Massnahmen zur Optimierung und Weiterentwicklung des Betreuungs- und Pflegegeldes (BPG)

Die Landtagsabgeordneten Wendelin Lampert und Johannes Kaiser stellen das sozialpolitisch wichtige Postulat der FBP-Fraktion mit Verbesserungen des Betreuungs- und Pflegegeldes anlässlich einer Pressekonferenz im Landtagsgebäude vor. (Foto: Tatjana Schnalzger)

Die Landtagsabgeordneten Johannes Kaiser und Wendelin Lampert stellten in der Säulenhalle des Landtagsgebäudes das Postulat der FBP-Fraktion mit «Massnahmen zur Optimierung und Weiterentwicklung des Betreuungs- und Pflegegeldes (BPG)» vor. Nach der Einführung des BPG im Jahre 2010 sind verschiedene zeitgemässe Anpassungen dringend zu prüfen und vorzunehmen.

Das Betreuungs- und Pflegegeld hat sich in den 14 Jahren seit seiner Einführung im Jahr 2010 sehr gut etabliert und konnte die mit seiner Einführung verbundenen Erwartungen voll und ganz erfüllen. Dennoch hat sich mittlerweile ein gezielter Anpassungsbedarf ergeben. Die kürzlich vorgestellte Altersstrategie sieht eine Evaluation des BPG vor, ob die mit seiner Einführung verbundenen Ziele erreicht wurden und ob Verbesserungspotential besteht.

Das liechtensteinische Modell des Betreuungs- und Pflegegeldes ist ein Erfolgsmodell. In den 14 Jahren seit seiner Einführung konnte es die Erwartungen voll und ganz erfüllen. Das Ziel der Einführung des BPG war es, eine im Vergleich zum stationären Bereich gleichwertige Finanzierung zu erreichen und den betroffenen Menschen somit die Wahlfreiheit zwischen Betreuung und Pflege zuhause oder einer stationären Lösung zu gewährleisten.  Für viele Menschen wurde der Wunsch, Daheim zu leben, aufgrund der finanziellen Unterstützung nun möglich. Auf der anderen Seite konnte der Bedarf an teurer stationärer Pflege gesenkt werden.

In der 14-jährigen Praxis ist Verbesserungspotenzial aufgetaucht

Zusätzlich zu den finanziellen Massahmen waren für die Einführung des BPG auch strukturelle Verbesserungen bei den Familienhilfen notwendig. Um die Wahlfreiheit zwischen stationärer und ambulanter häuslicher Pflege zu garantieren, wurde seitens der Familienhilfen eine Angebotsausweitung nicht nur der Tagesstrukturen, sondern auch bei der Betreuung und Pflege in der Nacht und an Wochenenden und insbesondere für eine 24-Stunden-Pflege benötigt. Ebenso war absehbar, dass aufgrund der demografischen Entwicklung und der Zunahme von komplexen Pflegesituationen (Zunahme an Demenzkranken) der Bedarf an häuslicher Pflege stark ansteigen würde und die kleinen Vereine den Anforderungen nur schwer standhalten könnten. Speziell die Ausbildung von eigenem Pflegepersonal konnte in diesen Strukturen nicht erfolgen. Eine Reorganisation bzw. eine Fusion aller bestehenden Vereine (mit einer Ausnahme) zum Verein Familienhilfe Liechtenstein konnte erreicht und mit der Umwandlung der Familienhilfe Liechtenstein zur Stiftung Familienhilfe Liechtenstein erfolgreich abgeschlossen werden.

Bei der Konzipierung des BPG war es essentiell, dass vom BPG nicht nur medizinische bzw. pflegerische Massnahmen abgedeckt, sondern auch hauswirtschaftliche und Betreuungsleistungen übernommen werden.

Liechtensteinisches BPG ist Vorbild-Modell für die Schweiz

Ist dies nicht der Fall, könnte ein Betroffener, der zwar keine medizinischen Leistungen benötigt, aber nur mit Betreuungsleistungen daheim leben kann, dies nicht finanzieren. Mit dieser Situation ist man derzeit in der Schweiz konfrontiert, und die Diskussionen sowohl in Kantonen, Städten und anderen Einrichtungen, wie gute Betreuung organisierbar, vor allem finanzierbar sei, nehmen zu. Es ist deshalb kein Zufall, dass die Paul Schiller Stiftung, die sich intensiv mit dieser Thematik beschäftigt, das liechtensteinische BPG als ein good practice sample führt.

Die vier zentralen Handlungsfelder mit Massnahmen-Vorschlägen

  1. Benötigt ein Pflegegeldbezüger eine Behandlung in einem Akutspital, wird das Pflegegeld für diese Zeit eingestellt. Bei Spitalaufenthalten, die Dauerpräsenz der Betreuenden erfordern (Kinder/Demenzkranke) führt dies oft zu grossen Problemen. Bei schwerstkranken Kindern ist in solchen Fällen die Anwesenheit wenigstens eines Elternteiles unabdingbar.
    Möglichkeiten für Ausnahmeregelungen in Ausnahmesituationen, bei denen schwerstkranke Kinder oder schwer Demenzerkrankte betroffen sind, sind zu prüfen.
  2. In vielen schwierigen Pflegesituationen in der häuslichen Pflege lassen sich durch rechtzeitige Entlastung der Betreuenden die Pflegestrukturen längerfristig aufrechterhalten.
    Um solche stationären Entlastungsangebote zu ermöglichen, könnten beispielsweise Pflegegeldbezüger ab einer höheren Pflegestufe Anspruch auf einen jährlichen abzugsfreien Kurzaufenthalt im Pflegeheim gewährt werden, d.h., dass das BPG auch während dieses Heimaufenthalts entrichtet wird.
  3. Die seit Einführung des Betreuungs- und Pflegegeldes 2010 unveränderte Höhe der Tagessätze ist anzupassen, um die Steigerungen bei den marktüblichen Pflegelöhnen zu berücksichtigen.

    Nach Art. 3 novies, Abs. 2 ELG beträgt das Betreuungs- und Pflegegeld höchstens 180 Franken pro Tag. Die Regierung kann den Maximalbetrag der Teuerung anpassen.

    Nach Art. 3 novies, Abs. 3 ELG regelt die Regierung das Nähere über die einzelnen Leistungsstufen und die Höhe des Betreuungs- und Pflegegeldes mit Verordnung.

    Die Regierung verfügt somit über die notwendigen Instrumente, um einen Modus für regelmässige Anpassung an Teuerungs- und Lohnkostenentwicklungen einzuführen.

  4. Prüfung der Rücknahme einer Verordnungsänderung bei den Ergänzungsleistungen, konkret die Rücknahme der Aufhebung des Art. 31 bis Abs. 1 Bst.1a mit LGBl.2021 Nr.402
    oder Herabsetzung der Eintrittsschwelle von mindestens 1 Stunde pro Tag auf zum Beispiel eine halbe Stunde beim Betreuungs- und Pflegegeld.

Bis Ende 2021 konnte die Betreuung im Haushalt beziehungsweise die »notwendige Hilfe einer Drittperson im Haushalt, wenn diese nicht im gleichen Haushalt wohnt» gemäss Art. 31 bis Abs. 1Bst.1a ELV unter dem Titel «Ergänzungsleistungen» bezahlt werden. Diese Regelung im ELG bestand schon vor Einführung des Betreuungs- und Pflegegeldes und wurde auch beibehalten. Durch Streichung des Art. 31 bis mit LGBl. 2021 Nr.402 durch die Regierung gilt eine neue Rechtslage und die Situation für Menschen mit sehr geringen Einkommen, die auf regelmässige niederschwellige Betreuungsleistungen angewiesen sind, hat sich massiv verschlechtert. Diese Personen können oft keinen Anspruch auf BPG geltend machen, da zur Prävention oft weniger als durchschnittlich 1 Stunde an täglichen Betreuungsleistungen ausreicht. Ein Anspruch auf BPG ist aber erst ab mindestens 1 Stunde Betreuungsbedarf täglich gegeben.

In Beantwortung einer Kleinen Anfrage vom 30. November 2022 führt die Regierung aus, ein mittlerweile gut etabliertes Betreuungs- und Pflegegeld decke genau diese Leistungen ab. Betreuungs- und Pflegegelder nach Art. 4 der Verordnung über das Betreuungs- und Pflegegeld für die häusliche Betreuung decken explizit nur Leistungen für die Betreuungs- und Pflegebedürftigkeit ab, wenn diese im Durchschnitt mindestens eine Stunde pro Tag nötig sind. Dies wurde bei Einführung des BPG bewusst so entschieden und es wurde davon ausgegangen, dass den betroffenen Personen zuzumuten ist, ohne staatlich finanzierte Unterstützung für geringfügige Betreuung auszukommen. Gleichzeitig wurde aber auch darauf verzichtet, Art.31 bis Abs. 1Bst.1a ELV zu streichen und der Zugang zu Leistungen für eine kleine Personengruppe mit geringem Pflegeaufwand, aber geringem Einkommen, erhalten.

  • Mit der Rücknahme der Verordnungsänderung der ELV könnten Personen, die zwar keinen Anspruch auf BPG haben, wie bis 2021 eine Unterstützung bekommen. Dieser Bezügerkreis ist überschaubar (ebenso wie die Kosten von 25 000 Franken pro Jahr), ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen ist Voraussetzung, während der Bezug eines BPG einkommensunabhängig ist.
  • Eine Anpassung der BPGV durch Herabsetzung der unteren Eintrittsschwelle von mindestens einer Stunde pro Tag auf eine halbe Stunde hätte eine Ausweitung des Bezügerkreises und damit höhere Kosten zur Folge, da das BPG einkommensunabhängig ist.

Häusliche Pflege zuhause ist Herzenswunsch von vielen Menschen

Je mehr Menschen sich eine häusliche Betreuung finanziell leisten können, desto weniger müssen eine stationäre Pflegeeinrichtung beanspruchen. Liechtenstein  ist mit seinem Modell des Betreuungs- und Pflegegeldes auf gutem Wege und kann damit durchaus eine Vorreiterrolle spielen. Damit das BPG jedoch ein Erfolgsmodell bleibt und auch in Zukunft seinen sozialpolitischen Zweck erfüllen kann, muss auf Veränderungen und auftretende Probleme reagiert werden.