Gesundheitsabkommen: Blick nach vorne statt Suche nach Sündenbock

Aerztekammerpräsidentin Dr. Ruth Kranz-Candrian ist schon wieder im Kreuzfeuer der Kritik. Diesmals geht es den Behörden um zu wenig hoch angegebenes Einkommen aus dem Jahre 2012!

Scheitern des Abkommens wird verpolitisiert /Lösung des regionalen Grenzverkehrs nach wie vor unabdingbar

Eine Mitteilung des Vorstandes der Liechtensteinischen Ärztekammer

Eschen– Es ist nachvollziehbar, dass nach dem wuchtigen „Nein“ des Landtags zum von Minister Pedrazzini ausgehandelten Gesundheitsabkommens Gründe für dieses Verdikt des Landtags gesucht werden. Die medialen Äusserungen von einigen Funktionsträgern in den letzten Tagen sind jedoch teilweise so weltfremd, dass sich hierzu eine Stellungnahme förmlich aufdrängt.

Seit einigen Tagen spricht eigentlich kaum mehr jemand über das Scheitern des Abkommens und die dazu im Landtag ausgeführten Gründe. Es geht offenbar nur darum, das „Nein“ des Landtags einem Schuldigen umzuhängen. Es ist kaum verwunderlich, dass einige Exponenten den Schuldigen schnell gefunden und gebrand-markt haben: Es ist einmal mehr die Ärztekammer, welcher Lobbyismus, Nötigung und, zwischen den Zeilen, sogar Erpressung vorgeworfen wird. Zusätzlich werden undifferenziert „die Journalisten“ ebenfalls mitverantwortlich gemacht. Die Ärztekammer hat die Brandrede des Landtagspräsidenten aufmerksam und mit Besorgnis zur Kenntnis genommen.

Es ist schon erstaunlich: 18 Abgeordnete (72% der Abgeordneten, was nota bene sogar für eine Verfassungsänderung ausreichen würde) aus allen vier Landtagsfraktionen stimmen einem Staatsvertrag nicht zu und es stellt sich keine Sekunde die Frage, ob das Abkommen aus Sicht der Mehrheit des Landtags nicht zufriedenstellend war. Den 18 Abgeordneten des Hohen Landtags wird im Vorbeigehen die Fähigkeit abgesprochen, sich selbst eine sachliche Meinung zu bilden und nach dem Meinungsbildungsprozess eine Entscheidung zu treffen. Der Ton im Landtag wird rauer, es herrscht teilweise schon Wahlkampfstimmung und dies 9 Monate nach der letzten und 39 Monate vor der nächsten Wahl.

Dass nun die Partei des zuständigen Ministers dem Koalitionspartner VU vorwirft, dass sie einzelne Berufsgruppen des Gesundheitswesens vom Schweizer Markt ausgeschlossen habe, zeigt die aktuelle Wahlkampfrhetorik sehr schön auf. Dass jedoch auch die Mehrheit der eigenen Fraktion, nämlich 5 von 9 FBP-Abgeordneten, dem Abkommen des von einem FBP-Minister besetzten Ministeriums nicht zugestimmt hat, wird einfach unter den Teppich gekehrt. Nur die anderen haben sich von der Ärztekammer nötigen, erpressen und instrumentalisieren lassen. Die fünf Abgeordneten aus den eigenen Reihen haben jedoch wohl aus rein sachlichen Gründen gegen das Abkommen gestimmt. Oder sind diese dann auch von der Ärztekammer vor den Karren gespannt worden? Hierzu bitten wir den Parteipräsidenten Banzer gerne um Auskunft.

Der Fraktionssprecher der DU, Harry Quaderer, geht noch einen Schritt weiter und betitelt VU und Freie Liste als „Dökterle-Partei“. Dies ist nicht nur eine verbale Entgleisung, sondern auch ein Boomerang. Wie erklärt sich der DU-Fraktionssprecher Quaderer, dass zwei der fünf DU-Abgeordneten ebenfalls gegen das Abkommen gestimmt haben? Ist die DU somit zu 40% eine „Dökterle-Partei“ oder haben auch seine Fraktionskollegen einfach nach inhaltlichen Gesichtspunkten entschieden? Und an dieser Stelle sei auch die Frage erlaubt, ob es professionell ist, alles per se zu verteufeln, was von der Ärztekammer kommt. Ist ein „Ärzte-Bashing“ unabhängig von der Sachthematik seriöser als das unterstellte Einknicken vor der Ärztekammer? Nein, es ist beides nicht mit einer von allen Parteien immer wieder für sich reklamierten Sachpolitik vereinbar.

Blick nach vorne

Die überwiegende Mehrheit des Landtags ist zum Schluss gekommen, dass das Abkommen nicht mit der innerstaatlichen Gesundheitspolitik verträglich ist und auch die liechtensteinischen Interessen zu wenig stark berücksichtigt. Es hat sich kein einziger Abgeordneter per se gegen eine regionale Gesundheitslandschaft ausgesprochen oder einem Abkommen generell eine Absage erteilt. Das Abkommen in der vorliegenden Form erschien aber dem Landtag nicht stimmig. Statt sich der Suche nach Schuldigen hinzugeben, muss das Ergebnis der ausführlichen Debatte analysiert werden, um darauf aufbauend einen neuen Anlauf zu starten. Die Interessen der Patienten, der Leistungserbringer, der Prämienzahler und des Landeshaushalts müssen ausreichend berücksichtigt werden, dann hat das Abkommen wohl eine gute Chance, mit grosser Mehrheit die Zustimmung des Landtags zu finden. Die Agenda nun einfach ad acta zu legen ist keine Option, der Handlungsbedarf ist unstrittig gegeben, der Lösungsweg war augenscheinlich falsch. Minister Pedrazzini ist nun gefordert, die Anliegen des Landtags aufzunehmen und die Agenda einer für beide Staaten zufriedenstellenden Lösung zuzuführen.