«Wünsche mir ein etwas moderneres Bildungssystem»

Johannes Kaiser, Landtagsabgeordneter, im Gespräch mit dem sehr engagierten und zielstrebigen Betriebsökonomie-Studenten Kevin Scherrer (21) aus Eschen.

Der 21-jährige Kevin Scherrer aus Eschen befindet sich im sechsten Semester seines Betriebsökonomie-Studiums. Neben seiner akademischen Ausbildung arbeitete er mehrere Jahre in der Finanzbranche. Sehr gerne beschäftigt sich Kevin Scherrer auch in seiner Freizeit vor allem mit wirtschaftlichen und politischen Fragestellungen. Er ist ein sehr interessierter und eloquenter Jugendlicher, der seit Juni 2020 dem Liechtensteiner Jugendrat als Präsident vorsteht. Es ist sehr spannend und interessant, mit Kevin Scherrer diverse Themen zu beleuchten und zu diskutieren.  

Wie erlebst du die Corona-Zeit mit ihren einschneidenden gesellschaftlichen Massnahmen?
Kevin Scherrer:
Ich denke, der Mensch gewöhnt sich schnell an neue Umstände. Natürlich bedingt dies auch immer einen gewissen Verzicht. Ich musste mich ebenfalls an die neuen Gegebenheiten anpassen. Besonders herausfordernd war die Umstellung des Studienbetriebs komplett auf Homeschooling. Auch halten wir aktuell sämtliche Sitzungen des Jugendrats online ab.

In der Bevölkerung sind grosse Kreise beunruhigt und empört, dass Liechtenstein sich nicht bereits Ende 2020/Anfang 2021 für unsere Kleinst-Einwohnerzahl nicht ausreichende Impfstoffe gesichert und erworben hat. Wie siehst du dies?
Der Staat steht in der Pflicht, der Bevölkerung eine umfassende Gesundheitsversorgung zur Verfügung zu stellen. Dies beinhaltet auch die Verfügbarkeit von Medikamenten und Impfstoffen. Dies ist insbesondere für Risikogruppen enorm wichtig. Resümierend möchte ich aber das Krisenmanagement der Regierung und der entsprechenden Stellen auch loben. Eine Lösung, welche für alle passt, ist im politischen Umfeld schwer zu finden.

Gerne wird das Lippenkenntnis gegeben, dass die Jugend sowie deren Ausbildung eine unserer wichtigsten Ressourcen ist. Wird in der Bildung für die Schüler und Jugendlichen in Liechtenstein genug getan oder siehst du Reformbedarf im Bildungssystem?
Persönlich sehe ich die Bildung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen als volkswirtschaftlichen Schlüsselfaktor für ein erfolgreiches Wachstum. Ich wünsche mir jedoch ein etwas moderneres Bildungssystem. Anstelle von starrer Theorie sollte vermehrt praxisbezogen unterrichtet werden. Das Vermitteln von Grundkenntnissen der Wirtschaft und vor allem auch das Aufgreifen und Diskutieren von politischen Themen würde ich zumindest auf Oberstufenniveau sehr begrüssen. Auch bin ich ein grosser Verfechter des dualen Bildungssystems. In diesem Bereich wünschte ich mir eine noch breitere Akzeptanz.

Du bist seit Juni 2020 Präsident des Jugendrates Liechtenstein. Was war der Keim deines politischen Interesses und was bewegt dich als junger Erwachsener, dich politisch zu engagieren?
Mich interessiert, was die Menschen bewegt und was ihre Sorgen und Anliegen sind. Ich finde es wichtig, dass man sich als stimmberechtigte Person auch mit aktuellen politischen Themen auseinandersetzt. Aussagekräftige Wahlresultate können nur erreicht werden, wenn auch die Wahlbeteiligung stimmt. Leider sind Jugendliche und junge Erwachsene noch immer leicht unterrepräsentiert. Dies war sicherlich einer meiner Gründe, beim Jugendrat aktiv zu werden.

Welchen gesellschaftspolitischen Themen sollte sich die Politik deines Erachtens dringend stärker annehmen? Wo erwartest du mehr Mut von den Volksvertretern?
Gesamthaft bin ich mit den aktuellen politischen Aktivitäten im Land zufrieden. Ich bin der Meinung, man sollte ein gut funktionierendes System beibehalten, getreu dem Motto: «Never change a running system». Ich denke jedoch, kleinere Innovationen könnten schon mit etwas mehr Durchsetzungskraft abgehandelt werden. Potenzial sehe ich nach wie vor in der individuellen Mobilität und dem daraus entstandenen Verkehrsproblem. Auch wäre eine stärkere Förderung von alternativen Antriebsformen im individuellen Personenverkehr sicherlich sinnvoll. Bezüglich Corona hoffe ich auf eine baldige Lockerung der Massnahmen, damit der Schaden für die Wirtschaft auch langfristig gut tragbar bleibt.

Wie können die Politikerinnen und Politiker auf Landes- und Gemeindeebene der Jugend eine lautere Stimme geben? Wie kann der Dialog mit den Jugendlichen verstärkt und besser gepflegt werden?
Ich denke, wir haben eine gute Basis, auf der wir aufbauen können. Mit Veranstaltungen, wenn aktuell auch nicht in gewohnter Form, pflegen wir vom Jugendrat regelmässig den Austausch mit Regierungsvertretern und Landtagsabgeordneten. Auch sind wir jederzeit für einen konstruktiven Austausch verfügbar. Interessierte Politikerinnen und Politiker können uns gerne jederzeit direkt anfragen.