Das Zustandekommen eines Vertrages

Carmen Oehri, Rechtsanwältin und Partnerin

Der Kaufvertrag, der Mietvertrag, der Arbeitsvertrag, ja selbst der tägliche Einkauf beim Bäcker oder der Kauf eines Busbillets stellt einen Vertrag dar. Jeder von uns schliesst demnach, ob bewusst oder unbewusst, so gut wie täglich Verträge ab. Im Folgenden soll deshalb ein Kurzüberblick über das wirksame Zustandekommen eines Vertrages gegeben werden.

Text: Carmen Oehri, MLaw; Rechtsanwältin und Partnerin

 

Angebot und Annahme
Damit ein Vertrag zwischen zwei Parteien überhaupt entstehen kann, ist zunächst ein Angebot zur Vertragsschliessung durch eine der beiden Parteien notwendig. Das Angebot muss einen Bindungswillen erkennen lassen. Einfache Einladungen zu Vertragsverhandlungen oder Absichtserklärungen reichen für ein verbindliches Angebot nicht aus. Die Übersendung von Preislisten und Katalogen oder das Ausstellen von Waren im Schaufenster sind keine Angebote mit Bindungswillen, sondern stellen lediglich eine Einladung zu Vertragsverhandlungen dar. Das Angebot wird erst durch den Kunden gemacht. Das Bereitstellen eines Auktionsgegenstandes in einer Online-Auktion ist hingegen als ein verbindliches Angebot zur Vertragsschliessung zu werten. 

Der Vertrag kommt dadurch zustande, dass ein Angebot durch die Erklärung des Annehmenden angenommen wird, respektive dass dieser mit dem Angebot bzw. dem vorgeschlagenen Abschluss des Vertrages einverstanden ist. Die Annahmeerklärung kann ausdrücklich oder konkludent durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden. In der Praxis zählen hierunter beispielsweise das Zahlen des Kaufpreises, das Verwenden einer Sache oder das Einfahren in eine kostenpflichtige Parkgarage und Ziehen eines Parktickets. Auch bei der Annahmeerklärung muss ein entsprechender Bindungswille erkennbar sein. Eine Pflicht zur Annahme besteht aufgrund der in Liechtenstein herrschenden Privatautonomie grundsätzlich nicht. 

Notwendiger Mindestinhalt
Voraussetzung für das Zustandekommen eines Vertrages ist ein bestimmter notwendiger Mindestinhalt. Hierunter fallen in der Regel die Leistung, die Gegenleistung sowie die Vertragsparteien. Die Rechtsprechung differenziert bei der Auslegung von Verträgen zwischen dem notwendigen Mindestinhalt und den Nebenpunkten von Vertragserklärungen. Sind sich die Vertragsparteien über den notwendigen Mindestinhalt nicht einig, kommt von vornherein kein Vertrag zustande. Hingegen kann ein Vertrag bei Unstimmigkeiten in Nebenpunkten rechtsgültig entstehen, wenn angenommen werden kann, dass der Vertrag auch ohne Einigung über die Nebenpunkte geschlossen worden wäre. Ein Vertrag kann aber auch ohne vertragliche Nebenpunkte geschlossen werden, was z. B. regelmässig beim Kauf von Alltagsgegenständen der Fall ist. Der notwendige Mindestinhalt eines Vertrages variiert je nach Vertragsart. So muss man sich beispielsweise bei einem Kaufvertrag über Ware und Preis, bei einem Mietvertrag über Mietgegenstand, Mietzins und Mietdauer oder bei einem Darlehen über den Geldbetrag einig sein.

Formfreiheit
Verträge sind grundsätzlich ohne Einhaltung einer bestimmten Form wirksam und können deshalb auch mündlich geschlossen werden. Sogar Verträge mit weitreichenden Konsequenzen, wie beispielsweise Mietverträge, Arbeitsverträge, Darlehensverträge usw. können formfrei geschlossen werden, wenngleich die Schriftform in solchen Fällen wohl die Regel ist. Die Parteien können auch vereinbaren, dass für das Zustandekommen des Vertrages eine bestimmte Form erforderlich ist. In diesem Fall ist die Einhaltung der konkret vereinbarten Form eine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Vertrag. Es gibt aber auch gesetzliche Ausnahmen von der Formfreiheit, so ist beispielsweise bei Ehepakten Schriftlichkeit vorgesehen und müssen die Unterschriften beglaubigt sein. 

Um Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, ist es zu empfehlen, Verträge mit weitreichenden Konsequenzen in schriftlicher Form abzuschliessen.