Kleine Anfrage: Mobbing von Schulkindern

Regierungsrätin Dominique Hasler hatte in der Landtagssitzung vom Juni 2021 einige Kleine Anfragen zu beantworten.

Kleine Anfrage des Abg. Seger Daniel an Regierungsrätin Dominique Gantenbein in der Juni-Landtagssitzung

 

Einleitung

Wie eine Pisa-Studie von 2018 aufzeigt, ist mindestens ein Schulkind pro Klasse in der Schweiz in irgendeiner Form von Mobbing betroffen. Auch für Liechtenstein kann nicht ausgeschlossen werden, dass Schulkinder auf unterschiedlichste Arten gemobbt werden.

Gemobbte Kinder leiden psychisch unter der Situation, müssen jedoch trotzdem jeden Tag in die Schule und sich der Situation aussetzen. Oft leiden die Aufmerksamkeit und vor allem die Noten darunter. Regelmässig handelt es sich um direktes Mobbing, genauso oft jedoch um Mobbing über soziale Medien oder indirekt psychisches Mobbing, das besonders schwer nachweisbar ist.

Fragen

  1. Gibt es einen einheitlichen landesweiten Leitfaden bzw. Vorgaben des Schulamtes wie seitens der Schule bei Auftreten eines Mobbingfalles vorzugehen ist?

  2. Welche Sanktionsmöglichkeiten haben Schulen für mobbende, welche Schutzmass-nahmen für gemobbte Schüler und Schülerinnen?

  3. Ab welchem Zeitpunkt werden die Eltern der beteiligten Kinder involviert, in Kenntnis gesetzt und in welcher Form?

  4. Gibt es eine Praxis, wie vorgegangen wird, wenn ein Kind dem psychischen Druck nicht standhält, deshalb die Noten schlechter werden oder sogar unter Umständen den Promotionsschnitt nicht schafft?

  5. Welche Mobbing-Präventionsmassnahmen/-programme gibt es aktuell und konkret in den weiterführenden Schulen?

Beantwortung durch Regierungsrätin
Hasler Dominique

zu Frage 1:

Ja, es gibt zwei Leitfäden, die je nach Stadium des Mobbingfalles angewendet werden. Dies ist in einem frühen Stadium der Leitfaden „Früherkennung und Frühintervention – hinschauen und handeln.“ Dieser bietet eine wichtige Orientierungshilfe für die Schulen. Dieser soll sensibilisieren, auffällige Signale rechtzeitig zu erkennen und frühzeitig zu intervenieren.

Das weitere Vorgehen richtet sich nach dem Leitfaden „Stufenmodell bei herausforderndem Verhalten in den Schulen“. Hier ist das Vorgehen je nach Eskalationsstufen ausgeführt (Wer muss informiert werden? Wer muss beigezogen werden? Was sind mögliche nächste Schritte etc.).

Fachlich unterstützt werden die Schulen in solchen Fällen von der Schulsozialarbeit und dem Schulpsychologischen Dienst, welche an die Bedürfnisse angepasste Angebote durchführen, z.B. in Form von (Klassen-)Interventionen oder Fallberatungen.

zu Frage 2:

Bei Mobbing ist schnelles Handeln im Sinne von Früherkennung und Frühintervention wichtig. Die Hintergründe sind oftmals komplex und Sanktionen beinhalten das Risiko, nur oberflächlich zu wirken. In diesem Sinne wird fallspezifisch mit unterschiedlichen Methoden gearbeitet. Im Vordergrund steht dabei immer der Schutz des Opfers. Es ist wichtig, dass die Lehrperson die Führungsrolle innehat. Die Lehrperson legt in dieser Phase grossen Wert auf die Stärkung des prosozialen Verhaltens. „Worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, wird stärker.“ Sie beugt Grüppchenbildung bewusst vor, indem sie beispielsweise Sitzplatzrotationen vorsieht. Weiters führt sie regelmässige Gesprächs- und Befindlichkeitsrunden in der Klasse durch. Als eine der Interventionsmassnahmen wird mit der Methode des „no blame approach“ gearbeitet. Schuldzuweisungen werden dabei zurückgestellt, um das Opfer zu stärken und zu schützen. Als erstes erfolgt ein Gespräch mit Mobbing-Betroffenen. Im Bedarfsfalle führt der Betroffene für einige Zeit ein Mobbing-Tagebuch. Als nächstes wird eine Unterstützungsgruppe gebildet. Die Täter sind, wie auch die Beobachtenden und Kollegen des Betroffenen, Teilnehmer dieser Unterstützungsgruppe. In dieser Gruppe wird vereinbart, wer was macht, damit es dem Betroffenen besser geht. Ein bis zwei Wochen später folgen Gespräche mit dem Betroffenen einerseits sowie der Unterstützungsgruppe andererseits. Dies wird fortgeführt, bis die Situation zufriedenstellend ist. In periodischen Abständen wird die Situation jeweils überprüft.

Allfällige Sanktionen für die mobbenden Schülerinnen und Schüler sind in Art. 24 der Verordnung über die Organisation der öffentlichen Schulen (SchulOV) aufgeführt. Zudem können abhängig vom Schweregrad auch eine Gefährdungsmeldung beim Amt für Soziale Dienste oder eine Anzeige bei der Landespolizei erstattet werden.

zu Frage 3:

Die Eltern der direkt beteiligten Kinder werden nach Erkennen der Situation umgehend über das Vorgefallene informiert. Dies macht die Klassenlehrperson oder die Schulleitung bzw. die Schulsozialarbeit. Die Eltern des gemobbten Kindes werden insbesondere über die getroffenen Schutzmassnahmen informiert, jene der mobbenden Kinder über mögliche Konsequenzen. Letzteres kann auch schriftlich erfolgen. Das weitere Vorgehen wird mit den Eltern besprochen, ebenso ihre unterstützende Rolle. Das Vorgehen orientiert sich dabei an den bereits aufgeführten Leitfäden. Auch weitere unterrichtende Lehrpersonen werden informiert und bezüglich ihrer Rolle instruiert.

zu Frage 4:

Wenn ein Kind dem psychischen Druck nicht mehr standhält und die Noten schlechter werden, müssen in einem ersten Schritt die Hintergründe beleuchtet und erörtert werden. Dies können beispielsweise eine Scheidung oder Arbeitslosigkeit der Eltern sein. Das Vorgehen orientiert sich wiederum am LeitfadenStufenmodell bei herausforderndem Verhalten in den Schulen“. Die Lehrperson kann diese Schritte selbst umsetzen oder delegieren, z.B. an die Ergänzungslehrperson, Schulsozialarbeit oder den Schulpsychologischen Dienst. Solche erschwerenden Ereignisse können die Lehrpersonen beim Promotionsentscheid zugunsten des Kindes verwenden. Das gilt auch bei Mobbingopfern.

zu Frage 5:

Die Schulen können jeweils selbständig entscheiden, welche Präventionsangebote sie für ihre Schule in Anspruch nehmen wollen. Die Lehrperson kann den Unterricht individuell gestalten oder auf Unterrichtsmaterialien zurückgreifen wie z.B zu den Themen „CyberMobbing“ und „HateSpeech (Hassrede im Netz)“ beim Präventionsprogramm Freelance[1]. Angebote bietet zudem schulintern die Schulsozialarbeit mit Diskussionsgruppen, der Überprüfung von Klassenklimata und -regeln sowie der Methode Kampfesspiele[2]. Schulexterne Angebote bieten beispielsweise das aha Tipps & Infos für junge Leute mit den Workshops zu Themen wie Cybermobbing, Klassenstärkung, Menschenrechte, Stressbewältigung oder auch der Verein kinderschutz.li mit dem Programm „Kinder stark machen“. Es liegt dabei in erster Linie in der Kompetenz der Lehrperson, wie sie die sozialen Lernziele für ihre Klasse umsetzt (Klassenregeln, Respekt, Klassenklima etc.). Über den Liechtensteinischen Lehrplan LiLe wird das Thema Mobbing bzw. der konstruktive Umgang miteinander bereits früh in den Unterricht integriert. Den Lehrpersonen stehen auch Hintergrundinformationen zur Verfügung wie beispielsweise in der Reihe «sicher!gsund!». Dieser Ordner ist eine Gemeinschaftsproduktion des Bildungsdepartements, des Gesundheitsdepartements, des Departements des Innern sowie des Sicherheits- und Justizdepartements des Kantons St. Gallen. Das Thema „Mobbing in der Schule“ bildet darin ein eigenes Kapitel und ist auch auf www.schulsozialarbeit.li/Themen/Mobbing abrufbar.

Die Schulsozialarbeit unterstützt die Lehrpersonen und bietet verschiedenen Formen der Mobbingprävention an, beispielsweise eine Einführung in „Kampfesspiele“. Diese enthalten ein gezieltes Training für einen respektvollen Umgang miteinander.

Des Weiteren gibt es schulexterne Anbieter, welche die Schulen auf Anfrage unterstützen (z.B. Netzwerk, Verein Kinderschutz.li, KIT Liechtenstein).