«Es wird weitere diverse Antriebskonzepte geben»

Rainer Ritter, Nissan-Händler und Präsident der Wirtschaftskammer Liechtenstein, spricht im Interview über schmelzende Margen im Autogewerbe, Nachteile durch die EWR-Mitgliedschaft und das vermeintliche Ende des Dieselmotors.

Herr Ritter, was beschäftigt Sie als Garagist derzeit am meisten?
Rainer Ritter:
Die Margen, die immer kleiner werden. Wir spielen praktisch nur noch die Bank und wechseln das Geld. Heute geht es nur noch darum, hohe Stückzahlen zu erreichen und dann die Rückvergütungen einzustreichen. Es ist seit Längerem ein Verdrängungskampf im Gange, der sich weiter verschärft hat.

Wo liegt die Ursache für diesen Preisverfall?
Das Internet macht die Preise kaputt, und es gibt immer noch viele, die ihren Neuwagen aus dem Ausland importieren. Wir aber beziehen unsere Fahrzeuge über den Generalimporteur in der Schweiz, der natürlich auch etwas verdienen muss. Natürlich hat man beim Markenhändler den besseren Support, doch das interessiert die meisten vorerst nicht. Das Einzige, das zählt, ist der Preis. Erst wenn ein fachmännischer Support, Garantie- oder Kulanzarbeiten nötig sind, dann wird von uns erwartet, dass wir unser Fachwissen und unsere Dienstleistung zur Verfügung stellen.

Welche Konsequenzen hat diese Mentalität?
Wenn es so weitergeht, müssen wir alle in Sachen Wohlstand Abstriche machen, denn lange geht das an unserem Wirtschaftsstandort nicht mehr gut. Alle haben finanziell zu kämpfen. Man sollte bedenken, dass dabei auch Lehrstellen auf dem Spiel stehen. Die Entwicklung zeigt sich auch bei den Herstellern: Am Automobilsalon in Genf haben etliche renommierte Marken gefehlt, weil sie es sich schlicht nicht mehr leisten können beziehungsweise die Kunden ihr Wunschfahrzeug im Internet konfigurieren. Volvo, Ford, Hyundai, Land Rover oder Infiniti beispielsweise waren heuer nicht mehr dabei. Opel und Mini sind schon länger nicht mehr vor Ort. Das stimmt mich schon nachdenklich. Wenn es so weitergeht, kann der Autosalon irgendwann seine Tore schliessen oder muss sich ein neues Konzept überlegen. Wir müssen im Autogewerbe Geld verdienen und unsere Margen sichern, um konkurrenzfähig zu bleiben, sonst teilen sich in Zukunft ein paar wenige Grosshändler den Markt, die rein über hohe Stückzahlen ihren Gewinn erzielen. 

Was muss passieren, damit die Menschen bereit sind, wieder beim lokalen Händler zu kaufen und dabei vielleicht etwas mehr auszugeben?
Vielleicht muss es erst hohe Arbeitslosenzahlen geben und keine Ausbildungsplätze mehr, bis sich die Menschen bewusst werden, dass die Entscheidung, wo sie einkaufen, einen grossen Einfluss auf den gesamten Wirtschaftsstandort hat. Ich mache auch niemandem einen Vorwurf, nach dem günstigsten Preis zu suchen. Aber wenn der Österreicher im eigenen Land teurer einkauft als der Liechtensteiner oder Schweizer, weil der Österreicher die Mehrwertsteuer nicht zurückerstattet bekommt, stimmt doch etwas nicht! Nicht zuletzt sollte man sich bei heimischen Betrieben informieren, und man wird sehen, dass sie nicht immer den teuersten Preis haben. Zudem haben auch eine fachmännische Dienstleistung und die kurzen Wege einen Wert, den man im Internet nicht erhält. 

Denken Sie, die Politik wird diesbezüglich handeln und die Freigrenzen für den Einkauf im EU-Ausland aufheben?
Zwar gibt es in der Schweiz Stimmen, die sich gegen die Freigrenze aussprechen, aber seitens des Zolls wird argumentiert, dass der Aufwand zu gross wäre, um alle eingeführten Waren zu versteuern. Dabei dürfte dies im heutigen digitalen Zeitalter kein Problem mehr darstellen. 

Gleichzeitig gilt für das Gewerbe keine Freigrenze.
So ist es. In Liechtenstein hört man oft, wie toll es doch ist, Teil des EWR zu sein. Für die Exportindustrie ist die Mitgliedschaft sicher eine grossartige Sache, aber das Gewerbe hat keine Vorteile – im Gegenteil. Für uns gibt es nur Hürden, Beschränkungen und gesetzliche Vorgaben. Das ist schade. 

Können Sie ein Beispiel nennen?
Ein aktuelles Beispiel ist das neue Versicherungsvertriebsgesetz, vormals Versicherungsvermittlungsgesetz, das aus der EU kommt und wir übernehmen mussten. Dieses besagt, dass man eine kostspielige Versicherungsprüfung ablegen muss, um eine Versicherung vermitteln zu dürfen. Das lohnt sich nur, wenn man dies professionell betreibt. Bei uns aber gibt es Leasingangebote, welche Versicherungen wie auch Serviceverträge beinhalten. Der Kunde profitiert dann von einem tieferen Leasingzinssatz, wenn er das ganze Paket über die Leasinggesellschaft kauft. Diese Pakete dürfen wir in Liechtenstein aber nicht vermitteln, weil wir dem Versicherungsvertriebsgesetz unterstehen. Der Schweizer Händler hat in dieser Hinsicht keine Beschränkungen. Daher haben wir einen riesigen Wettbewerbsnachteil gegenüber den Kollegen über dem Rhein. 

Die Politiker argumentieren in solchen Fällen, dass ihnen angesichts des EWR-Vertrags die Hände gebunden sind und kaum Handlungsspielraum besteht.
Ich habe dafür ja auch Verständnis. Aber dennoch sollte man die Gesetzgebung doch grössenverträglich für unser Land gestalten oder zumindest mit der Schweiz abgleichen können. Es darf nicht sein, dass das liechtensteinische Gewerbe einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Schweiz erfährt! 

Im Jahr 2018 wurden in Liechtenstein fast 9 Prozent weniger Autos neu zugelassen als im Jahr davor, auch Anfang dieses Jahres zeigte der Trend nach unten. Welche weitere Entwicklung erwarten Sie?
Die tieferen Verkaufszahlen haben zum Teil damit zu tun, dass die Hersteller aufgrund der neuen Abgasnormen nicht liefern konnten oder können – bei Porsche war das beispielsweise sehr stark der Fall. Mich überrascht dabei, dass die Hersteller hier nicht besser vorbereitet waren, denn es war ja keine Überraschung, dass ab September 2018 eine neue Abgasnorm gelten wird. Daneben hat sich der Skandal mit dem Softwarebetrug bei den Dieselfahrzeugen auf die ganze Branche ausgewirkt. Wir machen täglich die Erfahrung, dass die Kunden verunsichert sind wegen angeblichen Städtefahrverboten für Dieselmotoren und sie deshalb kein solches Fahrzeug mehr kaufen möchten. Hier hat die Politik den bis anhin schadstoffarmen Dieselmotor kaputt gemacht.

Anzeige

Ab 2021 dürfen Neuwagen nur noch 95 Gramm Kohlendioxid und ab 2030 nur noch 59,4 Gramm CO2 je Kilometer ausstossen. Welche Auswirkungen haben diese Verschärfungen für die Hersteller und die Händler?
Irgendwann stellt sich natürlich die Frage, ob sich der finanzielle Aufwand noch lohnt, den man betreiben muss, um die zukünftig noch schärferen Abgasnormen erfüllen zu können. Es gibt viele Hersteller, die sagen, dass dies dann das Ende des Dieselmotors bedeutet. Dann setzt man eben auf Benzin-, Elektro- und Hybrid-Motoren. Dabei sollte man bedenken, dass bei der Herstellung von Elektrofahrzeugen auch CO2 und Schadstoffe entstehen. Und im Betrieb mag ein Elektroauto zwar keine Emissionen produzieren, aber woher kommt denn der Strom? Es ist sicher richtig, dass man zu unserer Umwelt Sorge trägt. Ich bin der Meinung, dass die Automobilindustrie in den letzten Jahren sehr viel für die Umwelt getan hat und die Entwicklung rasant voranschreitet. Die Umwelt schonen, gleichzeitig aber den Wohlstand ständig steigern wollen – dies ist ein gewisser Widerspruch. Konsequenterweise müssten wir dann die Industrialisierung zurückfahren und wieder als Landwirte die Felder bestellen. 

Bei aller Liebe zur Umwelt: In unseren Breitengraden zumindest fahren auffällig viele SUVs auf der Strasse herum, wenn es in den meisten Fällen auch ein Elektrofahrzeug täte.
Natürlich kann man sich fragen, ob man als Zweitwagen einen grossen SUV fahren muss. Tatsache ist aber, dass dieser Fahrzeugtyp sehr beliebt ist und es wohl auch in Zukunft bleiben wird. Bei uns ist dies zudem ein gewisses Statussymbol. 

Mit grossen Motoren lassen sich die neuen Abgasnormen kaum mehr erfüllen. Das würde heissen, dass der Flottenverbrauch der Hersteller zu hoch sein wird und sie die Kosten für die Strafzahlungen an die Kunden weitergeben müssen, oder?
Klar, sie müssten die Kosten auf den Endkunden abwälzen. Wenn ab 2021 der CO2-Ausstoss über die ganze Flotte den Wert von 95 Gramm pro Kilometer nicht mehr überschreiten darf, frage ich mich schon, wie das gehen soll. Einen solchen Wert erreichen heute nur extrem sparsame Kleinwagen. In Zukunft kann man die Vorgaben nur mit einem Mix aus Hybrid- und Elektrofahrzeugen einhalten. Der V8 jedenfalls ist Geschichte, den werden unsere Kinder nicht mehr erleben.  

Anzeige

Die werden dann in Zukunft ausschliesslich mit Elektroautos unterwegs sein?
Es ist sicher eines der Antriebskonzepte der Zukunft, die sich in den nächsten Jahren durchsetzen werden. Hybrid wird es nach wie vor geben, wegen der höheren Reichweite. Und es wird wieder vermehrt über Wasserstoff diskutiert und viel getüftelt. Wasserstoff-Fahrzeuge können wie Elektromobile emissionsfrei betrieben werden, doch auch hier ist der Knackpunkt die Produktion. Ich bin überzeugt, dass es verschiedene Antriebskonzepte geben wird. Elektroautos sind für das urbane Gebiet die richtige Wahl, Hybrid-Fahrzeuge eignen sich für längere Strecken und beim Wasserstoff lassen wir uns überraschen, was die Zukunft bringt. Da geht es ohnehin noch einige Zeit, bis auch ein entsprechendes Tankstellennetz aufgebaut worden ist. Und auch der Verbrennungsmotor wird nach wie vor weiter optimiert werden, damit dieser noch umweltfreundlicher betrieben werden kann. 

Wie viel kann man beim Verbrennungsmotor noch herausholen?
Ich staune selbst, wie die Hersteller immer mehr aus den Motoren herauskitzeln. Daher glaube ich, der Benzinmotor wird so schnell nicht sterben, das werden wir nicht mehr erleben. Beim Diesel bin ich mir nicht so sicher, der hat momentan keine guten
Zukunftsaussichten.