«Wir müssen unsere Mittel wirksam einsetzen»

Es ist bereits Usanz, dass die lie:zeit S.D. den Erbprinzen oder S.D. den Landesfürsten zum Staatsfeiertag oder zur Jahreswende zu einem Interview über aktuelle und zukunftsweisende Fragen und Projekte bittet. Für den diesjährigen Staatsfeiertag, der im Zeichen der 300-Jahrfeier steht, haben wir mit S.D. dem Erbprinzen das nachfolgende Gespräch geführt.

S.D. Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein im Gespräch mit der lie:zeit

Durchlaucht, Sie haben am Staatsfeiertag des vergangenen Jahres unserem Land und dessen Bevölkerung für das Erreichen des heutigen Wohlstands ein Lob ausgesprochen. Welches sind die wichtigsten Faktoren, die diesen Erfolg unserem Heimatland beschert haben?
S.D. der Erbprinz:
Für den Erfolg waren verschiedene Faktoren verantwortlich: insbesondere die grosse politische und wirtschaftliche Stabilität, die sehr gut ausgebildete Bevölkerung, die attraktiven Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, die internationale Vernetzung und Anerkennung, die rasche Reaktion auf für uns kritische Entwicklungen, die enge Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten und die weltweite Öffnung der Märkte.

Gleich eine Anschlussfrage. Können wir den geschaffenen Wohlstand auf längere Sicht auch halten, angesichts einer sich rasch wandelnden Gesellschaft?  Was muss Liechtenstein dafür tun?
Wir dürfen uns nicht auf unserem Erfolg ausruhen, sondern wir müssen die Grundlagen für unseren Wohlstand immer wieder von neuem sichern. Dazu müssen wir uns ausreichend mit den künftigen Herausforderungen auseinandersetzen und rechtzeitig die für deren erfolgreiche Bewältigung erforderlichen Massnahmen treffen.

Stichwort: technologischer Fortschritt. Hier ist die Digitalisierung in aller Munde. Welchen Einfluss kann ein Kleinststaat wie Liechtenstein nehmen, um von den Chancen der Digitalisierung zu profitieren?
Meiner Ansicht nach liegen die grössten Chancen in einem guten Bildungssystem, damit ein möglichst grosser Teil der Bevölkerung optimal auf die Digitalisierung vorbereitet ist. Daneben sind attraktive rechtliche Rahmenbedingungen sowie eine leistungsfähige und sichere Dateninfrastruktur wichtig, um von den Chancen der Digitalisierung zu profitieren.

Ein grosses Problem bzw. politische Herausforderung sind und bleiben die Sozialsysteme. Welches sind die Mittel und Wege, um die Gesundheitsvorsorge, Altersvorsorge und Alterspflege für die heutigen und künftigen Generationen sicher und nachhaltig zu gestalten? Kann man das überhaupt?
Um unsere Sozialsysteme auch für künftige Generationen sicher und nachhaltig zu gestalten, müssen wir unsere finanziellen Mittel wirksam einsetzen. Dazu müssen wir bei der Ausgestaltung unserer Sozialsysteme deren Anreizwirkungen und Treffgenauigkeit genau bedenken und die demographischen und technologischen Entwicklungen ausreichend berücksichtigen. So werden wir z.B. bei steigender Lebenserwartung auch das Pensionsalter erhöhen müssen. Die AHV-Reform von Ende der letzten Legislaturperiode war daher ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

In Ihrer Ansprache kamen Sie auch auf den massiven Ressourcenverbrauch und auf den damit verbundenen Raubbau an der Umwelt in den hochentwickelten Volkswirtschaften zu sprechen. Können kleine Länder wie die Schweiz oder Liechtenstein überhaupt etwas bewirken?
Einerseits können wir unseren relativen Anteil leisten. Andererseits können wir durch kluge und innovative Initiativen auch international Anstösse geben.

Bundespräsident Ueli Maurer und S.D. Erbprinz Alois bei der offiziellen Begrüssung mit militärischen Ehren

Die Raum- und Verkehrsplanung ist in Liechtenstein seit vielen Jahren ein Dauerthema. Die Stiftung Zukunft.li hat dazu eine interessante Studie herausgebracht. Wie beurteilen Sie die darin geäusserten Vorschläge?
Meiner Ansicht nach hat die Stiftung Zukunft.li einige sehr interessante Vorschläge betreffend Raum- und Verkehrsplanung gemacht. Leider haben wir in der Vergangenheit es verpasst, hierzu frühzeitig Weichen zu stellen. Umso wichtiger wäre es, dass wir vor allem im Bereich Verkehr möglichst bald ein gut durchdachtes Mobilitätskonzept erstellen, das die verschiedensten Verkehrsaspekte berücksichtigt, auch um die dafür nötigen Mehrheit im Volk zu erreichen. Dabei sollten wir uns auch nochmals die S-Bahn genau anschauen.

Ein weiteres aktuelles Thema: die Casino-Landschaft Liechtenstein. Mit dieser Frage beschäftigt sich auch die Bevölkerung sehr stark. Was halten Sie von einem Monitoring, wie es gewisse politische Parteien vorgeschlagen haben?
Eine grosse Stärke unseres Wirtschaftsstandortes ist die Verlässlichkeit seiner Rahmenbedingungen, die Unternehmen Planungssicherheit bieten. Daher wäre es meiner Ansicht nach problematisch, nach so kurzer Zeit ohne besondere Not, die grundsätzlichen Rahmenbedingungen für die Casinos zu ändern. Es ist jedoch sicherlich sinnvoll, über Massnahmen nachzudenken, damit Spielsüchtige noch besser vom Besuch der Casinos ferngehalten werden.

Stichwort Aussenpolitik: Seit seiner Unabhängigkeit im Jahre 1806 hat sich unser Land im Rahmen seiner Aussenpolitik darum bemüht, möglichst günstige Bedingungen für seine staatliche Entwicklung zu schaffen und seine Souveränität abzusichern. Dabei kommt der Nachbarschaftspolitik seit jeher eine zentrale Bedeutung zu. Sie waren vor einigen Wochen zu einem offiziellen Staatsempfang in der Schweiz. Wie beurteilen Sie das Verhältnis Liechtensteins zur Schweiz?  Und sind weitere Staatsempfänge mit anderen Nachbarländern geplant?
Liechtenstein hat ein ausgezeichnetes Verhältnis zu Schweiz. Wir sind sehr dankbar, dass die Schweiz mit dem besonders freundlichen und ehrenvollen Empfang auch ihrerseits die hervorragenden Beziehungen betont hat. Neben dem Empfang in der Schweiz gab es auch Veranstaltungen in Österreich und Deutschland. Für die zweite Jahreshälfte wird mein Schwerpunkt stärker auf der UNO und den USA liegen.

Durchlaucht, gestatten Sie uns noch eine abschliessende Frage zur Aussenpolitik: Wie glauben Sie geht es mit dem BREXIT weiter?  Und hätte ein ungeordneter Austritt Grossbritanniens aus der EU Auswirkungen auf Liechtenstein?
Es ist weiterhin sehr schwierig zu beurteilen, ob es zum BREXIT kommt und – wenn ja – in welcher Form. Ein ungeordneter Austritt Grossbritanniens aus der EU hätte vor allem dann Auswirkungen auf Liechtenstein, wenn er einen wirtschaftlichen Abschwung im europäischen Binnenmarkt auslösen würde, weil dies unser grösster Absatzmarkt ist.