Korruptionskriminalität und zum anonymen Hinweissystem der Landespolizei

Regierungsrätin Dominique Hasler

Kleine Anfrage des Abg. Günter Vogt an Regierungsrätin Dominique Hasler

 

Gemäss einer Pressemitteilung der Landespolizei wurde diese am Ende des letzten Jahres von der Regierung beauftragt, ein anonymes Hinweisgebersystem zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und Korruption einzuführen. Dieses System steht nun per sofort zur Verfügung und soll den Strafverfolgungsbehörden künftig eine noch raschere Aufdeckung von Wirtschafts- und Korruptionsdelikten ermöglichen.

 

Bereits heute erhalten die Landespolizei und die Staatsanwaltschaft anonyme Hinweise oder Anzeigen aus der Bevölkerung. Durch solche Informationen leisten die Hinweisgeber einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Rechtsstaates, indem sie kriminelles Verhalten aufdecken helfen. Die Überprüfung oder Einschätzung der Ernsthaftigkeit und Seriosität solcher Hinweise ist jedoch ausgesprochen schwierig. Dies ändert sich mit dem neuen Hinweisgebersystem, da die Landespolizei mit dem Hinweisgeber kommunizieren und dadurch die Begründetheit des geäusserten Verdachts verifizieren könne. Die Einführung dieses anonymen Hinweisgebersystems bei der Landespolizei sei eine wichtige Massnahme zur Bekämpfung dieses für Wirtschaft und Staat höchst gefährlichen Kriminalitätsphänomens.

Dieses Hinweisgebersystem wurde eingeführt ohne die betroffenen Institutionen zu informieren, und dieses kann aus rechtsstaatlichen Gründen auch durchaus kritisch betrachtet werden. Dazu meine Fragen:

Fragen

  1. Whistleblowing als Verletzung der Loyalität wird dieses Verhalten insbesondere in den deutschsprachigen Medien auch negativ wahrgenommen und als Denunziation bezeichnet. Wieso wurden die betroffenen Verbände nicht in einem ordentlichen Rahmen informiert?
  1. Die Paragrafen 112, „Verleumdung“, 117, „üble Nachrede“, 297, „falsche Verdächtigung“, werden damit durch diese Anonymisierung faktisch ausgehebelt. Wie sieht die Regierung den Eingriff in diese Rechtsphäre?
  1. Ungerechte Verdächtigungen, Rufschädigungen können weitreichende Folgen aufweisen. Welchen kriminalistischen Ertrag erwartet die Regierung durch die Einführung eines solchen Systems?
  1. Whistleblowing ist nicht immer nur eine Art der Zivilcourage. Es kann auch als eigennütziges Handeln und nicht zum Wohle der Allgemeinheit missbraucht werden. Zum Beispiel von einer Einzelperson aus dem subjektiven Gefühl heraus, ungerecht behandelt worden zu sein (etwa aus Enttäuschung, weil man bei der Beförderung übergangen worden ist, oder als Unternehmen aus Wut, weil man bei einer Auftragsvergabe nicht berücksichtigt wurde). Wie plant die Regierung einen solchen Missbrauch zu verhindern?
  1. Diese uneingeschränkte Anonymität des Hinweisgebersystems wird infrage gestellt und ich bitte auszuführen, wie eine gewisse Identifizierung in einem solchen geschlossenen Postkasten trotzdem vorstellbar  und der Hinweisgeber geschützt wäre?

 

Antwort:

zu Frage 1:

Anonyme Hinweise, die an die Landespolizei oder die Justiz gerichtet werden, sind ein alltägliches Phänomen. Die Strafprozessordnung enthält daher Bestimmungen, wie mit anonymen Hinweisen auf strafbare Handlungen umzugehen ist (vgl. § 56 Abs. 2 StPO): Anonyme Hinweise, welche glaubwürdige Angaben zu einer strafbaren Handlung aufweisen, sind durch die Strafverfolgungsbehörden abzuklären, wobei diese unter «Vermeidung allen Aufsehens und mit möglichster Schonung der Ehre der beschuldigten Person» vorzugehen haben.

Das Hinweisgebersystem stellt somit lediglich ein technisches Hilfsmittel dar, um diesem gesetzlichen Auftrag besser nachkommen zu können. Denn das System erlaubt die Kommunikation mit dem anonymen Hinweisgeber und ermöglicht so rasch eine Klärung, ob es sich um einen seriösen Hinweis handelt. Falls dem nicht so ist, so wird der Hinweis nicht weiterverfolgt und führt zu keinen Untersuchungshandlungen. Da es sich bei der Einführung des Hinweisgebersystems um eine technische Massnahme zur Optimierung der Handhabung von anonymen Hinweisen an die Strafverfolgungsbehörden handelt und keine gesetzlichen Anpassungen erforderlich waren, war geplant mit einer Pressekonferenz zusammen mit der Landespolizei und der Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit über das Hinweisgebersystem zu informieren und auf alle Fragen einzugehen. Aufgrund der aufkommenden COVID-Pandemie musste diese leider abgesagt werden, weshalb schliesslich mittels Presseaussendung informiert werden musste.

Zu Frage 2:

Unabhängig davon, in welcher Form die Strafbehörden vom Verdacht einer strafbaren Handlung erfahren, haben die Landespolizei gemäss §10 StPO und die Staatsanwaltschaft gemäss §21 StPO dem Hinweis nachzugehen. Dabei ist es unerheblich, ob die Hinweise in der Form von anonymen Schreiben, Faxnachrichten, E-Mails oder Mitteilungen auf Internetseiten erfolgen. Das bei der Landespolizei eingerichtete Hinweisgebersystem stellt lediglich eine alternative Möglichkeit zur Meldung eines strafrechtlich relevanten Sachverhalts dar. Die zitierten Tatbestände gelten weiterhin uneingeschränkt.

Dass der Hinweisgeber nicht ausgeforscht werden kann, ist systemimmanent und gewollt. Es ist richtig, dass eine auf diesem Weg begangene Verleumdung unter Umständen nicht verfolgt werden kann. Letztlich ist das Interesse, an Wissen zu gelangen, welches zur Aufklärung von schweren Straftraten führt, höher zu gewichten. Die Erfahrungen im Ausland zeigen zudem, dass es kaum zu verleumderischen Anzeigen kommt und dass in den wenigen Fällen, in denen substanzlose Anschwärzungen erfolgen, diese leicht erkennbar sind.

Zu Frage 3:

Die Möglichkeit zur anonymen Übermittlung von Hinweisen auf Missstände wird als ein wichtiges Instrument zur Aufdeckung von Korruptions- und Wirtschaftsdelikten, insbesondere bei strafbaren Handlungen, die von abgeschotteten und konspirativen Täterkreisen, Geheimhaltung und wechselseitigen Abhängigkeiten sowie (bei Korruption) vom Fehlen konkreter Opfer gekennzeichnet sind, erachtet. Der Schutz der Hinweisgeber ist eine Grundvoraussetzung für die Aufdeckung von entsprechenden Delikten. Zahlreiche Staaten, darunter auch Österreich, kennt diese technische Möglichkeit der anonymen Anzeigenerstattung bereits seit vielen Jahren. Die EU will den Schutz von Hinweisgebern auf ein EU-weit einheitliches Niveau heben und auch international wird es als eine bewährte Methode angesehen.

Einer raschen Aufdeckung und konsequenten Strafverfolgung von Wirtschafts- und Korruptionsdelikten misst die Regierung einen hohen Stellenwert bei. Wirtschaftsdelikte verfügen über ein erhebliches ökonomisches Schadenspotential. Sie schaden dem Wettbewerb, verhindern wirtschaftliche Entwicklungen, verursachen enorme finanzielle Schäden, die für Opfer existenzielle Konsequenzen haben können. Überdies schaden sie dem Ansehen unseres Landes und dem Werk- und Finanzplatz Liechtensteins massiv. Dasselbe gilt auch für die Korruption.

Zu Frage 4:

Das System dient ausschliesslich zur Aufdeckung von Korruptions- und Wirtschaftsdelikten. Anonyme Hinweise werden auch künftig – wie heute bereits – mit der gebotenen Zurückhaltung beurteilt werden. Sind sie pauschal, substanzlos oder unschlüssig führen sie weder zu Ermittlungen, noch zu Grundrechtseingriffen oder zu der befürchteten Rufschädigung.

Zu Frage 5:

Im System werden keine IP-Adressdaten, Zeitstempel oder sonstige Metadaten protokolliert. Das System wurde mehrfach in den Bereichen des Schutzes der Anonymität des Hinweisgebers und der Datenverschlüsselung zertifiziert. Hinweisgeber müssen aber damit rechnen und werden auch darüber informiert, dass allenfalls auf Grund der von ihnen selbst gegebenen Informationen auf ihre Identität geschlossen werden kann.