Landtagssitzung Juni 2018: Liechtenstein mit hoher Selbstmord-Rate

In der Juni-Session des Landtages hatte Regierungsrat Mauro Pedrazzini u.a. auch eine Kleine Anfrage von Landtags-Vizepräsidentin Gunilla Marxer-Kranz zur Besetzung des AHV-Verwaltungsrates zu beantworten.

 

 

Beantwortung der Kleinen Anfrage des Abg. Harry Quaderer durch Regierungsrat Mauro Pedrazzini

 

Frage:

Ich habe eine kleine Anfrage – leider aber eher trauriger Natur – nämlich der, so erscheint es zumindest mir, sehr hohen Suizidrate in Liechtenstein. Vielleicht wäre es mal wichtig sich Gedanken über dieses Phänomen in Liechtenstein zu machen.

  1. Wie viele Suizide hat es in den letzten drei Jahren in Liechtenstein gegeben?
  2. In welchen Altersgruppen, männlich, weiblich, hat es in den letzten drei Jahren Suizide gegeben?
  3. Können irgendwelche Rückschlüsse über die Gründe solcher Verzweiflungstaten gemacht werden?
  4. Wie vergleicht sich die Suizidrate Liechtensteins mit EU-Ländern und auch der Schweiz?
  5. Sieht die Regierung Handlungsbedarf wie man diese traurige Bilanz eventuell verbessern könnte?

 

Antwort:

Zu Frage 1:

Aufgrund der kleinen Bevölkerungszahl und der starken Schwankungen wurden die Zahlen der letzten 10 Jahre ausgewertet.

Aus der Todesursachenstatistik lassen sich die folgenden Zahlen zu den Suiziden der letzten zehn Jahre ableiten:

2007: 3 Personen

2008: 5 Personen

2009: 0 Personen

2010: 10 Personen

2011: 3 Personen

2012: 2 Personen

2013: 2 Personen

2014: 3 Personen

2015: 1 Person

2016: 7 Personen

Die Zahlen der Todesursachenstatistik zum Jahr 2017 sind noch nicht ausgewertet. Aus der Statistik der Landespolizei sind für das Jahr 2017 9 Suizide aufgeführt.

Diese Angaben umfassen möglicherweise nicht alle Fälle, da z.B. bei Fällen im Ausland oftmals keine Todesursachenmeldung an das Amt für Gesundheit geschickt wird oder ein Suizid aus der Todesursachenmeldung nicht ersichtlich ist.

Zu Frage 2:

Die Altersverteilung ist sehr heterogen und es lässt sich keine speziell gefährdete Altersgruppe davon ableiten. In Summe der letzten zehn Jahre (ohne 2017) ergab sich folgende Verteilung:

Altersklasse 85 – 94: 1 Person

Altersklasse 75 – 84: 1 Person

Altersklasse 65 – 74: 8 Personen

Altersklasse 55 – 64: 7 Personen

Altersklasse 45 – 54: 8 Personen

Altersklasse 35 – 44: 4 Personen

Altersklasse 25 – 34: 3 Person

Altersklasse 15 – 24: 4 Personen

Von den insgesamt 36 Personen waren 25 männlich und 11 weiblich.

Zu Frage 3:

Es gibt Hinweise darauf, dass psychische Erkrankungen eine Rolle bei gewissen Suiziden spielen. Konkret kann aber nicht ausgewertet werden, was der tatsächliche Auslöser für den Suizid gewesen ist.

Mögliche Auslöser für eine solche subjektiv als ausweglos erlebte Situation können psychische Störungen, traumatische Erlebnisse, Existenzängste, chronische Schmerzen, Drogenabhängigkeit oder Probleme im sozialen Umfeld sein.

Zu Frage 4:

Die Suizidrate in der Schweiz liegt seit 2010 gemäss Bundesamt für Statistik ziemlich konstant bei 11 Suiziden pro 100‘000 Einwohnern. Der Durchschnitt der Suizide in der EU bewegt sich gemäss den Angaben von Eurostat aus dem Jahr 2014 ebenfalls im Bereich von 11 Suiziden pro 100’000 Einwohnern.

Die kleinen Populationszahlen in Liechtenstein machen einen Vergleich schwierig. So wäre für das Jahr 2015 eine Suizidrate von 2.7 pro 100’00 Einwohnern zu verzeichnen und für das Jahr 2016 eine Suizidrate von 18.2 pro 100‘000 Einwohnern. Berechnet man den Durchschnitt über die Jahre 2007 bis 2016, liegt sie bei 9.8 pro 100‘000 Einwohnern.

Zu Frage 5:

Es besteht ein breites Angebot an unterstützenden Stellen.

Für Jugendliche und Erwachsene bietet der Verein NetzWerk unter der Adresse www.helpmail.li kostenlos Beratung an. Für Personen, die nicht über Internet kommunizieren können oder wollen, ist telefonische Beratung möglich über die Nummer 00423 399 20 82. Diese Nummer ist nicht durchgehend besetzt.

Das Kriseninterventionsteam KIT unterstützt Betroffene und Angehörige kostenlos bei akuter Suizidgefahr und nach Suizidhandlungen. Das Aufgebot des KIT erfolgt über die Landesnotrufzentrale, Tel. Nr. 117. In nicht dringlichen Fällen Tel. Nr. 236 48 33. Das Kriseninterventionsteam betreibt auch die Website www.kit.li.

Auch die Schulsozialarbeit ist immer wieder mit diesem Thema befasst und auch der Psychiatrisch-Psychologische Dienst des Amts für Soziale Dienste kümmert sich immer wieder um Klienten mit Suizidgefährdung.

Depressionen und andere psychische Krankheiten werden durch bestehende Angebote im Gesundheitswesen behandelt, von Hausärzten, Psychiatern, Psychotherapeuten bis hin zu ambulanten und stationären Einrichtungen.

Wichtig ist, dass die betroffenen Personen Hilfe suchen oder von Angehörigen und Bekannten dazu aufgefordert werden und die Hilfe auch annehmen.

Ganz allgemein lässt sich sagen, dass die in Frage 3 beschriebenen Risikofaktoren angegangen werden können über Massnahmen der Gesundheitsförderung, Förderung von Zufriedenheit, Glück und Wohlbefinden und Massnahmen zur Unterstützung in schwierigen Situationen und der Sensibilisierung. Solche unterstützenden Massnahmen gab und gibt es bereits, wie beispielsweise durch Aktionen des Liechtensteiner Bündnis gegen Depression, des Ostschweizer Forums für psychische Gesundheit oder der betrieblichen Gesundheitsförderung. Weiter bestehen Beratungsangebote wie z.B. Suchtberatung, Beratung in Altersfragen, Beratung von Jugendlichen, Beratung von Frauen, Schwangerschaftsberatung oder Selbsthilfegruppen. Auch sinnstiftende und strukturierende Angebote wie Beschäftigungs- und Interventionsprogramme oder die Möglichkeit des betreuten Wohnens sind vorhanden.