Muss Dr. med. Ruth Kranz-Candrian (Ärztekammerpräsidentin) CHF 275’000 an die Sozialwerke nachzahlen?

Aerztekammerpräsidentin Dr. Ruth Kranz-Candrian ist schon wieder im Kreuzfeuer der Kritik. Diesmals geht es den Behörden um zu wenig hoch angegebenes Einkommen aus dem Jahre 2012!

KLEINE ANFRAGE AN MAURO PEDRAZZINI? 

 

Der FBP-Abg. Wendelin Lampert stellte an Regierungsrat Dr. Mauro Pedrazzini in der September-Session des Landtags  vom 5.-7. September folgende Kleine Anfrage:

«Gemäss Urteil 2018/009 des Verwaltungsgerichtshofes wollte die Präsidentin der Ärztekammer bei einem Nettoumsatzerlös von CHF 2’933’292 sowie einem Reingewinn von CHF 772’592 im Jahr 2012, nach der Gründung einer Ärzteaktiengesellschaft lediglich einen Jahreslohn von CHF 195‘000 deklarieren. Dies obwohl vor der Gründung der Ärzteaktiengesellschaft im Steuerjahrjahr 2009 ein Erwerb von CHF 1’061’222 und im Steuerjahr 2010 von CHF 935’118 aus selbstständiger Tätigkeit generiert wurde.

Die Steuerverwaltung hat den deklarierten Betrag von CHF 195‘000 der Ärztekammerpräsidentin auf einen Betrag von CHF 589’600 korrigiert. Diese Korrektur der Steuerverwaltung wurde vom Verwaltungsgerichtshof als korrekt beurteilt, und das Verfahren wird gemäss Aussagen des Rechtsvertreters der Ärztekammerpräsidentin an den Staatsgerichtshof weitergezogen. Dies obwohl der Staatsgerichtshof bereits mit Urteil vom 16. Dezember 2014 zu StGH 2013/116 erkannte, dass der Verwaltungsgerichtshof in der Sache zu VGH 2013/067 das steuerlich angemessene Gehalt nicht willkürlich bestimmt habe.»

Hierzu ergeben sich die folgenden Fragen:

  1. Wie viel Geld wäre den Sozialwerken und dem Staat entgangen, wenn das Verhalten der Ärztekammerpräsidentin von der Steuerverwaltung und dem Verwaltungsgerichthof toleriert worden wäre beziehungsweise wie hoch fallen nun die Rückzahlungen für die Jahre 2012 bis 2017 unter der Annahme aus, dass die Zahlen jeweils dem Jahr 2012 entsprechen?
  2. Wer war der Wirtschaftsprüfer, der eine solche Erfolgsrechnung geprüft und für gut befunden hat beziehungsweise was sagt die Wirtschaftsprüfervereinigung zu einem Verhalten, mit dem sowohl dem Staat als auch den Sozialwerken eine stattliche Summe entzogen werden sollte?
  3. Wird die Ärztekammerpräsidentin nun sanktioniert, weil Sie versucht hat, Steuern und Sozialabgaben in erheblichem Umfang zu umgehen, was generell als unethisches Verhalten bezeichnet werden könnte?
  4. Wie beurteilt die Regierung einen Umsatz einer Arztpraxis auf dem Land von annähernd CHF 3 Mio.?
  5. Wie beurteilt die Regierung die Forderung der Ärztekammer nach Anhebung des Taxpunktwerts angesichts der in diesem Urteil öffentlich gemachten Zahlen zum Einkommen der Ärztekammerpräsidentin?

 

Antwort von RR Mauro Pedrazzini

Zu Frage 1:

Die Differenz zwischen dem deklarierten Jahreslohn von CHF 195‘000 und dem von der Steuerverwaltung festgelegten und in diesem Fall strittigen Jahreslohn von CHF 589‘600 betrug CHF 394‘600. Das Urteil betrifft das Jahr 2012, in dem die Abgaben für AHV, IV, FAK und Verwaltungskosten auf rund 11.6% festgesetzt waren. Folglich ergibt sich eine Differenz in diesen Sozialabgaben von rund CHF 45‘800 für das Jahr 2012. Mit den in der Fragestellung gemachten Annahmen betrüge die Differenz über die 6 fraglichen Jahre rund CHF 275‘000.

Aussagen zum Einfluss einer höheren Festlegung des zu versteuernden Gehalts auf die Steuerzahlung sind anhand dieses Urteils nicht möglich, insbesondere weil für die Beurteilung des Steuersatzes eines Privathaushalts auch das in der Steuererklärung deklarierte Vermögen, der Zivilstand und das gesamte Haushaltseinkommen von Bedeutung sind.

Die Regierung kann nicht aufgrund eines konkreten Einzelfalles Zahlen veröffentlichen, die dem Amts- oder Steuergeheimnis unterliegen. Grundsätzlich kann jedoch festgehalten werden, dass in der Regel die Sozialversicherungs- und Steuerabgaben tiefer ausfallen, wenn Erwerbseinkommen über eine Gesellschaft fakturiert werden anstatt als Selbständigerwerbender und die entsprechenden Gehaltsbezüge deutlich darunter liegen.

 

Zu Frage 2:

Angaben zur Revisionsstelle sind im Handelsregisterauszug verzeichnet. Dieser kann beim Öffentlichkeitsregister bezogen werden.

Die Wirtschaftsprüfervereinigung erklärte auf Anfrage, dass die Revisionsstelle im aktuellen Fall ist kein Mitglied der Wirtschaftsprüfervereinigung ist. Jedoch lasse sich allgemein klar sagen, dass der angemessene Lohn von Seiten der AHV und Steuerverwaltung vorgeschrieben sei. Sollte der in der Buchhaltung erfasste Lohn des Eigentümers in einem klaren Missverhältnis stehen, stelle sich die Frage, ob eine Rückstellung für allfällige Sozialleistungen gebildet werden müsse. Würde keine entsprechende Rückstellung gebildet bzw. die Eventualverpflichtung nicht im Anhang offengelegt, müsse die Revisionsstelle eine Einschränkung im Review-Bericht machen.

Hierbei müsse aber der Grundsatz der Wesentlichkeit beachtet werden. Bei sehr kleinen Beträgen bestehe keine Notwendigkeit, dies im Review-Bericht zu erwähnen.

Zu Frage 3:

Wenn zwischen dem Steuerpflichtigen und der Steuerverwaltung Uneinigkeit herrscht über die Angaben in der Steuererklärung bzw. über die Steuerrechnung, steht der betreffenden Person der Beschwerdeweg offen. Die Besteuerung und Berechnung von anderen Abgaben erfolgt anhand der auf diesem Weg entstehenden rechtsgültigen Entscheidung. Es erfolgt keine Sanktionierung über die Nachzahlung eines eventuell geschuldeten Betrags und die Begleichung eventueller Verfahrenskosten hinaus.

Zu den Fragen 4 und 5:

Aus den in diesem Urteil veröffentlichten Zahlen kann nicht geschlossen werden, dass andere Arztpraxen Umsätze und Gewinne in dieser Höhe generieren. Wie aus den in der Krankenkassenstatistik anonym veröffentlichten Umsätzen der ersichtlich ist, sind die Umsätze der meisten Arztpraxen deutlich geringer. Es handelt sich hier also um einen extremen Einzelfall.

Eine Auswertung des Ministeriums über die Zahlen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung hat ergeben, dass Ärztinnen und Ärzte der Fachrichtung „Allgemeine Innere Medizin“  oder „praktischer Arzt/Ärztin“ mit OKP-Vertrag im Jahr 2017 alleine mit OKP-Leistungen durchschnittlich einen Umsatz von rund CHF 800‘000 generierten, davon 460‘000 mit Behandlungen und Labor und 340‘000 mit Medikamenten. In dieser Auswertung sind auch Ärztinnen und Ärzte enthalten, die nicht in einem vollen Pensum tätig sind und es fehlen auch Einnahmen aus Nicht-OKP-Leistungen wie beispielsweise der Unfallversicherung oder Patienten aus der Schweiz. Der Durchschnittsumsatz einer Vollzeitstelle inklusive Einnahmen aus nicht-OKP-Leistungen wird daher deutlich höher sein als die genannten 800‘000.

Aus Sicht der Regierung kann mit einem Vollzeitpensum und einem OKP-Vertrag auch mit einem Taxpunktwert von 0.83 im Bereich der Hausärzte ein sehr attraktives Einkommen erzielt werden.

Da sowohl Tarif als auch Taxpunktwert im Jahr 2017 gleich waren wie in den angrenzenden Schweizer Kantonen, können Vergleiche angestellt werden. Auf Basis des Kostenmonitorings des Bundesamts für Gesundheit kann festgestellt werden, dass die Kosten und somit die Leistungsmenge für die Kategorie „Arzt Behandlung“ in Liechtenstein pro Versicherten um 25% höher ist als im Kanton St.Gallen und um 40% höher als im Kanton Graubünden. Es gibt bis heute keine schlüssige Erklärung für diese hohe Differenz.

Wird allerdings vom Krankenkassenverband festgestellt, dass bei einzelnen Ärztinnen und Ärzten die Kosten pro Behandlungsfall vergleichsweise deutlich zu hoch sind, werden im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsverfahren Rückforderungen gestellt. Die diesbezügliche Gesetzeslage wurde im Rahmen der KVG-Revision verbessert, ein Urteil aufgrund dieser neuen Gesetzeslage ist allerdings noch ausstehend.