Das Bürgerpaket ist nicht enkeltauglich

Offener Brief des Regierungschefs
an die Bevölkerung 

Nach der Präsentation des ausserordentlich guten Ergebnisses der Landesrechnung 2017 über 170 Mio. Franken Gewinn durch Regierungschef Adrian Hasler, hat die Vaterländische Union ein „Bürgerpaket“ mit Erleichterungen im Altersbereich, bei den Familien und bei den Krankenkassen-Beiträgen gefordert. So will die VU von den satten Gewinnen einen Teil wieder an die Bevölkerung zurückgeben, was der FBP gar nicht ins politische Konzept passt. Sie spricht davon, dass die spätere Generation diese Lasten zu tragen hätte. Lesen Sie nachstehend den offenen Brief des Regierungschefs an die Bevölkerung.

 

Liebe Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner,
liebe Einwohnerinnen und Einwohner

Ich durfte diese Woche der Öffentlichkeit ein sehr erfreuliches Jahresergebnis 2017 präsentieren. Das Ergebnis der Erfolgsrechnung schloss mit einem Gewinn von 170 Mio. Franken ab. Der Grund für dieses ausserordentlich gute Ergebnis liegt einerseits in der sehr guten Konjunkturlage und damit deutlich höheren Gewinnen der Unternehmen sowie insbesondere im ausserordentlich hohen Finanzergebnis.

Alleine mit dem extern verwalteten Vermögen hat das Land über CHF 100 Mio. erwirtschaftet. Dass dies je nach Börsenentwicklung auch ganz anderes aussehen kann, zeigt die Erfahrung der vergangenen Jahre. Anderseits konnte aufgrund der verantwortungsvollen Ausgabenpolitik der betriebliche Aufwand stabil gehalten werden. Strukturell steht die Landesrechnung damit auf einem gesunden Fundament. Dennoch sollte man sich von den positiven Zahlen nicht blenden lassen und die längerfristig wirkenden Trends und Risiken im Auge behalten.

Dies scheint nicht allen bewusst zu sein. Die Vaterländische Union hat vorgestern ein Bürgerpaket mit einem Strauss von erheblichen neuen jährlichen Ausgaben angekündigt. Und dies nur einen Tag nach der Bekanntgabe des Ergebnisses der Landesrechnung. Mit diesem Bürgerpaket möchte die VU verschiedene Massnahmen aus den Sparpaketen, welche massgeblich zur erfolgreichen Sanierung des Staatshaushaltes beigetragen haben, teilweise wieder rückgängig machen. Wie aus der Medienmitteilung der VU entnommen werden kann, denkt sie hierbei unter anderem an eine Erhöhung der Staatsbeiträge an die AHV sowie an die Krankenkassen. Darüber hinaus prüfe sie weitere familienfreundliche Massnahmen wie stärkere steuerliche Entlastungen. Zu guter Letzt bringt sie erneut das „Demografie-Prozent“ ins Gespräch, über welches in den Koalitionsverhandlungen vereinbart wurde, dieses nicht umzusetzen. Mit diesem Bürgerpaket sollen somit neue laufende Ausgaben getätigt werden, welche das Ausgabenvolumen des Staates nachhaltig erhöhen. Inwieweit diese Vorschläge direkt der Bevölkerung zu Gute kommen, bleibt offen.

Mit dieser Ankündigung stellt die VU die gemeinsamen Anstrengungen der letzten Jahre hinsichtlich der Sanierung des Staatshaushaltes nicht nur in Frage, sondern macht eine Kehrtwende. Da die Entwicklung an den Börsen bzw. internationalen Finanzmärkten nicht nur aufwärts geht und die angekündigten Vorschläge der VU jedenfalls einen massgeblichen Anstieg der Ausgaben mit sich bringen werden, bedeutet das Vorhaben der VU über kurz oder lang nichts anderes, als dass ein neues Sparpaket nötig werden wird. Ein solches Sparpaket würde die Bevölkerung jedoch sehr direkt treffen. Der Vorschlag der VU ist nicht nachhaltig, sondern kurzsichtig und würde zu weiteren Einschnitten bei der Bevölkerung führen. Kurzum: Das VU-Bürgerpaket ist nicht enkeltauglich.

Mit diesem Vorgehen torpediert die VU sowohl den Koalitionsvertrag als auch das Regierungsprogramm. Die VU verabschiedet sich mit dem Bürgerpaket von der im Koalitionsvertrag festgehaltenen ‚Sicherung eines soliden, ausgeglichenen Finanzhaushalts, der eine generationenübergreifende Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit garantiert und die Souveränität sichert‘. Ebenfalls hält es die VU nicht für notwendig, ihre finanzpolitische  Kehrtwende mit dem Koalitionspartner abzustimmen, sondern kommuniziert dies mittels einer Medienmitteilung. Wenn im gestrigen Liechtensteiner Vaterland auf der Titelseite schon wieder kräftig zurückgerudert wird, frage ich mich, ob das Bürgerpaket wirklich ernst gemeint ist oder nur billiger Populismus. Oder traut sie sich doch nicht ganz, zu den Konsequenzen ihres Vorschlags zu stehen?

Mit dem angekündigten Bürgerpaket opfert die VU das gemeinsam Erreichte. Die Rückkehr zu einem ausgeglichenen Staatshaushalt war für beide Parteien im Wahlkampf 2013 oberstes Ziel und auch wichtigstes Projekt der Legislaturperiode 2013-2017. Dass dies notwendig und richtig war, bezweifelt bisher niemand. Diese Verantwortung haben die beiden Grossparteien unter der Führung  der FBP zusammen übernommen. Sie haben schmerzhafte Eingriffe umgesetzt, die letztlich zum Wohle des Landes und der ganzen Bevölkerung führten. Jetzt, nur ein Jahr danach, soll der finanzpolitische Schlendrian wieder Einzug halten. Wenn die VU staatstragend sein will oder gar einen Führungsanspruch geltend machen möchte, ist sie gut beraten, sich schnellstens die Finanzkompetenz anzueignen, die es für die verantwortungsvolle Führung eines Staates braucht. Dieses ist mit dem vorgeschlagenen Bürgerpaket nicht erkennbar.

Die Regierung hat im Regierungsprogramm ihren Willen, die Zukunft zu gestalten, klar festgehalten und mit konkreten Massnahmen hinterlegt. Dazu stehe ich. Dafür bin ich bereit, die erforderlichen Mittel einzusetzen: Investitionen in die künftige nachhaltige Entwicklung des Landes, sei dies in eine leistungsfähigere Verkehrsinfrastruktur, in die Rheindammsanierung, in gezielte Standortentwicklungen für die Wirtschaft sowie die Bereitstellung der erforderlichen Schulinfrastruktur, Sport- und Kulturstätten. Diese Investitionen sind wichtig und ein zentrales Anliegen einer gestaltenden Politik.

Nicht einverstanden bin ich mit einem Rückfall in alte Zeiten des leichtfertigen Umgangs mit den Staatsfinanzen. Aus Gründen einer kurzsichtigen Gefallsucht bin ich nicht bereit, die langfristige Stabilität des Staatshaushalts zu opfern. Das erwarte ich auch vom Koalitionspartner VU. Aus diesem Grunde werde ich nächste Woche den Koalitionsausschuss einberufen. Ich möchte von den VU-Verantwortlichen persönlich hören, ob sie weiterhin zur Koalitionsvereinbarung und dem Regierungsprogramm stehen.

Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen,

mit freundlichen Grüssen

Adrian Hasler, Regierungschef