Am 10. April war Patrik Oehri 100 Tage als Stiftungsratspräsident des Landesspitals im Amt. Er hat diese Position in einer turbulenten Zeit angetreten und sich seither vor allem mit der Zukunft der Institution befasst. Im Interview blickt er zurück auf seine ersten Monate, voraus auf die Abstimmung und darüber hinaus. Seine Kernbotschaft lautet: «Wir haben die besseren Argumente.»
Interview: Heribert Beck
Herr Oehri, wie haben Sie die ersten 100 Tage als Stiftungsratspräsident des Landesspitals erlebt?
Patrik Oehri: Es war eine interessante Zeit. Ich bin als Fachfremder in die Materie eingestiegen. Zunächst ging es also einmal darum, den Betrieb, die Menschen hinter dem Landesspital und ihre Aufgaben kennenzulernen. Das war meine Hauptaufgabe. Natürlich war mein Einstieg ins Amt des Stiftungsratspräsidenten auch sofort von der bevorstehenden Landtagsdebatte über den Ergänzungskredit für den Neubau geprägt und dann vom Referendum gegen den Beschluss des Parlaments. Selbstverständlich denke ich aber auch weiter in die Zukunft und habe mir von Anfang an Gedanken gemacht, was ich in meiner Amtszeit bewirken möchte.
Sie sprechen es an: Schon die ersten 100 Tage waren eine turbulente Zeit. Das war bereits im Herbst 2023 klar. Was hat Sie bewogen, das Amt dennoch auf den 1. Januar hin anzunehmen?
Als sich im September abgezeichnet hat, dass Helmuth Vogt sein Amt als Stiftungsratspräsident niederlegen wird und ich für seine Nachfolge angefragt wurde, wusste ich bereits, dass ich Ende April 2024 in Frühpension gehen werde. Zeit hatte ich also. Und Interesse war ohnehin vorhanden. Da ich darüber hinaus seit vielen Jahren bei der Ivoclar im medizinischen Bereich tätig war, hatte ich durchaus einige Berührungspunkte zu Spitälern und medizinischen Forschungseinrichtungen – vollkommen fachfremd war ich also doch nicht, selbst wenn ich im zahnmedizinischen Bereich tätig war. Ausserdem kenne ich die Rolle des Verwaltungsratspräsidenten, die sich auf den Stiftungsratspräsidenten übertragen lässt, von meiner Tätigkeit für die Liechtensteinischen Kraftwerke. Die Kombination aus Kapazitäten, Erfahrungen und bekannten Abläufen hat schliesslich den Ausschlag gegeben.
Welche Aufgaben hat ein Stiftungsratspräsident beim Landesspital und welchen Einfluss kann er nehmen?
Operativ werden die Geschäfte des Landesspitals von CEO Sandra Copeland und ihrem Team in bewährter Weise geleitet. Der Stiftungsrat hat dabei die Oberaufsicht und wacht darüber, dass die Geschäfte sauber geführt werden. Ausserdem nehmen wir unsere Verantwortung mit der unternehmensstrategischen Ausrichtung des Landesspitals wahr. Das bedeutet, dass wir nicht nur Rückmeldungen zum Aktuellen geben, sondern auch in die Zukunft blicken. Dies wiederum beinhaltet auch das Zurverfügungstellen von Mitteln, sodass die beschlossene Strategie auch wirklich verfolgt werden kann. Strategisch wichtig ist unter anderem der geplante Neubau für das Landesspital.
Inwiefern waren Sie in die Ausarbeitung des neuen Kreditrahmens, den der Landtag im März behandelt hat und der nun zur Abstimmung steht, involviert?
Diese Arbeiten wurden vor meiner Zeit als Stiftungsratspräsident gemacht. Natürlich habe ich das Resultat dann zu Beginn meiner Amtszeit gesehen. Ich begrüsse das Ergebnis sehr. Sehen Sie: Vor zwei Jahren wurde bekannt, dass für das Projekt rund 20 Millionen Franken mehr benötigt würden, als das Volk im Jahr 2019 gesprochen hatte. Daraufhin haben die Verantwortlichen das Vorprojekt neu aufgegleist und relevante Einsparungen umgesetzt. Das Ziel war, ein schlankes und dennoch gutes, qualitativ hochwertiges Spital zu bauen, welches die im Jahr 2019 definierten Anforderungen erfüllt. Die öffentliche Kritik, die zuvor über die Planer und Verantwortlichen hereingebrochen war, war vielleicht nötig und ein guter Ansporn im Sinne einer Optimierung. Sie haben in der Folge eine grossartige Arbeit geleistet und auf reduzierter Fläche ein gutes Angebot ermöglicht.
War es denn zuvor die vielkritisierte Luxuslösung?
Das denke ich nicht. Wir haben aber bei Landesbauten ein grundsätzliches Problem: Es findet jeweils aufgrund der getroffenen Preiskalkulation eine öffentliche Ausschreibung statt. Beim Projektwettbewerb möchten die Architekten mit ihrer Eingabe überzeugen. Dabei innerhalb des Kreditrahmens zu bleiben, ist wohl kaum einzuhalten. In unserem konkreten Fall hätte sich die Ausschreibung vielleicht auf 67 Millionen Franken belaufen sollen mit 5 Millionen in Reserve. Sonst starten die Detailplanungen schon mit einem Gap. Das hat sich zum Beispiel auch bei der Landesbibliothek gezeigt. Es handelt sich also nicht um ein Problem, das sich spezifisch auf das Landesspital bezieht. Wer von «Planungsdebakel» sprechen will, muss das demnach bei fast jedem Infrastrukturprojekt des Staats der letzten Jahre machen. Nun, nach der guten Redimensionierungs- und Optimierungsarbeit, von einer «Mogelpackung» zu sprechen, ist sehr unfair.
Die Geburtenstation, die 2019 noch als Anreiz für ein Ja der Stimmberechtigten gedient hat, ist diesen Einsparungen ebenfalls zum Opfer gefallen. Wie sehen Sie diese Thematik?
Das ist so nicht korrekt. Die Planung für die Geburtenstation war von Beginn weg im Projekt enthalten. Die Konzepte liegen zur Umsetzung vor. Der Landtag hat schliesslich im März 2024 entschieden, diese Leistung doch nicht im Rahmen des Projekts zu realisieren. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass dies die richtige Entscheidung ist. Die umliegenden Spitäler haben in diesem Bereich sehr gute und seit Jahren etablierte Angebote. Diesbezüglich haben wir also vor Jahren medizinische Leistungen abgetreten.
Abstimmungen sind – spätestens seit einigen Jahren – immer vor allem von emotionalen Argumenten geprägt. Welches sind für Sie die rationalen Argumente für ein Landesspital?
Wer sich auf der Grundlage der Fakten eine eigene Meinung bildet, die Informationen abwägt, kommt zum Schluss, dass die Argumente für einen Spital-Neubau sprechen. Ein souveräner Staat sollte über eine eigene Notfall- und Spitalversorgung verfügen. Das klingt zunächst auch nach einem emotionalen Argument. Es zeigt sich aber schon an der Auslastung des Landesspitals in den letzten Jahren und seit dem Wandel vom Belegarzt- zum Akutspital, dass das Spital einem Bedürfnis entspricht und genutzt wird. Allein 2023 haben wir fast 10’000 Notfälle behandelt – hochgerechnet ein Viertel der Bevölkerung. Weiter nutzen rund 20 Belegärzte regelmässig die Leistungen des Landesspitals. Und wenn wir im Ausland als Partner ernstgenommen werden wollen, brauchen wir auch eine eigene Grundversorgung.
Wagen Sie eine Prognose zur Abstimmung?
Ich bin zuversichtlich, dass die Stimmberechtigten sich von den besseren Argumenten überzeugen lassen. Und die haben wir.
Haben Sie einen Plan B, wie es nach einer Annahme des Referendums weitergehen könnte?
Es gibt kein alternatives Bauprojekt, das im aktuell bewilligten Kreditrahmen umgesetzt werden könnte. Vor gut vier Jahren haben rund 57 Prozent der Stimmberechtigten ein Ja in die Urne gelegt und sich damit für einen funktionalen Neubau des Landesspitals ausgesprochen. Darauf haben die Planungen aufgebaut. Nun sind nochmals 6 Millionen Franken mehr gefragt. Ich denke nicht, dass diese Summe den Ausschlag für ein Nein geben sollte. Sollte der Ergänzungskredit aber vor dem Volk scheitern, haben wir ein bestehendes Spital. Das Landesspital ist aber in die Jahre gekommen, und es sind Investitionen unerlässlich. Eine Sanierung wäre möglich, aber sehr teuer und umständlich, und sie würde nicht zum idealen Ergebnis führen. Wir würden dies aber im Stiftungsrat und in der Geschäftsleitung zusammen mit der Politik in die Hand nehmen.
Nun haben wir viel über die anstehende Abstimmung gesprochen. Aber welche Ziele haben Sie sich abgesehen vom geplanten Neubau für ihre Amtszeit gesetzt?
Mir ist es wichtig, dass die Anerkennung und die Reputation des Landesspitals gesteigert werden können. Sie entsprechen nicht den Mitarbeitenden, die Grossartiges leisten und Respekt dafür verdient hätten. Unsere Mitarbeitenden gewährleisten den Betrieb eines Regionalspitals, das erste Anlaufstelle bei allen Arten von medizinischen Notfällen ist. 90 Prozent davon können in Vaduz versorgt werden, der Rest wird bestmöglich erst- und optimal weiterversorgt. Leider ist dies in der Bevölkerung noch zu wenig anerkannt. Ich möchte daher zusätzliches Vertrauen in die Institution Landesspital schaffen. Wenn ich dann nach vier Jahren im Amt sagen kann «Das Standing des Landesspitals hat sich verbessert», habe ich ein wichtiges Ziel erreicht.