Am Anfang stand im Jahr 2015 eine Idee von Christa Biçer-Beck. Ihre Vision von einem besonders nachhaltigen Gebäude aus möglichst natürlichen Materialien, das sowohl während der Bauphase als auch im Betrieb mit einem Minimum an CO₂-Ausstoss auskommt, ist nun Wirklichkeit geworden. Gelungen ist das Projekt dank der gut funktionierenden Zusammenarbeit zwischen der Bauherrin und Christoph Frommelt, der die Hauptverantwortung für Planung und Bauleitung innehatte. Nun füllt es sich im Inneren mit Leben, das dem Gesamtkonzept gerecht wird.
Text: Heribert Beck
Das neue Gebäude am Kirchenbot 1 in Mauren – zwischen Weiherring und Peter-und-Paul-Strasse gelegen – sticht auf den ersten Blick durch seine Form und seine Bauweise ins Auge. Es nennt sich mit vollem Projekttitel «Heilwerk im Naturraum», und eine Führung von Christoph Frommelt durch das von Christa Biçer-Beck initiierte und von ihm geplante Gebäude macht deutlich, woher dieser Name kommt. «Das Gebäude sollte die Werte ausstrahlen, die Christa und ihr Mann vertreten. Mit diesem Anspruch ist sie an mich herangetreten. Wir haben gemeinsam ein Konzept ausgearbeitet, das dem auf allen Ebenen gerecht wird», sagt Frommelt einleitend und präsentiert als erstes die Tiefgarage, die zwar selbstverständlich als solche zu erkennen, aber dennoch nicht mit anderen Exemplaren vergleichbar ist. Der Boden besteht aus einem Kiesbelag, die Wände sind aus Kalksandstein gemauert, und die tragenden Stützen, die sich durch das ganze Objekt ziehen, sind genauso wie die Decke der Tiefgarage und die weiteren Brettstapeldecken aus heimischem Fichtenholz konstruiert. «Auf Beton beziehungsweise Zement haben wir, wo immer möglich, verzichtet. Das verbaute Holz wiederum stammt komplett aus Liechtenstein selbst, wurde in speziellen Vollmondphasen geschlagen und in keiner Weise chemisch behandelt. Das führt dazu, dass es weniger schwindet oder aufquillt, schwerer entflammbar ist und verleiht ihm den Namen Mondholz.»
Die gleichen Voraussetzungen gelten für das im Heilwerk verwendete Lärchenholz, das für die Riemenböden in den Obergeschossen, die raumhohen Schiebetüren und für die Holzschiebeläden an den Fenstern eingesetzt wurde. Aus Holz ist auch der Kern des Liftschachts, der wie die hölzernen Wendeltreppen nach oben führt. Die Aussenwände wiederum sind aus Hanfkalkziegeln gemauert und mit reinem Kalk verputzt. «Dieses Material mit einer Breite von 42 Zentimetern sorgt für mehr als ausreichend Dämmung», sagt Christoph Frommelt und verweist auf die Innenwände, gefertigt aus einer Hanf-Kalkmasse, welche mit Hilfe einer Holzschalung als Stampfhanfkalkwand das Rohmaterial sichtbar und erfahrbar macht. Selbst die Böden im Erschliessungskern zwischen den beiden Gebäudekörpern und in den Nasszellen, bestehend aus Sumpfkalk, kommen ohne Zement aus. Was die Gebäudekörper selbst betrifft, ist derjenige Richtung Weiherring gemäss dem dort üblichen alten Dorfcharakter mit einem Giebeldach versehen, der hintere mit einem Flachdach, was dem Gesamtgebäude optische Leichtigkeit verleiht. «Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Konstruktion der modernen Variante alter Fachwerkhäuser mit Tragstruktur aus Holz und Massivziegeln aus Hanfkalk entspricht.»
«Kein vergleichbares Gebäude in Liechtenstein – auch ohne Label»
Zusätzlich zu den nachhaltigen Rohstoffen ist das Heilwerk mit einer grossflächigen Photovoltaikanlage, Warmwasserkollektoren, einer Hackschnitzelheizung und einer Speicherbatterie ausgestattet und somit auf weitgehende Energieautonomie ausgerichtet. «Auf die Erlangung eines Labels wie Minergie-P hat die Bauherrin bewusst verzichtet», sagt Christoph Frommelt. «Das braucht Mut und eine konsequente Einstellung, aber es lohnt sich. Die Labels bringen zahlreiche Anforderungen mit sich, welche die Freiheit beim nachhaltigen Bauen einschränken. Aber auch ohne Label kann ich mit guten Gewissen sagen: In Liechtenstein gibt es derzeit kein vergleichbares Gebäude, das so nachhaltig erstellt ist und dessen Bau so wenig CO₂ ausgestossen hat wie das Heilwerk.»
Alternativ, ergänzend und langfristig erfolgreich
Die konsequente Einstellung, die Christa Biçer-Beck beim Verzicht auf Minergie- und andere Label an den Tag gelegt hat, zeichnet sie auch bei der Nutzung des Gebäudes aus. Es ist als Praxishaus konzipiert, aber nicht als klassisches Ärztehaus. Die Bauherrin betreibt dort ihre eigene Osteopathiepraxis. Eine weitere von Jakub Labudzki ergänzt das Osteopathieangebot. Nadine Stadtmüller arbeitet im Heilwerk als Craniosacraltherapeutin, Claus Zeyher und Katja Oomen-Welke, Fachärzte für Dermatologie und Allgemeinmedizin, haben ebenfalls ihr Praxen im grosszügig bemessenen Heilwerk, und Gernot Beck bietet seine Dienste als 3D-Bewegungstrainer an. Sie alle sind auf weitere alternativmedizinische Fachbereiche spezialisiert, deren Aufzählung den Rahmen dieser Projektpräsentation sprengen würde. Christa Biçer-Beck verweist stattdessen auf die Website www.heilwerk.li und ergänzt: «Wir wollen weite Bereiche der Alternativmedizin oder – noch besser formuliert – der Komplementärmedizin abdecken. Denn ‹komplementär› bedeutet ‹ergänzend›. Genau das ist unser Ziel. Die Schulmedizin hat in vielen, vor allem akuten Geschehen ihre absolute Stärke und Berechtigung – und die alternative, ergänzende, Medizin ist auf chronische schleichende Krankheitsprozesse ausgelegte, um diese längerfristig durch entsprechende Behandlungen zu beeinflussen.»
Gegenseitiges Lob eines eingeschworenen Teams
Was so ausgeklügelt ist wie das Heilwerk, muss eine längere Geschichte haben. Sie beginnt, wie Christa Biçer-Beck ausführt, mit der Vision, die sie und ihr Mann im Jahr 2015 hatten. 2019 sind die beiden damit auf Christoph Frommelt zugegangen, und er hat ein Vorprojekt ausgearbeitet. Im September 2022 erfolgte der Spatenstich. Vor wenigen Wochen nun haben die ersten Nutzer das Haus bezogen. Weitere folgen in Kürze. «Bald nach dem Spatenstich, im Winter 2022/23, erfolgte der Holzschlag. Daraufhin musste das Holz trocknen. Das erforderte mehr Zeit als der Import von weither», sagt Christoph Frommelt.
Diese eingeplante zeitliche Verzögerung nahm Christa Biçer-Beck aber gerne in Kauf. «Ich bin mit der Planung, Bauleitung und Unterstützung durch Christoph Frommelt mehr als nur zufrieden. Ich wusste von Anfang an, dass ich mich auf ihn verlassen kann. Er verdient wirklich ein grosses Lob. Wenn man sich für diese Bauweise entscheidet, braucht man einen Fachmann im Hintergrund, der einen Berät, einen aber auch in seinen Entscheidungen unterstützt, einem auch einmal den Rücken gegenüber anderen Auftragnehmern stärkt und mit ihnen zusammen stets eine Lösung für jedes Problem findet.» Diesen Ball spielt Christoph Frommelt gerne zurück: «Ein solches Gebäude lässt sich nur realisieren, wenn die Bauherrschaft hinter der Bauweise steht, sich von abweichenden Ratschlägen nicht beirren lässt. In der Konsequenz wie bei Christa habe ich dies noch nicht erlebt. Das machte die Zusammenarbeit spannend und fruchtbar und hat zu einem grossartigen Resultat geführt.» Ein Resultat, das Christa Biçer-Becks Wunsch von einem «Heilwerk im Naturraum» erfüllt. «In aller Kürze zusammengefasst bedeutet der Name, dass wir uns innen und aussen in einer möglichst natürlichen Umgebung befinden, dort Menschen heilen und dabei handwerklich tätig sind – wie auch die am Bau beteiligten Unternehmer grossartige handwerkliche Fertigkeit bewiesen haben.»