um die besten Plätze.

Ein Blick auf das wirtschaftliche Umfeld lässt befürchten, dass mit der in den vergangenen Jahren äusserst expansiven Geldpolitik ein Fass geöffnet wurde, das kaum mehr zu schliessen ist. Die Staatsverschuldungen haben Ausmasse erreicht, die vor wenigen Jahren kaum denkbar gewesen wären: Japan 205 Prozent des BIP, Griechenland 200 Prozent, USA 130 Prozent des BIP, Frankreich 120 Prozent, Österreich 85 Prozent des BIP, Deutschland 75 Prozent. Nach den Kriterien von Maastricht wären in der EU 60 Prozent als Obergrenze vorgesehen. An solchen Zahlen ist nicht nur das Coronavirus schuld! Die Schweiz bleibt dank Einführung der Schuldenbremse unter 50 Prozent des BIP und Liechtenstein ist einer von ganz wenigen Staaten, die keine Staatsverschuldung kennen.

Es stellt sich die Frage, ob die internationale Politik der Staaten mit exorbitanter Schuldengenerierung und die sehr expansive Geldpolitik der «unabhängigen» Zentralbanken so weitergehen kann. Lange gab es keine Befürchtungen für Inflation, nun war sie das Thema schlechthin an den Börsen, vor allem in den USA. Ökonomen in aller Welt fragen sich, wie diese Geldschwemme und Schuldenpolitik rechtzeitig abgebaut werden können – ohne gravierende Folgen für die Wirtschaft. Während die eine Seite Inflation befürchtet, geht die andere Seite der Meinungen in Richtung noch höherer Steuern für die Finanzierung der Schuldenlast. Für hochverschuldete Staaten ist der Beibehalt von tiefen Zinsen lebensnotwendig geworden, um nur einigermassen vernünftige Budgets vorlegen zu können.

Sparer sind die Leidtagenden
Leidtragend an der ganzen Situation sind Sparer sowie Vermögende. Die Niedrigzinspolitik betrifft somit nicht nur die Banken allgemein, indem deren Zinsdifferenzgeschäfte leiden und damit deren Gewinne, sondern auch alle, die in eine Pensionskasse einzahlen. Einen Ausgleich konnte die Entwicklung der Aktienbörsen bringen. Man muss jedoch sehen, dass die Umwandlungssätze und damit die künftigen Rentenbezüger mit der Tiefzinspolitik stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Immerhin war die Inflation bisher kein Thema. Eine Geldentwertung würde für AHV-Bezüger und andere Rentner ein enormes Problem. 

Aus Sicht der Banken haben die Börsenentwicklungen geholfen, den Einbruch beim Zinsertragsgeschäft abzufedern oder zu kompensieren, je nach Art des Bankgeschäftes. Allerdings ist festzustellen, dass die Margen sinken und die Ausgaben steigen. Daher sollen Nettoneugelder sowie höhere verwaltete Kundenvermögen dazu beitragen, den Gewinn zu steigern oder zumindest zu erhalten. Stichworte: «economy of scales». Bis heute ist das den Liechtensteiner Banken trotz schwierigem Umfeld hervorragend gelungen. Die Roadmap 2025 des Bankenverbands hat sich zum Ziel gesetzt: «Wachstum durch Nachhaltigkeit und Innovation».

Es bleibt zu hoffen, dass dies auch in Zukunft so sein möge – im Interesse von uns allen. Es sei daran erinnert: Der Finanzsektor, der von den Banken massgeblich mitgeprägt wird, trägt mehr als 50 Prozent zu den Steuereinnahmen unseres Landes bei!


Karlheinz Ospelt, lic.oec. HSG

Bartlegroschstr.21, 9490 Vaduz

Geburtsdatum: 11. September 1961

Zivilstand: verheiratet

Präsident der Neue Bank AG von 2010 – 2020

Moderator bei 1FLTV zu wirtschaftlichen Themen

Bürgermeister von Vaduz, 1995 – 2007

Mitglied des VR der AHV / IV /FAK-Anstalten seit Juni 2020