Historischer Abstimmungssonntag steht bevor

Was in der Schweiz mit bis zu vier Abstimmungsterminen pro Jahr und teilweise mehreren Vorlagen pro Termin politischer Alltag ist, ist in Liechtenstein eine Seltenheit: Am 30. August befinden die Stimmberechtigten erstmals über gleich drei Vorlagen.

Neun Mal wurden die Liechtensteiner Stimmbürger zwischen 2011 und 2019 zu Abstimmungen an die Urne gebeten. Drei Abstimmungen an einem einzigen Tag hat es bisher in Liechtenstein jedoch noch nie gegeben, wie Wilfried Marxer, Forschungsleiter Politik im Liechtenstein-Institut, im Juni gegenüber Radio L betonte. Ganz anders ist die Situation in der Schweiz, wo im gleichen Zeitraum über 75 Vorlagen befunden worden ist. Es mag an dieser vergleichsweisen Flut liegen, dass das Interesse an einer Teilnahme und damit die Stimmbeteiligung in der Schweiz – beispielsweise im vergangenen Jahr mit durchschnittlich 41,8 Prozent – deutlich tiefer liegen als in Liechtenstein. Dort betrug sie bei der vorletzten, vergleichsweise unbedeutenden Abstimmung zur Finanzierung der Tour de Ski fast 70 Prozent. Bei der im Vorfeld intensiv diskutierten Abstimmung zum Neubau des Landesspitals lag sie mit 72,7 Prozent jedoch nur unwesentlich höher.

Emotionale Themen stehen zur Abstimmung
Wenn nun, kurz nach der Sommerpause, über das seit Jahren und besonders seit dem positiven Landtagsentscheid Anfang Juni emotional diskutierte Thema S-Bahn und die zumindest vor der Corona-Pandemie medial recht präsente Initiative HalbeHalbe abgestimmt wird, könnte eine etwas höhere Stimmbeteiligung zu erwarten sein. Davon dürfte vermutlich – wenigstens diesbezüglich – auch die Vorlage zur doppelten Staatsbürgerschaft für Staatsangehörige aus EWR-Mitgliedsländern und der Schweiz profitieren.

Besondere Umstände wegen Corona
Zwei weitere Umstände machen das Abstimmungswochenende zu etwas Besonderem: Dass die Meinungsbildung über die Sommerpause stattfinden musste, ist im Fall von HalbeHalbe und der doppelten Staatsbürgerschaft der Corona-Pandemie geschuldet, die zu einer Verschiebung des Termins vom 7. Juni geführt hat. Eine umfassende Meinungsbildung sei unter anderem aufgrund des Versammlungsverborts seit Mitte März nicht möglich gewesen, hatte die Regierung die Verschiebung begründet. Bei der S-Bahn liegt der Termin an den gesetzlichen Fristen in Bezug auf die Ansetzung einer Abstimmung durch den Landtag.

Besonders macht das Coronavirus aber auch die Umstände der Urnenwahl, bei der die Distanzmassnahmen zwischen den – zugegebenermassen wenigen – Stimmberechtigten, die ihr Votum persönlich einlegen, untereinander und zu den Wahlkommissionsmitgliedern eingehalten werden müssen. Geschützt werden müssen auch die Kommissionsmitglieder selbst beim Auszählen der Stimmen. 

Spannung garantiert
Für Spannung und weitere emotionale Diskussionen dürfte in den kommenden drei Wochen bis zum Abstimmungswochenende auf jeden Fall noch genügend Stoff vorhanden sein. Prognosen zu den Resultaten sind daher schwierig. Insbesondere im Fall der S-Bahn Liechtenstein könnte es aber zu einem knappen Ergebnis kommen und auch die beiden anderen Vorlagen versprechen Spannung. Um den Stimmberechtigten ihre Entscheidung zu erleichtern, findet sich auf den kommenden Seiten eine Reihe von Informationen zu allen drei Themen und einige der Protagonisten kommen zu Wort.