Morgen war gestern

Leserbrief von Jo Schädler,
Bendern

Man rechne den Bau der neuen Bibliothek auf die einzelnen Bücher um, dann wird einem erst bewusst, wie wertvoll das geschrieben und gedruckte Wort sein muss. Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, der Erfinder des Buchsdrucks, wolle also ob der Wertschätzung Liechtensteins an den gedruckten Lettern wohlig, gar freudvoll ruhen in seinem dunklen Grab.

Das war nicht immer so mit dieser Wertschätzung am gedruckten Wort. Früher als man weder Glas noch Steinwolle hatte um die Häuser zu isolieren, stopfte man einfach Zeitungspapier in die Ritzen der Wände, wodurch damals die Zeitung schon ihren eigentlichen Sinn und Wert erhielt. In die Zwischendecke schüttete man meist Asche, die auch gut zu isolieren vermochte, womit wir schon bei der Energieautarkie Liechtensteins angelangt sind und der Frage nachgehen müssen, was denn eigentlich mit der Asche aus dem Krematorium in Chur, welche bei der Verbrennung des Liechtensteiners anfällt, passiert, und was mit der anfallenden Energie sowieso? Aber das wäre ein anderes, bezogen auf die Energieautarkie Liechtensteins, aber hochbrisantes Thema.

Inzwischen kostet die Umnutzung des Postgebäudes in eine Bibliothek satte (30,99 + 1,9 + 5,5 = 38.39 Millionen Franken) Für diese Summe kann man auch locker 38 – in Worten achtunddreissig Einfamilienhäuser bauen. Wohl eher mehr, weil immer wieder vorsorglich davon geschwärmt wird, dass man beim Bauen niemals etwas ausschliessen könne. Die Baubranche ist ja jenes Gefüge, in welchem die Ungewissheit ein fixer Bestandteil der Rechnungsstellung darstellt und ihr gar ihren eigentlichen Sinn verleiht. Angesichts der Tatsache, dass unsere Gusseisenstumpen, welche die Strassenränder zu Tausenden verzieren in die Jahre gekommen, verbogen, verbeult, vergilbt, verrostet und somit Sinnbild der Verlotterung darstellen, darf festgehalten werden, dass dieser Staat sich auch mit einer neuen Bibliothek nicht im Griff haben wird und ernsthafte Zweifel an seiner Daseinsberechtigung aufkommen.