Vortrag von Dr. Dominik Thiel am 21. März 2024 „Zu viel oder zu wenig?“

Rainer Kühnis (Präsident Fischereiverein Liechtenstein), Josef Biedermann (Präsident der Botanisch Zoologischen Gesellschaft), Markus Meier (Obmann Silberner Bruch), Dr. Dominik Thiel (Referent) und Michael Fasel (Präsident der Liechtensteiner Jägerschaft)

Rund 80 Personen folgten der Einladung der Liechtensteiner Jägerschaft, des Ordens „Der Silberne Bruch“ – Landesgruppe Liechtenstein und der Botanisch Zoologische Gesellschaft Liechtenstein-Sarganserland-Werdenberg, die am 21. März gemeinsam zum Vortrag von Dr. Dominik Thiel ins Foyer des Vaduzer-Saals einluden.

Der Referent, Leiter des Amts für Natur, Jagd und Fischerei des Kantons St. Gallen, stellte von Anfang an klar: Konflikte mit wildlebenden Tierarten ergeben sich, weil der Mensch mehr oder weniger die gesamte Landschaft für sich beansprucht und sie grösstenteils intensiv nutzt. Hirsche und Rehe fressen junge Waldbäume, weil diese zu ihrer natürlichen Nahrung gehören. Störche nutzen die Kleintierwelt in naturnahen Gebieten als Nahrung und Biber stauen Gewässer dort, wo schon ein Haus steht oder ein Acker angesäht ist. Einige „Rückkehrer“ oder „Problemarten“ vermehren sich stark, weil vor allem das Nahrungsangebot und die Voraussetzungen im Lebensraum selten so gut waren wie heute.

Sonderbewilligung als Voraussetzung für die Reduktion geschützter Tierarten

Der Umgang mit „Konflikttierarten“ ist nicht immer einfach. Einige dieser Arten wie der Biber, der Luchs oder der Wolf sind streng geschützt. Die Regulierung (Abschuss) solcher Arten ist grundsätzlich verboten oder erfordert zumindest eine behördliche Bewilligung. Aber es bedarf gemäss Dominik Thiel auch eines pragmatischen Umgangs mit problematischen Situationen.

Erfolgreiches St. Galler Modell

Im Kanton St. Gallen, so Thiel, sei der Wald-/Wildkonflikt bzw. das Wildtiermanagement weitgehend von Erfolg getragen. Dieser basiere nicht allein auf einer einzigen Massnahme oder einem Schuldigen, sondern auf dem Zusammentreffen verschiedener Ereignisse und gemeinsamer Massnahmen: „Durch Sturmereignisse kam mehr Licht auf die Böden, durch den Luchs wurden Reh und Gams um rund 20% reduziert, aber auch forstliche und jagdliche Massnahmen haben ihren Beitrag geleistet. Entscheidend ist, dass alle am selben Strick ziehen!“

Trotz Toleranz ist das Mass irgendwann voll

2012 liess sich das erste Wolfsrudel am Calanda nieder, ab 2016 gab es weitere Rudel und von 2021 bis 2023 hat sich der Wolfsbestand verdoppelt. Heute leben rund 300 Wölfe in der Schweiz. In Liechtenstein ist die Rede von 15 Sichtungen einzelner Tiere.

„Es ist illusorisch zu glauben, dass die Natur von sich aus im Gleichgewicht ist,“ sagt der Referent, „im Gegenteil, sie ist ständig im Ungleichgewicht.“ Und der Mensch könne das je nach Zieldefinition beeinflussen. Das Zusammenleben etwa von Mensch und Wolf erfordere Toleranz, „aber irgendwann ist das Mass auch voll. Und wenn die rote Linie überschritten ist, beispielsweise wenn sich das Raubtier Futter in Siedlungen holt oder auf Nutztiere los geht, dann müssen Massnahmen ergriffen werden. Das können der Einsatz von Herdenschutzhunden oder die Erstellung von Zäunen sein, aber auch Abschüsse.“ Durch die Bejagung von Wölfen werde auch deren Verhalten anders. Sie entwickelten eine Scheu vor den Menschen und das sei gut so.

Keine Angst vor dem Wolf!

Auf die Publikumsfrage, ob man sich vor dem Wolf fürchten müsse, erwiderte Dominik Thiel: „Nein, man muss vor dem Wolf keine Angst haben. Er greift nur Menschen an, wenn er krank ist – beispielsweise die Tollwut hat. Aber diese ist bei uns ausgerottet.“

Zu viele Biber und Störche?

Im Kanton St. Gallen wurden bisher keine Biber abgeschossen. Wenn deren Dämme abgebrochen werden müssen, weil eine Überschwemmung droht, muss anderweitig Ersatz erbracht werden, indem Flächen zu naturnahen Biotopen umgestaltet werden. Solche Massnahmen sind nicht leicht umzusetzen, weil in der Regel immer verschiedene Nutzungsinteressen im Spiel sind. Und in Liechtenstein? Dem Vernehmen nach werden Biber in nicht geringer Zahl reduziert. Die Strategie dahinter ist allerdings weitgehend unklar, da die entsprechende Kommunikation des Amts für Umwelt, so konnte man zwischen den Reihen vernehmen, durchaus zu wünschen übriglässt.

Aus dem Publikum kam die Frage, weshalb der stark angewachsene Bestand an Störchen im Ruggeller Riet nicht schon früher eingebremst wurde, da vermutet wird, dass Störche in grosser Zahl geschützte Kleintiere fressen, die auf geschützten Naturflächen leben, Auch folgen Störche den pflügenden Traktoren auf Äckern und reduzieren die Zahl der vorkommenden Regenwürmer. Hier einen Eingriff in die Storchenpopulation zu begründen, erfordert die Erarbeitung genauer Fakten, was nicht ganz einfach ist.

Kormorane fressen tausend Tonnen Fische

Auch Kormorane, die sich vor ein paar Jahren in Liechtenstein angesiedelt haben, sind ein Thema. Am Bodensee etwa überwintern mittlerweile 1400 Exemplare, dazu kommen 1200 Brutpaare im Sommer. 64 Berufsfischer fangen pro Jahr rund 153 Tonnen Fisch, Kormorane fangen jährlich rund 1000 (tausend!) Tonnen. Wie viele bedrohte Fischarten – z.B. Nasen oder Felchen – die Kormorane in Liechtenstein fressen, ist nicht belegt, aber sie richten zweifellos bedeutenden Schaden an.

Weiteres Vorgehen

Für den erfolgreichen Umgang mit Überpopulationen gilt es zusammengefasst folgende Schritte vorzunehmen:

  • Fakten und Daten erarbeiten, Strategien und Konzepte entwickeln
  • Rechtslage klären – geschützte Art, Schonzeiten, …
  • Ziele festsetzen, Prioritäten legen, Entscheide treffen
  • Erfahrungen sammeln im Umgang mit solchen Arten und künftig in die Landschaftsnutzung einbauen.
  • Von gegenseitigem Erfahrungsaustausch im In- und Ausland profitieren
  • Vollzug und Umsetzung, was der schwierigste Teil ist (verschiedene Interessengruppen)

Dr. Dominik Thiel wurde mit grossem Applaus für seine Ausführungen verabschiedet. Der abschliessende Apéro gab Gelegenheit, das Gehörte zu diskutieren.