Wer kümmert sich? Who cares?

Wer organisiert die Krise? Die Mitgliedsorganisationen des Frauennetz Liechtenstein werden sich in den kommenden Wochen zu verschiedenen Problemfeldern der Corona-Krise äussern. Heute: der Verein Hoi Quote zu unbezahlter Care-Arbeit.

Vor den Kindern aufstehen, ein paar Stunden arbeiten, mit den Kindern frühstücken, Heim-Unterricht, Mittagessen kochen, Hausarbeit, Erwerbsarbeit, Einkaufen für die älteren Familienmitglieder. Der Tag sollte im Moment 36 Stunden haben. Die Ökonomin Katharina Mader nennt Frauen in diesem Zusammenhang den „sozialen Airbag“: Was von der Gesellschaft erwartet werde, sei eine sofortige und logische Übernahme der – ohnehin der weiblichen Sphäre zugeordneten – Betreuungs- und Bildungsarbeit.

Gibt es einen stillschweigenden Konsens darüber, wer seine Tätigkeiten in der Krise hinten anstellt? Wäre Erwerbsarbeit ohne unbezahlte Care-Arbeit möglich? Gibt es über die Aufgaben- und Rollenverteilung ein Problembewusstsein oder eine Diskussion seitens der Wirtschaft oder der politisch Verantwortlichen? Wird die unbezahlte Care-Arbeit mit all ihren Mehrfachbelastungen, dem Mental Load und der Organisation der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Liechtenstein lösungsorientiert thematisiert? Was heisst es für eine Gesellschaft, wenn die Frauen unbezahlt und weitgehend unsichtbar Betreuungsaufgaben leisten, aber in öffentlichen und politischen Funktionen massiv untervertreten sind?

Unbezahlte Care-Arbeit wird weiterhin zum grössten Teil von Frauen geleistet. Die damit verbundenen organisatorischen, zeitlichen und finanziellen Probleme verschwinden im Privaten und im Unausgesprochenen. Was es unter anderem bräuchte:

  • Eine klare Weisung der Regierung, dass Betreuungszeit als Arbeitszeit zu gelten hat. Die öffentlichen Arbeitgebenden müssen hier eine Vorreiterrolle einnehmen. Für private Unternehmen, welche ihre Angestellten für die Kinderbetreuung freistellen, muss es Unterstützungsleistungen geben. (Siehe auch die Petition des Liechtensteinischen ArbeitnehmerInnenverbands LANV, lanv.li.)
  • Eine gesellschaftspolitische Diskussion darüber, wie wir in Zukunft leben und arbeiten wollen: Gibt es die Trennung in öffentliche und private Sphäre noch? Kann und soll die Trennung in bezahlte und unbezahlte Arbeit aufrecht erhalten werden? Welchen Stellenwert haben ausserhäusliche Betreuung und Schule für die Familienorganisation? Wie wichtig sind Teilzeitmodelle und neue Arbeitsmodelle? Wie würde die Gesellschaft von einem bedingungslosen Grundeinkommen profitieren? Was würde dies für die Trennung von bezahlter und unbezahlter Arbeit bedeuten?
  • Eine ausgewogene Teilnahme von Frauen an politischen Prozessen und in politischen Funktionen, damit dieses und andere gesellschaftspolitische Probleme in Zukunft aus dem privaten Raum in die politische Öffentlichkeit treten und von Betroffenen mitentschieden werden können.

Niemand hatte in den vergangenen Wochen Ressourcen, um Dinge zu hinterfragen oder einzufordern. Aber jetzt ist die Zeit gekommen, über gesellschaftspolitische Probleme zu sprechen und ihnen die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Schenkt den Problemen von Familien zwischen Homeoffice und Erwerbsarbeit, zwischen Daheim-Schule, Hausarbeit, organisatorischer und emotionaler Betreuungsarbeit, eure Aufmerksamkeit, geschätzte Vertreterinnen und Vertreter von Politik, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft, und lasst uns gemeinsam Lösungen finden, die über die aktuelle Krise hinaus wirken.