Arbeitsmarkt, Fachkräfte und Bildung

«Rein rechnerisch betrachtet, müsste man nun meinen, dass es ja eigentlich keine Arbeitslosen bei uns geben sollte … eigentlich?», Daniela Ospelt, Vaduz

Unsere Wirtschaft läuft; Indikator hierfür ist die Arbeitslosenstatistik, welche eine Quote von 1,4 % aufweist (Oktober 2019). In Zahlen ausgedrückt, sind dies knapp 300 arbeitslos gemeldete Personen. Grundsätzlich bedeutet dies Vollbeschäftigung, stehen diesen 300 Menschen doch über 800 beim Amt gemeldete offene Positionen gegenüber. Rein rechnerisch betrachtet, müsste man nun meinen, dass es ja eigentlich keine Arbeitslosen bei uns geben sollte … eigentlich? 

Text: Daniela Ospelt

Die Rechnung ist nicht so einfach zu machen, denn eine Vielzahl der offenen Positionen setzt sich aus Stellen zusammen, die mit hochqualifiziertem Personal besetzt werden müssen, welches wir auf unserem Markt nicht finden können. Dies sind oftmals Fachkräfte, die aus dem Ausland zu uns rekrutiert werden müssen und absolute Spezialisten in ihrem Bereich sind. Somit können wir nicht einfach die 300 Personen auf die Stellen «besetzen» – spezialisierte Arbeitsplätze benötigen oft Fachkräfte mit mehrjähriger Erfahrung und adäquaten Ausbildungen. Zudem haben wir immer mehr sehr spezialisierte Bereiche, die stark wachsen – beispielsweise der gesamte Compliance-Bereich – und die eine Vielzahl an Mitarbeitenden, mehr wie noch vor ein paar Jahren, benötigen, um die Vorgaben zu erfüllen, die der Staat und die Aufsicht an die Firmen stellen. Hier das Personal zu finden, das qualifiziert ist und die Stellen möglichst schnell und professionell besetzen kann, ist eine Herausforderung, welcher unser Markt nicht immer gewachsen ist und die Rekruter in den Firmen und auf dem Markt oft an ihre Grenzen und Möglichkeiten bringen. 

Dazu kommt, dass unser Markt rund 40’000 Arbeitsplätze bietet – wir aber in der eigenen Bevölkerung nur rund 19’000 Personen haben, die im Arbeitsprozess und somit auf dem Markt verfügbar sind – davon pendeln etwa 2000 Personen ins Ausland, also benötigen wir für die Besetzung unserer Stellen und somit, um unsere Wirtschaft am Laufen zu halten, tatsächlich Grenzgänger aus den Nachbarländern, die diese rund 20’000 Stellen besetzen. 

Wieso finden diese Arbeitssuchenden keine Stelle?
Verständlich und nachvollziehbar ist aber auch, dass, wenn man zu den 300 Personen gehört, die keinen Job finden, der Frust ungleich höher ist – die Wirtschaft läuft, es herrscht Vollbeschäftigung, es existieren tatsächlich offene Stellen, und doch ist es schwierig, auf dem eigenen Markt einen Job zu finden – das kann doch nicht sein? Gerade die Gruppe der über 50-jährigen Stellensuchenden hat es im Vergleich schwer, eine neue Stelle zu finden. In Zahlen ausgedrückt, haben wir im Moment etwa 80 Personen in dieser Gruppe. Dies sieht nicht nach einem wirklichen Problem aus; für die Person selbst, die betroffen ist, stellt die Situation jedoch eine Herausforderung dar, die unlösbar scheint. Mitte 50, keine Arbeit – unter Umständen ein sozialer Abstieg und die grosse Frage nach der Altersvorsorge. Denn mit über 50 hat man nicht mehr so viele Jahre, um in eine 2. Säule einzuzahlen, und bei mehrjähriger Arbeitslosigkeit schlägt sich dies bedeutend in der Kapitalansammlung der Pensionskasse nieder. 

Zu alt – zu teuer?
Das Problem ist in der Schweiz noch brisanter; eine Person, die im Alter von über 55 Jahren arbeitslos wird, hat zudem noch die Bürde einer sehr hohen gesetzlichen Pensionskassenprämie zu tragen. Hier stimmt der Satz «zu alt = zu teuer» leider in Bezug auf die BVG-Beiträge – und so einen Job zu erhalten, scheint unmöglich. In Liechtenstein ist dieses Problem nicht vorhanden, da wir gesetzlich keine altersabhängigen Prämien im BPVG kennen. Die Schweiz sucht im Moment neue Wege im Bereich von Frühpensionierungen, um die Risiken zu grosser Verluste in der Pensionskasse zu minimieren. Letztendlich ergaben Erhebungen, dass es wohl günstiger ist, diesen Menschen eine frühere Pensionierung mit günstigen Konditionen und finanziellen Übergangslösungen zu ermöglichen, als die Leistungen vom Sozialamt in Anspruch zu nehmen. Hierbei stellt sich aber sicher die Frage, ob sich diese Menschen überhaupt schon in so frühem Alter pensionieren lassen wollen, und dies aus einem hohen Leidensdruck heraus dann einfach machen – und sich dabei aber abgeschoben und nicht mehr für den Markt geeignet fühlen? Die Situation wird bestimmt nicht für alle Betroffenen gleich sein, gibt es doch sehr viele Arbeitnehmende jenseits der 50, die arbeitsmarktfähig sind und sich auch entsprechend fit und leistungsfähig fühlen! Zumal es sich oft um Fachkräfte handelt, die auf dem Markt grundsätzlich gesucht wären. 

Teuer, überqualifiziert oder schlichtweg «unflexibel» sind jedoch Totschlagargumente, welche auch auf unserem Markt bekannt sind und somit die Suche nach einem Job schwierig machen. 

Die Frage stellt sich daher, wie eine Person der Gruppe «Ü 50» auf den Markt geht und sich verkauft, ohne gleich mit Killerphrasen abgestraft zu werden? 

Ein Blick in die Welt der Erwachsenenbildung
Ein Blick in die Welt der Erwachsenenbildung lohnt sich hier vielleicht doppelt. Die Erwachsenenbildung boomt. Unser regionaler Bildungsmarkt bietet eine Vielzahl an interessanten Möglichkeiten, um hohe und dem Markt angepasste Qualifikationen zu erlangen. Das Alter in den Lehrgängen ist sehr unterschiedlich – dies beginnt bei 20-jährigen und geht bis zu 60-jährigen «Studenten», die abends in den Bildungsgängen sitzen und sich Zusatzqualifikationen aus der Erwachsenenbildung holen, um möglichst marktfähig und
aktuell zu bleiben. 

Oftmals haben gerade aber die etwas älteren Studierenden riesigen Respekt vor der Herausforderung des Lernens. Aber diese Personen kann man beruhigen: Ältere Menschen lernen im Vergleich zu jungen Menschen oder Kindern nicht schlechter – nein, sie lernen anders! 

Es ist erwiesen, dass ältere, erfahrenere Menschen die Fähigkeit haben, neu erworbenes Wissen mit den (Lebens-)Erfahrungen zu verknüpfen und dadurch die Inhalte anders aufnehmen. Dass dies ein längerer Prozess ist, als einfach das Wissen «neutral aufzusaugen», ohne dabei Verknüpfungen herzustellen, liegt auf der Hand. Mit diesem Wissen aus dem Bereich der Erwachsenenbildung ist es nun spannend, einen Bezug zum Arbeitsmarkt herzustellen. Ein Verkaufsargument muss es demnach immer sein, dass eine ältere, stellensuchende Person somit ganz andere Voraussetzungen mitbringt, um eine Stelle zu besetzen; nämlich die Fähigkeit, Neues mit vorhandenen Erfahrungen zu verknüpfen und vernetzt zu denken – und dadurch einen Mehrwert für die Firma zu bieten.

Allein die Tatsache, dass man als «Ü 50» noch eine Aus- und/oder Weiterbildung absolviert, ist ein weiterer Faktor, welcher als Verkaufsargument überzeugen kann. Aus- und Weiterbildung im Erwachsenenbereich verlangen ein hohes Mass an Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Durchhaltevermögen, sich meistens abends noch auf die Schulbank zu setzen und sich neues Wissen anzueignen. 

Eine berufliche Weiterbildung – unabhängig vom Alter – kann somit ein wichtiger und strategisch interessanter Schritt in der Zeit der Stellensuche sein. Und natürlich gibt es auch hier eine Vorarbeit, die zu leisten ist. Wer sich mit dem Gedanken beschäftigt, eine Aus- oder Weiterbildung zu absolvieren, sollte sich vorgängig unbedingt ein paar wichtige Fragen stellen. 

Was möchte ich mit der Aus- oder Weiterbildung erreichen?
Welche Möglichkeiten eröffnen sich mir auf dem Zielmarkt (regional z. B. im Umkreis von 30 Kilometern) mit dieser Ausbildung? Welche Firmen dieser Region haben überhaupt Positionen in diesen Bereichen, wo ich mir die Zusatzqualifikation erwerbe? Wie sieht der Kosten/Nutzen/Zeit-Faktor aus? Steht die Ausbildung in einer realistischen Relation, sodass ich das erworbene Wissen nutzen kann? Kann ich mir die Weiterbildung leisten, resp. gibt es allenfalls Möglichkeiten zur Unterstützung?

Die Fragen sind nicht immer einfach zu beantworten, müssen aber im Vorfeld unbedingt geklärt werden – vor allem, wenn die Person in einem fortgeschrittenen Erwerbsalter ist. Mit «Ü 50» hat man nicht mehr endlos Zeit, um hohe Aufwände in eine Aus- oder Weiterbildung zu investieren, die nichts nützt oder keine Perspektiven bietet. Hier lohnt es sich, die Bildungsanbieter genau zu vergleichen, die Kosten abzuschätzen und die Beratungen in Anspruch zu nehmen! Oftmals kann eine externe Person genau den Impuls setzen, um die richtigen Schritte zu tun. 

Letztlich ist jeder einzelne Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt auch eine Art «Produkt» (verzeihen Sie mir diesen Ausdruck, aber hier passt das Synonym) mit einem individuellen USP (unique selling proposition) = einem einzigartigen Leistungsmerkmal! So gesehen müsste jeder für sich einen Businessplan für die Stellensuche und den Markt erstellen, welcher den Zielmarkt, die Möglichkeiten, die Verkaufsstrategie, den USP und auch den Marktwert abbildet. 

Denn Arbeitsmarkt ist doch nichts anderes als «Markt» – und unser Markt, inklusive Bildungsmarkt, bietet uns effektiv sehr viele Chancen und Möglichkeiten. Wir müssen sie jedoch erkennen, selbst aktiv ergreifen, vielleicht auch die eine oder andere Stellschraube anders einstellen und Sichtweisen verändern – und zum Schluss muss man noch den Mut haben, sich zu verkaufen!