«Der Wald zeigt, ob die Jagd stimmt»

Martin Seger, Präsident Ökologischer Jagdverein

Der Ökologische Jagdverein (ÖJV) steht für eine Jagd, die von der Achtung gegenüber den Wildtieren sowie dem Respekt vor den Belangen des Grundeigentums und der Gesellschaft geprägt ist. Präsident Martin Seger gibt Auskunft darüber, wie diese Ziele erreicht werden sollen und welche Widererstände er erlebt.

Wie sind Sie zur Jagd gekommen?
Martin Seger: Ich war viele Jahre Sportschütze, bin mitten im Jagdgebiet des Schaaner Riets aufgewachsen und Hirschhalter, so wurde mein Interesse an der Jagd geweckt. Als ich bemerkte, dass nahezu vier Jahrzehnte fast dieselben Jäger aktiv waren bzw. sind, begann ich das System und den Zugang zur Jagd zu hinterfragen. 

Was möchten Sie damit sagen?
In Liechtenstein gibt es zwischen 300 und 400 Personen, welche die Jagdprüfung abgelegt haben. Natürlich möchten nicht alle aktiv auf die Jagd gehen, aber sicher ein wesentlich grösserer Teil als die stets fast identischen 100 Personen, die an einer Jagdpacht beteiligt sind. Da eine Jagdpacht auch noch für neun Jahre ausgeschrieben ist, kommt das einer Besitzstandswahrung gleich. Dagegen ist vielleicht an sich noch nicht viel zu sagen. Allerdings haben diese 100 Jäger die vorgegebenen Abschusszahlen des Öfteren nicht erreicht. Warum also nicht das Potenzial der übrigen jagdwilligen freiwilligen Jägerinnen und Jäger nutzen?

Die Teilrevision des Jagdgesetzes geht in eine andere Richtung. Staatliche Wildhüter sollen die Abschusszahlen erhöhen. Wie steht der ÖJV dazu?
Wir unterstützen die Teilrevision in grossen Teilen. Was wir aber wirklich benötigen, ist eine Totalrevision des Jagdgesetzes von 1962. Damals waren wir in einer gänzlich anderen Situation. Die Schalenwildbestände waren sehr niedrig, und das Rotwild war beinahe ausgerottet. Das Ziel des Gesetzes war es also, die Bestände des Schalenwilds wieder zu erhöhen. Dieses Ziel wurde mehr als nur erreicht und eine rechtzeitige Korrektur verpasst. Heute benötigen wir kein Hegegesetz mehr, sondern ein Wildtiermanagement. Die Bestände von Kulturfolgern wie Rehwild und Rotwild steigen stetig, Kulturverlierer wie Raufusshühner oder Feldhasen usw. nehmen stark ab. Zudem wandern Tierarten wie der Marderhund, Waschbär etc. ein. Auf diese Entwicklungen muss ein modernes Jagdgesetz Antworten geben. Das alte Jagdgesetz mit Platz für 100 aktive Jäger wurde übrigens auch zu einer Zeit in Kraft gesetzt, als Liechtenstein rund 16’000 Einwohner hatte. Bekanntlich hat sich die Bevölkerung fast um den Faktor 2,5 erhöht. Grundsätzlich sind freiwillige Jäger unabdingbar, um den gesetzlichen Auftrag der Jagd zu erfüllen, mit oder ohne Wildhüter.

Die Ausweitung der Jag auf mehr Jäger ist gerade einer der Knackpunkte. Schliesslich regt sich schon gegen die vier Wildhüter grosser Widerstand. Was schlagen Sie vor?
Wir schlagen vor, dass der Grundbesitzer die Entscheidung trifft, wer auf seinem Gebiet jagt und dafür die Verantwortung als Verpächter trägt. Das Land, aber auf Amtsebene, sagt, was, wie und wann gejagt wird. Das wäre die Lösung des konfliktgeladenen Gordischen Knotens, der Dreiecksbeziehung Regierung-Grundbesitzer-Jäger sprich Vermieter-Eigentümer-Mieter.

Auch über das Wie der Jagd wird immer wieder diskutiert. Einsprunggatter, Nachtjagd, Drückjagd … Was ist Ihr Vorschlag?
Wir sind der Überzeugung, dass mehr Leute in einer kürzeren Zeit jagen sollten. Dies würde die Wildtiere weniger stören und längerfristig zu höheren Abschusszahlen führen. Das deckt sich auch mit den Positionspapieren des Naturschutzbunds Deutschland, des Schweizerischen Tierschutzes sowie der CIPRA International. Ebenfalls unterstützen wir den Schiessnachweis, wie er vom Tierschutz gefordert wird. Nur zu grotesk ist es, wenn in Leserbriefen Schiesstraining und Schiessnachweise von sogenannten «jadkundigen Jägern» ins Lächerliche gezogen werden. Es ist nachgewiesen, dass in es Kantonen oder Bundesländern, in denen dies eingeführt wurde, zu markant weniger Nachsuchen und somit Tierleid kam und kommt. 

Trotz allem stehen Sie nicht unbedingt selten öffentlich in der Kritik. In Leserbriefen werden Sie zum Teil recht deutlich angegriffen.
Interessant ist ja, dass die selbsternannten «Anwälte der Wildtiere», die für Ethik und Moral plädieren, nicht einmal das Mindestmass an Respekt gegenüber Andersdenkenden an den Tag legen. Jeder, der für Veränderung einsteht, wird zur Zielscheibe. Leserbriefe sind nur die Spitze des Eisbergs. In den sozialen Medien wird man gerne auch «zum Abschuss freigegeben». Es geht aber nicht nur gegen Andersdenkende. Es ist wohl einzigartig im Bereich der Jagd, dass sich Pächter von fünf Revieren weigern können, den Erlass der Jagdzeitverlängerung von der Regierung umzusetzen und dies ohne Folgen bleibt. Dass der Schriftführer dieser Gruppe dann auch noch Einsitz im Jagdbeirat als Berater der Regierung hat, macht den «Bock zum Gärtner». Dass eine sachliche Lösungsfindung in dieser Konstellation schwierig ist, ist somit nicht verwunderlich.