Die Einführung einer bezahlten Elternzeit wird auch in Liechtenstein nur noch eine Frage der Zeit sein. Wie wichtig diese für unsere Gesellschaft ist, hat S.D. Erbrprinz Alois von und zu Liechtenstein bereits in seinem Neujahrsinterview sowie in der Thronrede erklärt. Die Lie:Zeit hat nochmals nachgehakt.
Viele Eltern und auch Entwicklungsexperten sind überzeugt davon, dass ein bezahlter Elternurlaub eine Investition ist, die sich langfristig mehrfach bezahlt macht. Erkenntnisse aus Forschungen zeigen, dass tragfähige Beziehungen des Kindes zu seinen allerengsten Bezugspersonen in den ersten Lebensjahren eine wesentliche Voraussetzung für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung und eine funktionierende Bildung sind. Besonders entscheidend für eine intakte Bindung ist dabei das erste Lebensjahr. Zufriedene Eltern und ihre Kinder bilden ein starkes Fundament unserer Gesellschaft – heute, wie auch in Zukunft. Somit sollte eine bezahlte Elternzeit im Interesse von allen sein. Leider sind viele Eltern in Liechtenstein aus finanziellen Gründen dazu gezwungen, ihre Kinder früh ausserhäuslich betreuen zu lassen. Eine zu frühe und zu häufige Fremdbetreuung (viele Stunden täglich) kann sich nachteilig auswirken. Kleine Kinder brauchen ihre Eltern – und umgekehrt.
Eltern-Kind-Bindung lässt sich nicht auslagern
Denn die so wertvolle Eltern-Kind-Beziehung lässt sich nicht einfach auslagern. Gleichzeitig sollte die so wertvolle Betreuungs-Arbeit zuhause entsprechend Wertschätzung erfahren und honoriert werden.
Diesem Thema wurde bereits in der Studie «Frühe Kindheit in Liechtenstein» der Sophie von Liechtenstein Stiftung aufgegriffen, welche die Elternzeit als Investition in die Zukunft der Kinder und der Gesellschaft Liechtensteins sieht. Diese Investition lässt sich auch beziffern. Laut Ökonom James Heckman bringt jeder in die frühe Prävention investierte Franken einen Return on Invest von 1:8 bis 1:16 durch die langfristige Senkung der Gesundheits- und Sozialkosten oder durch die erfolgreichen Berufswege der Unterstützten.
Durchlauchter Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein, sowohl im Neujahrsinterview auf 1 FLTV sowie auch in der Thronrede im Januar im Landtag haben viele Eltern die wertvollen Worte von Ihnen bezüglich einer bezahlter Elternzeit nach der Geburt eines Kindes gehört. Es gibt bereits die Möglichkeit auf eine 4-monatige Elternzeit gemäss Gesetz, jedoch ist diese unbezahlt und wird nicht in jedem Fall diskussionslos vom Arbeitnehmer genehmigt. Wieso ist es enorm wichtig, dass die Elternzeit bezahlt wird?
S.D. Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein: Die finanzielle Unterstützung für Eltern mit dem Ziel, die Betreuung ihrer Kinder in den ersten Lebensmonaten selbst wahrnehmen zu können, ist deshalb so wichtig, weil in dieser Zeit die Selbstbetreuung für die Entwicklung des Kindes im Normalfall besser als eine Fremdbetreuung ist. Der Grund dafür ist vor allem darin zu suchen, weil in den ersten Lebensmonaten eine sichere Bindung zu ein bis zwei Hauptbezugspersonen für die Entwicklung des Kindes von grosser Bedeutung ist.
Wie wichtig war es Ihnen, nach der Geburt Ihrer Kinder und darüber hinaus als Vater präsent und aktiv zu sein?
Für die Entwicklung eines Kindes ist auch der regelmässige Kontakt zum Vater bzw. neben einer weiblichen auch zu einer männlichen Bezugsperson vorteilhaft. Daher war mir meine Präsenz als Vater neben der rein persönlichen Freude auch in dieser Hinsicht wichtig.
Eine persönliche Frage: Wie haben Sie und Ihre Frau die Betreuung Ihrer Kinder nach deren Geburt und in der Kleinkindzeit geregelt und was war Ihnen dabei wichtig?
Nach der Geburt und in der Kleinkindzeit lag die Betreuung zwar primär bei meiner Frau, ich habe jedoch versucht, sie so gut wie möglich dabei zu unterstützen und auch meinerseits ausreichend Zeit mit den Kindern zu verbringen. So habe ich z.B. auch regelmässig die Windeln gewechselt oder die Flasche gegeben.
Viele Eltern wie auch Entwicklungsexperten sind überzeugt davon, dass eine vernünftige Lösung betreffend bezahltem Elternurlaub eine Investition ist, die sich langfristig bezahlt macht. Entscheidend ist dabei das erste Lebensjahr. Zufriedene Eltern und ihre Kinder bilden wichtige Pfeiler unserer Gesellschaft. Somit ist eine bezahlte Elternzeit im Interesse von allen. Können sie diese Aussage so bestätigen und stützen?
Heute weiss man, dass die ersten Lebensmonate ganz entscheidend für die Entwicklung der Kinder sind, vor allem hinsichtlich ihrer Bildung und Gesundheit. Es sollte daher im langfristigen Interesse der Gesellschaft und somit auch des Staates sein, den Eltern und ihren Kindern gerade in dieser Zeit möglichst gute Voraussetzungen zu bieten.
Das EU-Parlament hat im Juni 2019 eine Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige erlassen. Die Mitgliedsstaaten, darunter auch Liechtenstein als Mitglied des EWR, haben bis August 2022 Zeit, die Vorschriften der Richtlinie 2019 / 1158 zum Vaterschafts- und Elternurlaub und Urlaub für pflegende Angehörige umzusetzen. Wo sehen sie die Herausforderungen in der Umsetzung der Richtlinie?
Die grösste Herausforderung wird wahrscheinlich die Finanzierung sein. Da möglichst gute Entwicklungsvoraussetzungen für die Kinder in den ersten Lebensjahren der Gesellschaft insgesamt sehr zugute kommen, wäre es aber wichtig, eine solche Finanzierung sicherzustellen.
Könnte Liechtenstein mit einer Lösung, welche die Mindest-Standards der Richtlinie übertrifft, ein eindeutiges Signal setzen und eine Vorbild-Funktion einnehmen, z.B. für die noch schlechter situierte Schweiz?
Meiner Ansicht nach sollten wir die für uns beste Lösung wählen. Ob diese Lösung dann für andere Staaten ein Vorbild sein kann, halte ich für zweitrangig.
Ein bezahlter Elternurlaub würde auch einen grossen Beitrag zur Chancengerechtigkeit von Frauen und Männern leisten. Der Frau wird nicht mehr die alleinige Verantwortung für die Kinder aufgedrängt, der Mann wird nicht mehr zwingend der alleinige Familienernährer sein. Im Sinne einer reellen Wahlfreiheit können Erwerbs- und Familienarbeit in den Familien individuell aufgeteilt werden. Ist Liechtenstein bereit dafür?
Je nach Ausgestaltung finanzieller und sonstiger Massnahmen im Hinblick auf die Betreuung von Kindern lässt sich auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen. Da diese Thematik in den letzten Jahren bei uns schon intensiv diskutiert wurde, glaube ich, dass Liechtenstein grundsätzlich dafür bereit ist.
Während in den skandinavischen Ländern und auch z.B. in Deutschland oder Österreich die Elternzeit für Mann und Frau längst zum Standard gehört und von den Unternehmen gut bewerkstelligt wird, stehen wir in Liechtenstein noch am Anfang. Bewusstsein und Akzeptanz müssen bei den Unternehmen noch reifen, damit es selbstverständlich wird, dass auch ein Vater für zwei Monate in Elternzeit geht. Wo denken Sie, könnte man hier ansetzen?
Ich denke, dass man die Akzeptanz dafür bei den Unternehmen am besten dann erreicht, wenn man ihnen zeigen kann, dass dies langfristig zum Vorteil der Gesellschaft und der Unternehmen selbst ist. Dazu müssen Unternehmen wissen, mit welchem Zusatzaufwand einerseits und mit welchen Vorteilen andererseits sie rechnen können.
Mit einem bezahlten Elternurlaub gemäss der EU-Richtline oder etwas darüber hinaus, der längst nicht dem Konzept der erwähnten Staaten folgt, aber bereits eine immense Verbesserung der Ist-Situation darstellt, werden Eltern und Betreuungseinrichtungen entlastet, die Chancengleichheit gefördert und in direkter Folge würde die Zufriedenheit und die Gesundheit von Familien gesteigert. Nur die Wirtschaft sieht sich beim Thema Elternzeit als Verlierer, obwohl die stark gebundenen Kinder von heute die benötigten Fachkräfte von morgen sind. Es müsste also im Interesse der Unternehmen sein, den Elternurlaub einzuführen. Argumentieren Sie ebenfalls so?
Mein Eindruck ist, dass wegen des demographisch bedingten Fachkräftemangels immer mehr Unternehmen durchaus Handlungsbedarf sehen. Momentan sind es noch eher die grossen Unternehmen der LIHK, es wird aber auch zunehmend ein Thema im KMU-Bereich. Meiner Ansicht nach wäre es wichtig, dass sich Unternehmen vor allem auch untereinander austauschen, mit welchen Massnahmen ohne grossen Aufwand viel in Richtung einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreicht werden kann.