Christoph Beck: «Ich wünsche mir, dass alle mitdiskutieren.»

Mit knappen finanziellen Mitteln die notwendigen Projekte umsetzen und optimale Grundlagen für die Zukunft schaffen – dies ist die Gratwanderung, welche die Gemeinde Triesenberg stets aufs Neue zu bewältigen hat. Vorsteher Christoph Beck möchte die Einwohner daher noch stärker in den Entscheidungsprozess einbinden und ist bereit, neue Wege zu gehen.

Interview: Heribert Beck · Fotos: ZVG

Herr Gemeindevorsteher, vor einem knappen Jahr sind Sie in Ihre zweite Amtszeit gestartet. Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit im neu formierten Gemeinderat?

Christoph Beck: Wir haben uns wirklich gut gefunden und sind optimal in die Arbeit gestartet. Wir sind immerhin acht neue Mitglieder, davon vier Frauen, und mit mir zusammen nur drei aus dem alten Gemeinderat. Damit ist zwar einerseits einiges an Know-how verloren gegangen, andererseits ist aber auch neuer Schwung in die Sitzungen hineingekommen. Die Arbeit geht jedenfalls konstruktiv im Sinne der Gemeinde Triesenberg weiter und ich bin optimistisch für die kommenden drei Jahre der Legislaturperiode.

Welche Ziele haben Sie sich für die zweite Mandatsperiode gesetzt und welche grösseren Projekte stehen an?

Stichwortartig sind da der Bau des neuen Feuerwehrdepots, die Weiterführung der Zentrumsgestaltung und die Ausarbeitung des Leitbilds der Raumplanung im rheintalseitigen Gemeindegebiet zu nennen. Auch der Strassenbau beschäftigt uns natürlich immer wieder. Diesen Themen übergeordnet habe ich mir aber vor allem die Partizipation der Einwohner an der Ausgestaltung der Projekte zum Ziel gesetzt. Ich wünsche mir, dass möglichst viele sich mit den Themen auseinandersetzen, die Triesenberg und seine Zukunft betreffen. Das Abstimmen an der Urne ist zwar wichtig, aber möglichst viele sollten möglichst früh mitreden und gemeinsam Lösungen finden. 

Ein Thema in der Gemeinde Triesenberg sind stets die Finanzen. Industrie und Finanzdienstleistungen als ertragskräftige Steuerzahler fehlen fast gänzlich. Wie wirkt sich dies auf das kürzlich der Öffentlichkeit präsentierte Budget 2020 aus und wie zufrieden sind Sie mit diesem Voranschlag?

Es ist nach wie vor so, dass wir als flächenmässig grösste Gemeinde mit dem relativ geringen Budget von 20 Millionen Franken auskommen müssen. Andererseits wären viele Gemeinden ausserhalb Liechtensteins froh über dieses Budget, wobei die Aufgaben schwer vergleichbar sind. Die Frage ist auch, ob wir wirklich die grossen Steuerzahler aus der Industrie bei uns in der Gemeinde haben wollen. 

Triesenberg ist für mich eine lebenswerte Wohngemeinde mit einem guten Mix aus Gewerbe, grössenverträglichen Dienstleistungen und Tourismus, in der eine – um ein neudeutsches Wort zu benutzen – gesunde Work-Life-Balance herrscht. 

 

«Ich möchte neue Wege
in der Partizipation der
Einwohner Bei der
Ausgestaltung der
Projekte gehen.»

Christoph Beck
Vorsteher Gemeinde Triesenberg

 

Eine Erleichterung stellt sicherlich die vom Landtag Ende 2019 angehobene Sonderzulage für das Berggebiet dar? 

Das ist so. Diese zusätzliche Million für die Aufgaben, die wir im Berggebiet im landesweiten Interesse erfüllen, entspannt unsere finanzielle Situation durchaus etwas. Für uns ist das ein grosser Erfolg und ich bedanke mich bei allen, die dazu beigetragen haben. Der ehemalige Vize-Vorsteher Stefan Gassner von der FBP und ich mussten aber auch eine grosse Überzeugungsarbeit leisten.

Wie Sie angemerkt haben, sind die Gemeindefinanzen dennoch angespannt. Warum hält Triesenberg trotzdem am niedrigsten Steuerzuschlag fest, der gesetzlich möglich ist?

Die Gemeinde schliesst eine Erhöhung des Steuerzuschlags nicht aus, sofern die daraus resultierenden Mittel für Triesenberg verwendet oder für die Finanzierung grösserer Projekte benötigt und sinnvoll eingesetzt werden. Dies müssen wir im Gemeinderat aber im Rahmen der Finanzplanung jeweils diskutieren. In Bezug auf das Alpengebiet ist der Fall klar. Wieso soll der Triesenberger mehr Steuern bezahlen, wenn die Gemeinde Dienstleistungen für das ganze Land erbringt. Wir müssen uns grundsätzlich fragen, ob es sinnvoll ist, dass die Reserven des Landes immer grösser werden, während einzelne Gemeinden finanzielle Probleme haben. Eine Anpassung des Finanzausgleichs wäre sicher sinnvoll.

Wenn Sie den Finanzausgleich ansprechen: Vermutlich bevorzugen Sie die horizontale Variante.

Genau. Dass es grosse Unterschiede in der Finanzkraft der Gemeinden gibt, ist nichts Neues. Ein guter, horizontaler Finanzausgleich würde allen viel bringen. Ich hoffe daher, dass die Gemeinden weiterhin an einem Strick ziehen. Die aktuelle Vernehmlassung der Regierung zu einem Finanzausgleich, bei dem eigentlich nur der Staat profitieren würde, ist auf jeden Fall nicht zielführend. Wir sollten Wege gehen, von denen alle profitieren können und nicht nur die ohnehin prall gefüllte Staatskasse.

Dorfzentrum Südansicht

Ein ganz anderes Thema: Der Winter war bisher eher mild und niederschlagsarm – möglicherweise eine Auswirkung des Klimawandels. Wie schätzen Sie dessen Auswirkungen auf das Feriengebiet Steg-Malbun ein und ergreift die Gemeinde Massnahmen, um ihm zu begegnen?

Wir hatten Glück, dass es vor den Weihnachtsferien etwas geschneit hat. Davon profitierten Steg und Malbun bis Ende Januar. Da das Wetter oberhalb der Nebelgrenze über die Feiertage ausserdem optimal war, sind die Skipisten und Gastronomiebetriebe fast überrannt worden. Dass die Menge des Schneefalls nachlässt und sich das Klima verändert, steht ausser Zweifel. Der aktuelle Winter ist vermutlich ein gutes Beispiel dafür. Wir sind nicht zwar das grosse Rad im Getriebe, das die Entwicklung aufhalten kann, versuchen aber unseren Beitrag an einer positiven Entwicklung zu leisten. 

Ebenfalls versuchen wir, unser Feriengebiet so attraktiv wie möglich zu gestalten und positiv weiterzuentwickeln. Denn obwohl der Tourismus für das BIP in Liechtenstein eine relativ kleine Rolle spielt, ist er wichtig. Er hat zudem eine immense Querschnittsfunktion. Ohne Tourismus hätten auch wir Einheimischen kein so grosses Gastronomieangebot und keine so vielfältige Freizeitinfrastruktur. Der Gast wird darüber hinaus immer anspruchsvoller und wir müssen uns dem Wettbewerb stellen.  Mich erstaunt in diesem Zusammenhang immer wieder, was wir Liechtensteiner in ausländischen Tourismusdestination als Standard erwarten, aber der Meinung sind, dass die gleichen Angebote oder die gleiche Infrastruktur bei uns zu Hause nicht realisiert werden dürfen.  

Sie haben immer wieder betont, dass Triesenberg zwar nicht die reichste, aber die an Eindrücken reichste Gemeinde Liechtensteins ist. Im November haben sich Ihre Worte bestätigt und Triesenberg wurde in den Reigen der «Schönsten Dörfer der Welt» aufgenommen. Was genau macht das Walserdorf Ihrer Meinung nach so schön?

Da ist sicherlich die grosse landschaftliche Vielfalt zu nennen. Wir haben so viele schöne Ecken. Die Aussicht von der Sonnenteraase ins Tal ist einmalig und das rheintalseitige Gemeindegebiet reicht von 700 bis fast auf 2000 Höhenmeter hinauf. In Steg lässt sich die Ruhe geniessen und Malbun bietet im Sommer wie im Winter eine Vielzahl von Betätigungsmöglichkeiten. Natürlich tragen wir auch Sorge dazu, dass dies so bleibt.

Was gefällt Ihnen persönlich am besten an Triesenberg und seinen Einwohnern?

Ich habe zahlreiche Lieblingsplätze. Dazu gehören der Sportplatz und der Dorfsaal mit dem Kontakt zu den Einwohnern. Ich schätze es aber auch sehr, dass man nur fünf Minuten zu gehen braucht, und schon ist man in der schönsten Natur und kann Kraft tanken. Gleichzeitig bietet die Gemeinde auch alles, was die Einwohner fürs tägliche Leben brauchen. Ich selbst bin aber vor allem gerne in den Bergen – je älter ich werde, desto lieber. An den Einwohnern schätze ich neben vielem anderen den ehrlichen und unkomplizierten Austausch. Die Triesenberger sagen, was sie denken, und umgekehrt ist es mir wichtig, stets ein offenes Ohr für ihre Anliegen und in der Gemeindeverwaltung eine offene Tür zu haben.

Dorfzentrum Ostansicht

Um die Schönheit des Dorfes zu bewahren, arbeitet die Gemeinde unter anderem am angesprochenen Leitbild für das Rheintalseitige Gemeindegebiet. Wie ist diesbezüglich der aktuelle Stand und wie geht es weiter?

Wir wollen, wiederum unter Einbezug aller, und nicht nur der betroffenen Grundbesitzer, über das Leitbild in einem zweiten Schritt einen Richtplan ausarbeiten, der festlegt, wo die Triesenberger sich in Zukunft Naherholungsgebiete wünschen, wo eine Ansiedlung von Gewerbe, wo Landwirtschaft und wo Wohnzohnen. Alle Einwohner zu dieser Partizipation, von der oft und viel gesprochen wird, zu animieren, ist keine leichte Aufgabe. Ich denke, die Entscheidungsträger im ganzen Land sind durchaus dazu bereit. Das darf aber keine Einbahnstrasse bleiben. Es könnten sich mehr an den Prozessen beteiligen. Für die Verantwortlichen wäre es jedenfalls enorm wichtig, die Wünsche und Interessen zu kennen. Projekte können auf diese Weise früh in die Richtung entwickelt werden, dass sie akzeptiert und breit abgestützt sind.

Wie wollen Sie das ändern und die Menschen vermehrt einbeziehen?

Bei der Zentrumsentwicklung haben wir beispielsweise zunächst einen Gesamtplan entwickelt und sechs Architekten beauftragt, Studienentwürfe auszuarbeiten. Wir haben uns für denjenigen entschieden, der unseren Vorstellungen am nächsten kam und der wichtige Anforderungen wie ununterbrochene Zugänglichkeit des Denners und der Arztpraxen ermöglichte. Es ist aber noch nichts in Stein gemeisselt und am Ende muss das Projekt finanzierbar sein sowie die Stimmbürger überzeugen können. Dieses Jahr werden wir daher intensiv zusammen mit der Bevölkerung an den Details arbeiten. Wir werden Workshops veranstalten und ich wünsche mir, dass in ganz Triesenberg, in den Schulklassen, an den Stamm- und Mittagstischen sowie vor der Kirche darüber diskutiert wird. Anschliessend wird das Projekt zur Abstimmung gebracht. Ich könnte mir daher auch die Einberufung einer Bürgerversammlung vorstellen, wie sie im Gemeindegesetz vorgesehen ist. Diese ist beschlussfähig, wenn ein Sechstel der stimmberechtigten Bürger anwesend ist und sie hat den Vorteil, dass Argumente zunächst ausgetauscht und abgewogen werden können. Wenn das Projekt abgelehnt wird, akzeptieren wir dies natürlich, aber dann stehen wir immer noch vor den gleichen Problemen im Dorfzentrum. Wir werden den Kopf jedoch auch in diesem Fall nicht in den Sand stecken und sicher einen anderen Ansatz finden, die Probleme zu lösen.

Das Jahr ist noch in seinen Anfängen. Was wünschen Sie der Gemeinde Triesenberg für 2020?

Ich hoffe, dass wir wieder etwas anpacken, etwas vorwärtsbringen und nicht nur diskutieren. Natürlich helfen uns keine Schnellschüsse. Aber ich wünsche mir, dass wir im 301. Jahr des Landes Liechtenstein und im 666. Jahr nach der ersten Nennung der Walser im Land alle zusammen eine vernünftige Grundlage für die Zukunft schaffen werden. Denn die Zukunft passiert sowieso. Dies können wir nicht verhindern. Mitgestalten können wir sie allerdings.