Kleine Anfragen an RR Graziella Marok-Wachter

RR Graziella Marok-Wachter

Kleine Anfrage des Abg. Sebastian Gassner zum Thema: EU-Richtlinie zu Mautsystemen und Strassenbenutzungsgebühren

Landtagsabgeordneter Sebastian Gassner

Die Richtlinie (EU) 2019/520 über die Interoperabilität elektronischer Mautsysteme wurde vor fünf Jahren angenommen und war bis zum 19. Oktober 2021 von den EU-Staaten umzusetzen. Neben der Interoperabilität von elektronischen Mautsystemen soll der Informationsaustausch über die Nichtzahlung von Strassenbenutzungsgebühren erleichtert werden.

Gemäss meinem Kenntnisstand hat Liechtenstein einen verfassungsrechtlichen Vorbehalt angekündigt, der bis Ende des Jahres 2025 nicht aufgehoben werden könne.

Das führt dazu, dass unseren Partnerstaaten im Europäischen Wirtschaftsraum, wie beispielsweise Norwegen, wichtige Mauteinnahmen von ausländischen Fahrzeughaltern verloren gehen.

Wie in der Postulatsbeantwortung zur Abänderung der Motorfahrzeugsteuer ausgeführt, wäre die Richtlinie von grosser Bedeutung, um eine faire Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur in Liechtenstein zu ermöglichen, welche nicht nur inländische Fahrzeughalter belastet.

Vor diesem Hintergrund habe ich folgende Fragen an die Regierung:

Wie begründet die Regierung diesen Vorbehalt?

In Liechtenstein werden aktuell keine elektronischen Mautsysteme betrieben und damit auch keine Mautgebühren mittels des European Electronic Toll Service (EETS) im Sinne der Richtlinie (EU) 2019/520 erhoben.

Allerdings hat jeder Mitgliedsstaat nationale Vorgaben für im jeweiligen Mitgliedsstaat niedergelassene Betreiber von EETS-Diensten festzulegen. Die nationalen Gesetze haben wiederum der EETS-Richtlinie zu entsprechen. Da das Anbieten von EETS-Diensten im Sitzstaat nicht erforderlich ist, kommt Liechtenstein trotz fehlender inländischer Mautstrassen theoretisch als Ort der Niederlassung in Frage. So könnte ein Anbieter beispielsweise seinen Sitz in Liechtenstein haben, seine EETS-Dienste jedoch ausschliesslich in anderen EWR-Staaten anbieten. Da die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/520 die Schaffung gesetzlicher Grundlagen in Liechtenstein erforderlich macht, ist eine Zustimmung des Landtages für die EWR-Übernahme der Richtline notwendig. Aus diesem Grund wurde im Zuge des EWR-Übernahmeverfahrens ein verfassungsrechtlicher Vorbehalt nach Artikel 103 des EWR-Abkommens angemeldet.

Wo steht Liechtenstein in der Umsetzung dieser Richtlinie und bis wann kann die Richtlinie in Kraft treten?

Aktuell befindet sich die Richtlinie im EWR-Übernahmeprozess. Derzeit werden noch rechtliche Fragestellungen zwischen der EU und den EWR/EFTA Staaten geklärt. Da hier nicht nur Liechtenstein, sondern auch Norwegen und Island involviert sind, ist der Zeitpunkt für den Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses momentan nicht abschätzbar.

Die nationale Umsetzung befindet sich in Liechtenstein derzeit in Vorbereitung. Aus heutiger Sicht ist das Inkrafttreten der liechtensteinischen Umsetzungsmassnahmen für Sommer 2025 vorgesehen.

Welche Elemente der Richtlinie sind für Liechtenstein und die anderen EWR-Staaten besonders relevant?

Aufgrund der spezifischen Situation, dass es in Liechtenstein keine inländischen Mautstrassen gibt, ergibt sich aus der Richtlinie für Liechtenstein nur ein eingeschränkter Handlungsbedarf. Dieser Handlungsbedarf betrifft:

a) die Interoperabilität des Mautsystems in Europa,

b) die Vorschriften, welchen ein in Liechtenstein niedergelassener EETS-Anbieter unterworfen wäre und

c) den grenzüberschreitenden Informationsaustausch, was bedeutet, dass Liechtenstein Informationen zu Fahrzeugen und deren Halterinnen und Halter im Falle einer Nichtentrichtung von Mautgebühren in einem anderen EWR-Staat bei entsprechender Anfrage bereitzustellen hat. Betont werden soll nochmalig, dass es hier nur um Fahrzeughalterdaten bei Nichtentrichtung von Mautgebühren geht.

Wird mit der Umsetzung dieser Richtlinie die Einführung einer Strassennutzungsgebühr für ausländische Fahrzeuglenker vereinfacht, um beispielsweise die Finanzierung eines Tunnelprojektes von höchster Ingenieurskunst nach norwegischem Vorbild zu sichern?

Die Richtlinie (EU) 2019/520 legt die Basis für die Interoperabilität der Mautsysteme in Europa fest. Strassenbenutzerinnen und Strassenbenutzern soll es ermöglicht werden via einem einzigen Abonnement die Bordgeräte zur Entrichtung elektronischer Maut in der gesamten EU einzusetzen. National bestehende Mautdienste sollen dadurch nicht abgeschafft, sondern lediglich ergänzt werden. Die Frage ist aus diesen Gründen grundsätzlich zu bejahen.

In Liechtenstein ist derzeit jedoch nicht geplant, eine Strassenmaut einzuführen.

Hat zu diesem Sachverhalt bereits ein Austausch mit dem norwegischen Ministerium stattgefunden?

Wie üblich, sind auch im Falle der EETS-Richtlinie die Expertinnen und Experten aus den zuständigen Stellen in den EWR EFTA-Staaten in ständigem Austausch. Die Federführung in Liechtenstein liegt beim Amt für Strassenverkehr.

Das Ministerium für Infrastruktur und Justiz wird sich zudem anlässlich des Internationalen Transportforums der OECD am 22. und 23. Mai 2024 auf politischer Ebene mit dem norwegischen Verkehrsminister zu dieser EU-Richtlinie austauschen.

Es können maximal fünf konkrete Fragen und keine Unterfragen gestellt werden. Das Thema darf nicht in verschiedene Anfragen (Abgeordnete oder Fraktion) aufgeteilt werden.


Kleine Anfrage des Abg. Kaiser Johannes zum Thema: Arbeitsgruppe Verkehrsprobleme Unterland und Schaan

FBP-Landtagsabgeordneter Johannes Kaiser Foto: Nils Vollmar

Die Verkehrsprobleme im Liechtensteiner Unterland, verknüpft mit dem Oberland sowie  mit der Region auf Österreicher und Schweizer Seite, sind ungebrochen Standard und für die Zukunft sind die Perspektiven mit der Realisierung des grossen Tunnelprojektes in Feldkirch wie auch der Prognose der Zunahme der Arbeitsplätze in Liechtenstein alles andere als in einer Bewegung der Schlichtungs- und Lösungsform.

Neben dem Agglomerationsprogramm wurde vor Jahren die «Arbeitsgruppe Verkehrsprobleme Liechtensteiner Unterland und Schaan» ins Leben gerufen, damit die Gemeinden mit dem Land das Heft selbst in die Hand nehmen können.

Die Vorsteher- und Gemeindewahlen sind bereits ein Jahr um und so möchte ich die Regierung fragen, wie der momentane Status und Workflow dieser Arbeitsgruppe Gemeinden/Land ist.

Meine Fragen an die Regierung sind:

Wie viele Sitzungen gab es seit Mai 2023 und wie gestaltet sich die Arbeitsform dieses Gremiums?

Um die gemeindeübergreifenden Verkehrsprobleme im Liechtensteiner Unterland gemeinsam anzugehen und gemeinsam mögliche Massnahmen entwickeln zu können, wurde 2016 die Plattform Entwicklungskonzept Liechtensteiner Unterland und Schaan, kurz EKU, ins Leben gerufen. Da sich bestimmte Massnahmen zunächst jedoch teilweise widersprachen, wurde bis zum Jahr 2018 in einem ersten Schritt eine gemeinsame «Vision 2050» erarbeitet. Darauf aufbauend wurden anschliessend im Jahr 2019 gemeinsam getragene Strategiebausteine und Handlungsfelder definiert.

Im Rahmen des EKU treffen sich die Unterländer Gemeinden sowie die Gemeinde Schaan, das Infrastrukturministerium und weitere Amtsstellen des Landes regelmässig, in der Regel halbjährlich, zu sogenannten «Plenumssitzungen». Folglich fanden seit Mai 2023 zwei Sitzungen statt.

Die Plenumssitzungen dienen dem generellen und direkten Austausch über verschiedene Hierarchieebenen hinweg sowie zur Umsetzung der Vision 2050 des EKU und der Koordination der zugehörigen Massnahmen. Die Plenumssitzungen werden von externen Moderatoren begleitet und einer «Projektkoordination» inhaltlich wie formal vorbereitet.

Welche Hauptpunkte von Projekten verfolgt die «Arbeitsgruppe Verkehrsprobleme Unterland und Schaan» im Wesentlichen?

Aufgrund der vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Siedlungs-, Verkehrs- und Landschaftsentwicklung verfolgt die Plattform EKU Projekte zu folgenden elf «Strategiebausteinen»: Arbeitsgebiete, Innenentwicklung mit Qualität, Baukultur, Bodenpolitik zur Realisierung von Vorhaben im öffentlichen Interesse, Gemeinsames Landschaftskonto, gemeinsames Natur- und Landschaftsentwicklungskonzept, Handlungsraum Mitte, Mobilität vernetzt und organisiert, öffentlicher Verkehr, Fuss- und Radverkehr sowie motorisierter Individualverkehr.

Ergänzend zur Vision 2050 wurde durch das EKU eine Projekt- und Massnahmenliste erstellt, welche einen Überblick über die rund 100 darin enthaltenen Massnahmen gewährleistet. Zur Umsetzung der einzelnen Massnahmen wurden konkrete federführende Stellen definiert. Diese bearbeiten die Massnahmen in projektspezifisch zusammengesetzten Gremien.

Die Projekt- und Massnahmenliste umfasst Massnahmen zu allen elf Strategiebausteinen. Unter anderem sind dies die folgenden: Die Erarbeitung von Landschafts- und Freiraumkonzepten auf Gemeindeebene, die Optimierung und Umgestaltung von Bushaltestellen, die Anpassung von Verkehrsführungen auf der Strecke und an Knoten oder der Ausbau und die Optimierung der Radverkehrsinfrastruktur.

Welche Zielsetzungen hat die Arbeitsgruppe Gemeinden/Land konkret formuliert und mit welcher Terminplanung?

Wie in Antwort 1 aufgezeigt, wurde die Plattform EKU ursprünglich ins Leben gerufen, um geeignete Massnahmen für die vorhandenen Verkehrsprobleme im Liechtensteiner Unterland zu erarbeiten. In einem ersten Schritt wurde anschliessend eine gemeinsame Vision 2050 erarbeitet und darauf aufbauend später gemeinsam getragene Strategiebausteine und Handlungsfelder definiert.

Generell wird mit der Plattform EKU das Ziel verfolgt, Fuss- und Radverkehr sowie öffentlicher Verkehr zu fördern und auszubauen, wobei gleichzeitig der motorisierte Individualverkehr seinen berechtigten Raum haben muss. Die Erreichbarkeit der Arbeitsplätze und die Anbindung für Personen- und Warentransporte an die grossen Zentren ausserhalb Liechtensteins ist zudem sicherzustellen und gleichzeitig sind die Interessen von Natur und Landschaft zu wahren.

Mit der erarbeiteten Vision 2050 und der vorliegenden Projekt- und Massnahmenliste, wie in der Antwort zu Frage 2 erwähnt, liegt der Fokus der Plattform EKU heute vor allem auf dem gemeinde- und ebenenübergreifenden Austausch bzw. der Koordination der verschiedenen Massnahmen untereinander.

Gibt es konkrete Projektschritte, die gemeinsam implementiert werden? Wenn ja, welche?

Die Vision 2050 wurde von der Plattform EKU gemeinsam erarbeitet und wird von allen Beteiligten mitgetragen. Sie wurde als Grundlage zudem in das Mobilitätskonzept 2030 eingespeist. Folglich werden im Zuge der Umsetzung des Mobilitätskonzepts 2030 diverse Massnahmen verfolgt, welche der Vision 2050 bzw. den darin definierten Handlungsfeldern und Strategien entsprechen.

Ergänzend werden weitere Massnahmen gemäss Projekt- und Massnahmenliste EKU umgesetzt, wie in der Antwort zu Frage 2, erwähnt.

Zunehmend werden zahlreiche Wohnquartiere in den Unterländer Gemeinden mit Durchgangsverkehr und Transfer zu Arbeitsplätzen geflutet. Welche Massnahmen werden mittelfristig ergriffen, um die Unterländer Einwohnerinnen und Einwohner vor der Belastung der Schleichwege und dem Durchgangsverkehr zu schützen?

Von Seiten Land wird in erster Linie die Umsetzung der im Rahmen des Mobilitätskonzepts 2030 erarbeiteten Massnahmen vorangetrieben. Diese haben insbesondere zum Ziel, alternative Verkehrsmittel wie Fuss- und Radverkehr sowie öffentlichen Verkehr attraktiver zu gestalten und eine Verlagerungswirkung auf ebendiese Verkehrsmittel bzw. eine Veränderung im Mobilitätsverhalten zu erzielen. Unter anderem werden von Seiten des Amts für Tiefbau und Geoinformation die Arbeiten für eine Busspur im Bereich Schaanwald oder den Ausbau von verschiedene Radwegabschnitten im Land vorangetrieben.

Wie in der Beantwortung der Kleinen Anfrage des Abgeordneten Daniel Oehry vom 6. März 2024 aufgezeigt, werden im Zuge des Projekts «Raum und Mobilität 2050» weitere Massnahmen hergeleitet.

Es können maximal fünf konkrete Fragen und keine Unterfragen gestellt werden. Das Thema darf nicht in verschiedene Anfragen (Abgeordnete oder Fraktion) aufgeteilt werden.


Kleine Anfrage des Abg. Kaufmann Manfred zum Thema: Strafurteil während Abwesenheit bei Kindsmissbrauch

Manfred Kaufmann – VU Landtagsabgeordneter
Foto: ©Paul J. Trummer

Das Nichterscheinen des ehemaligen Ruggeller Pfarrers an der Gerichtsverhandlung veranlasste mich, Ende Dezember 2023 einen Beitrag im Vaterland unter dem Titel «Wo bleibt die Rücksicht auf das Kind?» zu veröffentlichen. Die Verhandlung wurde durch das Nichterscheinen vertagt. Auch wurde von der zuständigen Staatsanwaltschaft in Deutschland der Gerichtsakt von Liechtenstein angefordert, wodurch eine Verfahrensübernahme durch Deutschland nicht auszuschliessen ist, da es sich um einen deutschen Staatsbürger handelt. Dadurch müsste er sich statt in Vaduz vor einem deutschen Gericht verantworten. Für mich gilt es, dem Opferschutz höchste Priorität zukommen zu lassen; gerade in Fällen von mutmasslichem Kindesmissbrauch. Dies führt mich zu folgenden Fragen:

Kann durch ein Nichterscheinen des mutmasslichen Täters der Gerichtsstand in ein anderes Land verlegt werden und er dadurch nach dem dortigen Recht beurteilt werden?

Ein Beschuldigter kann durch die Verlegung seines Aufenthalts ins Ausland keinen Einfluss auf die Zuständigkeit der liechtensteinischen Gerichte nehmen. Er kann aber in jenen Fällen, in denen eine Aburteilung in Abwesenheit des Beschuldigten nicht möglich ist und eine Auslieferung durch den Staat, in welchem sich der Beschuldigte befindet, nicht erfolgt, seine Aburteilung durch liechtensteinische Gerichte verhindern, indem er vor dem liechtensteinischen Gericht nicht erscheint. In derartigen Fällen kann Liechtenstein den ausländischen Staat um die Übernahme der Strafverfolgung ersuchen. Übernimmt der ausländische Staat die Strafverfolgung, so ist die dem Beschuldigten vorgeworfene strafbare Handlung nach dem für ihn günstigeren Strafgesetz zu beurteilen.

Kann die Verfahrenszuständigkeit durch das Fernbleiben des mutmasslichen Täters nach eigenem Ermessen von der Liechtensteiner Justiz ins Ausland verlagert werden?

Ob ein Ersuchen auf Übernahme der Strafverfolgung an einen anderen Staat gestellt wird, liegt nicht im eigenen Ermessen der liechtensteinischen Justiz. Dafür muss eine der gesetzlich normierten Voraussetzungen des Art. 74 Abs. 1 RHG vorliegen. Ein möglicher Anwendungsfall für ein solches Ersuchen wäre, wenn – wie im gegenständlichen Fall – der Beschuldigte zur Schlussverhandlung vor dem Kriminalgericht nicht erscheint und dessen Auslieferung aus dem Ausland nicht erwirkt werden kann.

Kann der mutmassliche Täter somit nach eigenem Ermessen eine zeitliche Verzögerung des Urteils herbeiführen?

Ja, eine Aburteilung des Beschuldigten ist in der Regel nur möglich, wenn er in der Schlussverhandlung vor dem Land- als Kriminalgericht anwesend ist. Sofern der Beschuldigte zur Verhandlung nicht erscheint, kann er in der Regel nicht abgeurteilt werden. Wenn sich der Täter also durch seinen Aufenthalt im Ausland und dem Nichtbefolgen der Ladung zur Schlussverhandlung dem Verfahren entzieht, führt das unausweichlich zu Verfahrensverzögerungen, nicht zuletzt bis ein allfälliges Ersuchen um Übernahme der Strafverfolgung gestellt und von der ausländischen Strafverfolgungsbehörde bearbeitet wird bis hin zu einer möglichen Verurteilung oder einem Freispruch für den Täter im Ausland.

Kann durch die Zuständigkeitsverlegung eine Verschlechterung der Rechtsstellung des mutmasslichen Opfers in Liechtenstein erfolgen?

Ansprüche nach dem liechtensteinischen Opferhilfegesetz werden nicht geschmälert, wenn sich der Täter im Ausland befindet.

Wird das Strafverfahren im Ausland durchgeführt, richten sich die Verfahrensrechte des Opfers nach dem ausländischen Recht. Ob dies zu einer Verbesserung oder zu einer Verschlechterung der Rechtstellung des Opfers führt, kann nicht pauschal gesagt werden.

Welche gesetzlichen Bestimmungen wären anzupassen, damit bei Delikten mit einer Strafdrohung von bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe auch trotz Abwesenheit des Beschuldigten ein Urteilsspruch durch das Strafgericht gefällt werden kann, damit zukünftig eine Verlagerung des Verfahrens in eine andere Jurisdiktion nicht ohne weiteres erfolgen kann? Bei Geldwäschereidelikten erfolgte diese Anpassung bereits (§ 295 Abs 1 StPO).

Eine Verlagerung der strafrechtlichen Zuständigkeit kann auch nach geltendem Recht nicht ohne Weiteres erfolgen. Die Zuständigkeit der liechtensteinischen Gerichte richtet sind in der Regel nach dem Ort der Tatbegehung.

Insofern mit der Frage darauf abgezielt wird, dass ein Täter vom Land- als Kriminalgericht in der Regel in Abwesenheit nicht abgeurteilt werden kann, und um Auskunft ersucht wird, wie die Möglichkeit, in Abwesenheit zu verhandeln, ausgeweitet werden kann, wäre § 295 StPO entsprechend anzupassen. Es sei aber darauf hingewiesen, dass ein im Inland gegen einen sich im Ausland befindlichen Täter ergangenes Strafurteil nur dann Wirkung entfalten kann, wenn der ausländische Staat, in welchem der Täter sich aufhält, das inländische Strafurteil anerkennt und im Ausland zur Vollstreckung bringt.


Kleine Anfrage des Abg. Dr. Quaderer Sascha zum Thema: E-Bike-Fahrverbot für Kinder und Jugendliche in Liechtenstein

Abgeordneter Sascha Quaderer

In Liechtenstein darf man erst ab 16 Jahren E-Bike oder E-Scooter fahren. Das gilt sowohl für langsame E-Bikes mit Tretunterstützung bis 25 km/h als auch für E-Scooter mit Höchstge­schwindigkeit 20 km/h. Hat man einen Mopedführerschein, darf man ab 14 Jahren damit fahren. Alle anderen Kinder und Jugendlichen machen sich strafbar, wenn sie mit so einem Gefährt unterwegs sind.

In unserem Nachbarland Österreich sind die Regeln deutlich kinderfreundlicher: Dort dürfen Kinder ab 12 Jahren E-Bike fahren. Ist das Kind in Begleitung eines Erwachsenen oder hat es einen Radfahrausweis, darf es bereits unter 12 Jahren E-Bike fahren. Einen Radfahrausweis können Kinder in Österreich ab 10 Jahren relativ einfach im Rahmen der Verkehrsschulung an der Primarschule erlangen. Diese Regelung erleichtert Kindern in hügeligem Gelände die Fortbewegung, ermöglicht Fahrradtouren zusammen mit den E-Bike fahrenden Eltern und reduziert die Anzahl Elterntaxis vor den Schulhäusern.

Entspricht der oben aufgeführte Sachverhalt aus Sicht der Regierung noch der heutigen Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen in Liechtenstein oder wird hier alltägliches Verhalten kriminalisiert?

Es ist richtig, dass man in Liechtenstein gemäss aktueller Gesetzeslage erst ab 16 Jahren E-Bike oder E-Scooter fahren darf. Das gilt sowohl für langsame E-Bikes mit Tretunterstützung bis 25 km/h als auch für E-Scooter mit Höchstgeschwindigkeit 20 km/h. Hat man einen Mopedführerschein, darf man ab 14 Jahren mit diesen Fahrzeugen fahren.

Ende 2020 überwies das Schweizer Parlament eine Motion, wonach Kinder ab 12 Jahren in Begleitung eines Erwachsenen E-Bike fahren dürfen, insbesondere in Tourismus­regionen. Gemäss E-Bike-Leitfaden der Landespolizei gibt es diese Ausnahme in Liechten­stein nicht. Weshalb nicht?

Der Leitfaden der Landpolizei hat sich an der geltenden Rechtslage zu orientieren. Daher gibt es diese «Ausnahme» im Leitfaden nicht, da dies gegen das geltende Recht verstossen würde. Auch in der Schweiz gibt es diese Ausnahme für den öffentlichen Strassenverkehr nicht. Dies kann in Tourismusregionen nur in abgesperrten, nicht öffentlichen Bereichen ermöglicht werden.

Im Oktober 2023 endete in der Schweiz die Vernehmlassungsfrist zur Vorlage «Verkehrs­flächen für den Langsamverkehr». Der Bundesrat plant eine weitere Erleichterung: Kindern ab 12 Jahren soll das Fahren von E-Bikes ohne Mofaführerschein erlaubt werden, sofern sie von einem Erwachsenen beaufsichtigt werden. Sollte diese Regelung in Kraft treten, wird die Regierung die entsprechenden Verordnungen gemäss Schweizer Vorlage anpassen?

Das liechtensteinische Strassenverkehrsrecht wurde aus der Schweiz rezipiert. Aus diesem Grund beobachtet die Regierung die Entwicklungen im Bereich des Strassenverkehrsrechts der Schweiz aufmerksam. Grundsätzlich werden rechtliche Änderungen, wo sinnvoll und möglich, und unter Berücksichtigung des EWR-Rechts, nachvollzogen. Aufgrund der engen Zusammenarbeit in vielen Bereichen des Strassenverkehrs ist das Bestreben der Regierung, grundsätzlich ein Rechtsgefälle zur Schweiz zu vermeiden. Dies gilt auch, falls diese Regelung in der Schweiz in Kraft treten sollte.

Kann sich die Regierung eine Anpassung der entsprechenden Verordnungen vorstellen, ohne dass die Schweiz die genannten Erleichterungen einführt?

Wie steht die Regierung zur Forderung, die Vorschriften gemäss den Regelungen in Österreich anzupassen?

zu den Fragen 4 und 5:

Grundsätzlich ist wie in der Antwort zu Frage 3 erwähnt, ein Rechtsgefälle bzw. unterschiedliche Rechtsgrundlagen zur Schweiz zu vermeiden. Falls die Schweiz von der Einführung der Erleichterungen absehen wird, wird die Regierung im konkreten Fall die Gründe für die Ablehnung der Erleichterungen in der Schweiz analysieren und im Rahmen einer Prüfung eine entsprechende Interessensabwägung betreffend die Einführung von entsprechenden Erleichterungen in Liechtenstein vornehmen. Hierbei wird die Regierung auch die österreichischen Regelungen miteinbeziehen.

der Antwort zu Frage 3 erwähnt, ein Rechtsgefälle bzw. unterschiedliche Rechtsgrundlagen zur Schweiz zu vermeiden. Falls die Schweiz von der Einführung der Erleichterungen absehen wird, wird die Regierung im konkreten Fall die Gründe für die Ablehnung der Erleichterungen in der Schweiz analysieren und im Rahmen einer Prüfung eine entsprechende Interessensabwägung betreffend die Einführung von entsprechenden Erleichterungen in Liechtenstein vornehmen. Hierbei wird die Regierung auch die österreichischen Regelungen miteinbeziehen.


Kleine Anfrage des Abg. Seger Daniel zum Thema: Rehabilitierung und Entschädigung von strafrechtlich verfolgten Homosexuellen in Liechtenstein

Abgeordneter Daniel Seger

In der neusten Ausgabe der «Liechtensteinischen Juristen-Zeitung» erschien eine Abhandlung mit dem Thema «Zur Rehabilitierung und Entschädigung von strafrechtlich verfolgten Homosexuellen in Liechtenstein». Diese Abhandlung wurde auch vom «Vaterland» aufgenommen. Es geht dabei um die Rehabilitierung und Entschädigung von strafrechtlich verfolgten Homosexuellen, wobei von einer gesetzlichen Rehabilitierung und Entschädigung ausschliesslich Strafurteile und Verfolgungsmassnahmen wegen allen sexuellen Handlungen tangiert wären, die bei verschiedengeschlechtlicher Begehung nicht strafbar waren.

In Deutschland gibt es seit 2017 ein entsprechendes Rehabilitierungsgesetz. In Österreich, dessen Strafrecht Liechtenstein grossmehrheitlich rezipiert hat und rezipiert, ist eine solche strafrechtliche Rehabilitierung und Entschädigung seit 1. Februar 2024 möglich. Der Autor wirft die Frage auf, ob Liechtenstein diesbezüglich das entsprechende Gesetz aus Österreich rezipieren sollte. Er weist darauf hin, dass bis jetzt in Liechtenstein zur Rehabilitation und Entschädigung keine öffentliche Diskussion geführt wurde und dieses Thema im Landtag ebenfalls bisher keine Erwähnung fand.

Wie steht die Regierung zur Rezeption des entsprechenden österreichischen Rechts?

Um eine Entscheidung zu fällen, müsste zuerst eine Reihe von Vorfragen geklärt werden, wie beispielsweise die Frage nach der Anzahl entsprechender Fälle bzw. möglicher Betroffener.

Welche Kenntnis hat die Regierung bezüglich der Anzahl entsprechender Fälle in Liechtenstein?

Die gegenständlich relevanten Straftatbestände wurden bereits 2001 aufgehoben. Der Regierung liegen keine Informationen vor, wie viele Personen in Liechtenstein bis 2001 allenfalls von Strafurteilen oder Verfolgungsmassnahmen betroffen waren.

Falls diesbezüglich keine Fälle bekannt sind, wie könnte die Anzahl Fälle verwaltungs- beziehungsweise justizintern eruiert werden?

Allfällig existierende Fälle müssten durch Sichtung der Gerichtsakten erhoben werden. Ein solches Durcharbeiten der Gerichtsakten würde einen hohen personellen und zeitlichen Aufwand mit sich bringen.

Wie könnte eine Privatperson die Anzahl Fälle in Erfahrung bringen, beispielsweise durch Erlaubnis, in die entsprechenden Verzeichnisse wie das Strafregister, das Landesarchiv, weitere Gerichtsakten und Urteile Einsicht zu nehmen?

Die Einsicht in das Landesarchiv, in Gerichtsakten oder das Strafregister unterliegt den jeweiligen gesetzlichen Vorgaben. Publizierte Urteile können über die bekannten Portale abgefragt werden, so z.B. via www.gerichtsentscheide.li oder über das Rechtportal. Darüber hinaus wäre es Privatpersonen etwa möglich, durch allgemeine Aufrufe – z.B. in den Medien – mögliche Betroffene ausfindig zu machen.

Wie könnte die Rehabilitierung und Entschädigung von strafrechtlich verfolgten Homosexuellen in Liechtenstein möglichst pragmatisch geschehen?

Da diese Thematik bislang nicht diskutiert worden ist und die erforderlichen Daten nicht erhoben worden sind, kann zum aktuellen Zeitpunkt kein Vorschlag gemacht werden, wie die Rehabilitierung und Entschädigung von allfällig strafrechtlich verfolgten Homosexuellen in Liechtenstein erfolgen könnte. Eine pragmatische Lösung wäre nur möglich, wenn ein entsprechender gesetzlicher Spielraum bestehen würde.