Frauenerwerbstätigkeit – facettenreich und herausfordernd

Liechtenstein ist – wie kaum ein anderes – Land auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen. In diesem Kontext ist die relativ niedrige Erwerbstätigenquote der Frauen eine Besonderheit des hiesigen Arbeitsmarktes.

Überraschend und gleichzeitig unerwartet ist der Unterschied zur Schweiz, wo Frauen deutlich öfter erwerbstätig sind. Eine höhere Quote hätte eindeutig verschiedene Vorteile. Andererseits ist es klar eine individuelle Entscheidung, wie jemand ihr oder sein Erwerbs- und Familienleben gestaltet. In unserer Kurzpublikation «Impuls Frauenerwerbstätigkeit» betrachten wir gezielt einzelne volkswirtschaftliche Aspekte rund um dieses facettenreiche Thema.

2019 gingen 69% der Liechtensteinerinnen einer Erwerbstätigkeit nach, in der Schweiz lag die Quote fast 10 Prozentpunkte höher. Dieser Unterschied überrascht und die Gründe dafür sind nicht offensichtlich und schwer zu fassen. Finanzielle Aspekte durch Steuern und Fremdbetreuungskosten dürften weniger entscheidend sein, vielmehr scheint der Wunsch nach der eigenen Betreuung der Kinder eine wesentliche Rolle zu spielen.

Erwerbstätigenquoten 2019 der 20- bis 64-Jährigen in Liechtenstein und in der Schweiz

Quellen: Amt für Statistik, EUROSTAT

Aus einer volkswirtschaftlichen Sicht hätte eine höhere Erwerbsbeteiligung mehrere Vorteile:

Bildung
Die öffentliche Hand finanziert die Bildungsinvestitionen zum überwiegenden Teil. Höhere Erwerbsbeteiligung führt zu einer höheren «Bildungsdividende» und unterstützt die wirtschaftliche Entwicklung.

Verkehr
Wenn Arbeitsplätze durch inländische Arbeitskräfte besetzt werden, reduzieren sich die Menge der gefahrenen Arbeitswegkilometer und die dadurch verursachten externen Kosten.

Wohlstand und Steuern
Das Bruttonationaleinkommen (BNE) pro Kopf steigt an und es steht bei gleich viel Arbeit mehr inländisches Steuersubstrat zur Verfügung.

Demografie
Durch die absehbare demografische Entwicklung wird das Arbeitskräfteangebot in den nächsten Jahrzehnten deutlich schrumpfen. Eine höhere Erwerbsbeteiligung der inländischen Bevölkerung wirkt dieser Verknappung entgegen.

Eine grobe Schätzung zeigt, dass in Liechtenstein 600 bis 700 Vollzeitstellen besetzt werden könnten, wenn die Liechtensteinerinnen im gleichen Ausmass erwerbstätig wären wie ihre Schweizer Nachbarinnen. Damit wird auch deutlich, dass trotz der aufgezeigten Vorteile die liechtensteinische Wirtschaft mit ihren über 20’000 Grenzgängerinnen und Grenzgängern auf das ausländische Arbeitskräftepotenzial angewiesen ist.

Erwerbstätigenquoten 2019 der 20- bis 64-Jährigen in Liechtenstein nach Geschlecht und Alterskategorien

Quellen: Amt für Statistik

Die Differenz in der Erwerbstätigenquote zwischen Frauen und Männern besteht in allen Altersklassen und ist auch unabhängig vom Bildungsniveau. Die unterschiedlichen Kurvenverläufe sind zudem ein starkes Indiz dafür, dass die Familiengründung und die anschliessende Kinderbetreuung bei vielen Frauen zu einem Ausstieg aus dem Erwerbsleben führt. Wenn später wieder ein Eintritt ins Berufsleben erfolgt, dann oft in Teilzeit. Daten zur Rollenverteilung in Paarhaushalten unterstreichen dieses Bild:

Erwerbstätigkeit 2015 in Paarhaushalten mit dem jüngsten Kind unter sechs Jahren (2015)

Quelle: Amt für Statistik

Die auch in Liechtenstein als EWR-Staat anstehende Einführung eines bezahlten Elternurlaubs kann sich für diejenige, die ihr Kind in den ersten Monaten selbst betreuen möchten und trotzdem im Beruf bleiben wollen, positiv auswirken. Auch dürfte sich die Gleichstellung am Arbeitsmarkt verbessern. Wichtig ist aus Sicht von Zukunft.li, dass der Eingriff in einen grundsätzlich funktionierenden Arbeitsmarkt so erfolgt, dass möglichst hoher volkswirtschaftlicher Nutzen erzielt und die Chancengleichheit verbessert wird. Zu weit gehende Regelungen können ansonsten mehr schaden als sie nützen.

Aufgrund der angesprochenen Ausdünnung des Arbeitskräfteangebots liegt es eindeutig im Interesse der Arbeitgeber, sich familienfreundlich aufzustellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dazu gehört, dass sich teilzeitwillige Männer nicht mehr mit Nachteilen und Karriereeinbussen konfrontiert sehen, und die Wirtschaft auch Wiedereinstiegsmöglichkeiten nach einer Familienpause bietet.