Auf (beinahe) direktem Weg vom Bier zum iPhone

Wenn Mandy Quaderer die geschäftlichen Aspekte seiner Familiengeschichte erzählt, ist dies nicht nur spannend, sondern auch in sich schlüssig. Dennoch bedurfte es einiger Zwischenschritte von der Bierbrauerei Quaderer zur Quaderer Autoelektrik 180 Jahre später. Diese Zwischenschritte führten über einen vereisten Weiher auf der heutigen «Rheinwiese», technischen Problemen bei LKWs bis hin zu klobigen Autotelefonen und modernen Smartphones. 

Zum ersten Mal wurde in Liechtenstein um 1810 herum gewerblich Bier gebraut. Der Absatz war in der damaligen Most- und Weinregion jedoch zu gering, um gewinnbringend zu sein. Ersten wirtschaftlichen Erfolg hatte Baptist Quaderer (1810 – 1875) ab dem Jahr 1841. Er und seine Nachkommen brauten das Quaderer-Bier bis 1917 als der Erste Weltkrieg in seinem dritten Jahr dazu führte, dass die Ressourcen an Hopfen und Malz zu knapp und aus dem kriegführenden Österreich-Ungarn nicht mehr nach Liechtenstein geliefert wurden. Dazwischen lag jedoch eine lange Blütezeit des Schaaner Biers, das bereits lange vor der Elektrifizierung und Automatisierung mit allerlei technischen Finessen hergestellt und gekühlt wurde. Baptists Sohn Karl Rudolf (1848 – 1896) jedenfalls investierte viel in die Infrastruktur der kleinen Brauerei an der Feldkircher Strasse, betrieb das Brauen im Gegensatz zu seinem Vater bereits hauptberuflich und verhalf dem Familienunternehmen zum eigentlichen Durchbruch.

Gesünder als Branntwein und Kaffee
Der Absatz des Biers lief auf verschiedenen Kanälen und offenbar so erfolgreich, dass Karl Rudolf sich 1880 entschloss, das Brauereigasthaus Quaderer zu eröffnen. In einer Zeitungsanzeige im «Volksblatt» kündigte er an, dass zur Eröffnung am 1. Februar die Schaaner Musik, damals gerade zwölf Jahre alt, und die Sängergesellschaft ihre Darbietungen zum Besten geben würden. Ausserdem werde er Bier künftig nicht nur im Wirtshaus und in der Brauerei verkaufen, sondern auch auf Achse, also zu den Kunden nach Hause oder in andere Gasthäuser liefern. Darüber hinaus ergingen in den 1890er-Jahren Gesuche an die Regierung, das Bier über zwei Verkaufsstellen im Industriequartier Mühleholz vertreiben zu dürfen. Ihnen wurde stattgegeben. Offenbar hatte Karl Rudolf Quaderers Argumentation zu überzeugen vermocht: Die Fabrikarbeiter sollten gesundes Bier trinken anstatt Branntwein und «Fabrikerkaffee».

Besonders gross war der Absatz aber natürlich im Gasthaus, dem späteren «Bierkeller» und bis 1984 bestehenden «Bierhüsle». Geselligkeit wurde dort im 19. Jahrhundert schon grossgeschrieben. So beispielsweise beim Kegeln, bei dem es 100 Franken in Gold zu gewinnen gab. «In der gleichen Zeitungsausgabe, in der das Kegeln beworben wird, stand auch ein Inserat für eine Schiffspassage nach Amerika zum Preis von 135 Franken», sagt Mandy Quaderer und lacht. Er hat das Gebäude, in dem seine Vorfahren während Jahrzehnten gewirtet haben, vor einigen Jahren zurückerstanden und soweit als möglich in den Ursprungszustand zurückversetzt – und die Arbeit geht ihm nicht aus. Mandy
schätzt die Symbiose von altem Look mit neuer Technik und so befasst er sich intensiv mit der Familiengeschichte, während er das «Bierhüsle» Schritt für Schritt auf Vordermann bringt.

«Wähle 1 für ‹Bierhüsle›»
Mandy Quaderer hat zahlreiche Gegenstände aus der Brauereivergangenheit seiner Familie gesammelt und diese Geschichte auch mit Dutzenden Zeitungsanzeigen und Dokumenten aus dem Landesarchiv zum Leben rund um das Gasthaus Quaderer, das «Bierhüsle» oder den «Bierkeller» illustriert. So finden sich in den Landeszeitungen zahlreiche Inserate. Zu den meisten davon weiss Mandy Quaderer auch die eine oder andere Anekdote zu erzählen – von der Telefonnummer 1, die das Restaurant Anfang des 20. Jahrhunderts hatte, bis hin zur Zauber-Soirée des Jahres 1895 im Garten des «Bierkellers». Mandy Quaderer erklärt dazu mit einem Schmunzeln auf den Lippen: «Ich bin sicher der künstlerisch unbegabteste Mensch, der sich weit und breit finden lässt – und damit in meiner Familie nicht alleine. Einer meiner Söhne ist aber begeisterter Zauberer und hat in seiner Show die vielfältigsten Kartentricks auf Lager. Ich habe mich immer gefragt, woher er das haben könnte. Bis ich das Inserat entdeckt habe.»

Aus den Zeitungsanzeigen wird ausserdem klar, dass im «Bierhüsle» Bockbier-Ausschänke oder Tanzveranstaltungen stattfanden. Der Biertreber wurde darüber hinaus an Landwirte als Futter für Rinder und Schweine verkauft, und die Quaderers boten Gerstensamen zum Kauf an, veräusserten aber auch Fässer sowie Brennhäfen. 

Eisgekühltes Bier im Hochsommer
Selbst wenn die damaligen Zeitgenossen und Biertrinker vermutlich weniger anspruchsvoll waren als ihre Nachfolger in der Gegenwart, konnten auch sie warmes Bier offenbar nicht ausstehen. Baptist Quaderer hatte bereits eine Lösung mit dem Eiskeller unter seinem Brauereigebäude gefunden. Das Geschäft lief aber so gut, dass ein zweiter unter dem angrenzenden Gasthaus nötig wurde, den Karl Rudolf 1885 in Angriff nahm. «Zwischen beiden gibt es eine unterirdische Verbindung, wie wir bei den Renovationsarbeiten festgestellt haben», sagt Mandy Quaderer.

Unter den beiden Gebäuden entstand demnach gegen Ende des 19. Jahrhunderts in mehreren Geschossen bis in eine Tiefe von 14 Metern ein in Liechtenstein einzigartiger, grossdimensionierter, tonnenüberwölbter Lager- und Eiskeller für die Bierlagerung. Die doppelwandigen Aussenmauern des Kellers konnten mit Eisklötzen zur kühlen Lagerung des Bieres befüllt werden. Ohne Eis nützt aber der beste Eiskeller nichts. So kamen Karl Rudolf Quaderer und sein Sohn und Nachfolger Rudolf (1877 – 1940) auf innovative Lösungen. Einerseits wurden im Winter Eisblöcke aus «Bierwörts Weiher», gelegen bei der heutigen Schaaner Sportanlage Rheinwiese, herausgeschnitten und in die Keller transportiert. Andererseits verfügte das Gasthaus über eine Vorrichtung, die Wasser auf Metallrohre sprühte, an denen es dann bei entsprechenden Aussentemperaturen gefror und das Eis gewonnen werden konnte. So oder so hatte das Gasthaus jedes Jahr bis im September oder sogar in den Oktober hinein eisgekühltes Bier zum Ausschenken, bevor es draussen dann ohnehin wieder kalt wurde. «Bis heute steigt die Temperatur im Keller auch im Sommer nicht auf über 14 Grad an», sagt Mandy Quaderer.

«Wir schauen heute deine Lehrstelle an»
Nach dem kriegsbedingten Ende des Bierbrauens übernahm die Familie Wanger das Gasthaus und die Familie Quaderer beschränkte sich auf das Führen eines Haldengut-Depots und das Ausliefern des Biers an ihre Kunden. «Doch dann kam wieder alles anders», sagt Mandy Quaderer. «Mein Vater ging aufs Gymnasium. Mein Grossvater hatte aber regelmässig technische Schwierigkeiten mit seinen Lastwagen. So sagte er eines Mittwochmittags zu meinem damals 14-jährigen Vater, der gerade von der Schule nach Hause gekommen war: ‹Hermann, heute Nachmittag gehen wir deine Lehrstelle als Autoelektriker anschauen›.» Nach Abschluss der Lehre fuhr «Hermy» Quaderer vormittags Bier aus und reparierte nachmittags die väterlichen Lastwagen und Fahrzeuge aller Art für Freunde und Bekannte, später auch für die Landesverwaltung. «Das Geschäft mit den Reparaturen ist so rasch gewachsen, dass bald die Gründung einer Firma nötig war», sagt Mandy Quaderer.

Als zu Beginn der 1980er-Jahre dann die ersten Autotelefone aufkamen, war es gang und gäbe, dass Werkstätten diese auch einbauten. Der Schritt zur Telekommunikation für die Firma Autoelektrik Quaderer war getan. Bis heute repariert das Unternehmen Fahrzeuge aller Marken und bietet auch Service-Arbeiten an. Bekannt ist es inzwischen aber ebenfalls für den Verkauf von Mobiltelefonen sowie die Beratung und die Unterstützung bei Vertragsabschlüssen. «Wir sind einer von lediglich vier Betrieben in Liechtenstein und der Schweiz, welche die alte Verbindung von Mobiltelefonie und Autogarage noch aufrechterhalten», sagt Mandy Quaderer. Er ergänzt: «Aber vermutlich der einzige, der als Brauerei begonnen hat.»

Der Urgrossvater von Mandy Quaderer, Rudolf Quaderer, war der letzte professionelle Bierbrauer der Familie. Die Aufnahme zeigt ihn zusammen mit seiner Frau Amalie sowie den Kindern Otto, Hermann, Hilda und Erwin.

Brauerei Nummer 878
Endgültig schliesst sich der Kreis durch Mandy Quaderers Hobby: das Bierbrauen. «Ich war eher Weintrinker, aber als ich begonnen habe, mich mit der Familiengeschichte zu beschäftigen, ist mein Interesse am Brauen gestiegen. Vor zehn oder zwölf Jahren habe ich dann eine kleine Brauanlage entdeckt. Ich wollte es selbst ausprobieren. Meine Frau hat dann gefragt, wo ich das machen will. Auf meine Antwort ‹in der Waschküche› hat sie herzhaft gelacht und mir erklärt, dass sie diese mit fünf damals noch relativ kleinen Kindern jeden Tag brauche.» Platz gefunden hat Mandy Quaderer dann schliesslich nach dem Erwerb des «Bierhüsles». Inzwischen braut er 600 bis 700 Liter pro Jahr und ist als Brauerei bei der Eidgenössischen Zollverwaltung registriert. «Ab 200 Litern pro Jahr ist das Vorschrift. Und die Zahl der Brauereien wächst. Die älteste noch existierende Schweizer Brauerei, Feldschlösschen, hat die Registernummer 1. Das Liechtensteiner Brauhaus, 2007 gegründet, hat die Nummer 282. Ich habe 2015 bereits die Nummer 878 bekommen. Dies zeigt, dass die Biervielfalt wieder steigt, was ich wirklich toll finde. Denn es steckt auch viel Arbeit dahinter. Heute weiss ich Bier weit mehr zu schätzen als früher – und einen Rest im Glas lasse ich nie mehr übrig, seit mir bewusst ist, wie viel Aufwand es ist, Bier herzustellen.»

Darüber hinaus hat Mandy noch ein weiteres Ziel erreicht: Er konnte seine Kinder und die ganze Familie für die Familiengeschichte begeistern. Seine Söhne Dominik und Matthias helfen ihm oft beim Brauen, genau wie sein Vater Hermy und Bruder Sascha. Mandys Frau Alice betreibt im selben Gebäude einen Laden für Brautmode.