Text: Cornelius Goop, Liechtenstein-Institut
Die Liechtensteinerinnen erhielten als letzte Frauen in Europa die Möglichkeit, sich aktiv als Politikerinnen zu engagieren. Die Wahl in ein politisches Amt auf Landesebene wurde ihnen erst mit der Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts im Jahr 1984 ermöglicht. Die Gemeinden machten diesen Schritt teils etwas früher, teils etwas später – zuerst 1976 Vaduz, zuletzt 1986 Balzers, Triesen und Triesenberg. Wer waren die Pionierinnen, die das spät gewährte Grundrecht des passiven Wahlrechts als Erste in Anspruch nahmen?
Obwohl Vaduz 1976 das Frauenstimm- und -wahlrecht auf Gemeindeebene eingeführt hatte, wurde dort bei den Gemeinderatswahlen 1979 noch keine der vier kandidierenden Frauen gewählt. Erst 1983 erhielt Liechtenstein seine ersten drei Gemeinderätinnen. In Vaduz wurde die Kauffrau Emma Brogle-Sele (1934) für die VU gewählt. In Gamprin, wo das Frauenwahlrecht 1980 eingeführt worden war, gewannen Maria Marxer (1931) für die FBP und Elsa Oehri-Hasler (1942 – 1986) für die VU jeweils ein Mandat. Emma Brogle-Sele und Maria Marxer waren 1987 auch die ersten Frauen im Amt der Vizebürgermeisterin bzw. Vizevorsteherin. Maria Marxer gelang es schliesslich, 1991 in Gamprin zur ersten Vorsteherin einer liechtensteinischen Gemeinde gewählt zu werden. Sie hatte ihr Amt bis 1995 inne.
Bei der ersten Landtagswahl nach Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts im Jahr 1986 wurde von zehn Kandidatinnen nur eine Frau ins liechtensteinische Parlament gewählt. Emma Eigenmann-Schädler (1930), Leiterin des Familienbetriebs Schaedler Keramik AG in Nendeln, konnte ein Landtagsmandat für die FBP erringen. Sie war für zwei Legislaturperioden bis zum Februar 1993 als Abgeordnete im Landtag tätig. Erste Landtagsvizepräsidentin war von 2009 bis 2013 die Schellenberger Juristin Renate Wohlwend von der FBP (1952).
In das Amt einer Regierungsrätin schaffte es erstmals Cornelia Gassner (1958 – 2016). Die promovierte Juristin war in einem Vaduzer Anwalts- und Treuhandbüro tätig, als sie 1993 für die FBP in die Regierung berufen wurde. Dort war sie bis 1997 für die Ressorts Bauwesen und Verkehr zuständig. Ihre Parteikollegin, die Treuhänderin Rita Kieber-Beck (*1958), amtierte von 2001 bis 2005 als erste Regierungschef-Stellvertreterin.
Aktuell sind in Liechtenstein 18,2 Prozent der Vorsteherinnen und Vorsteher weiblich (2 von 11), 36,5 Prozent der Gemeinderatsmitglieder (38 von 104), 28 Prozent der Landtagsabgeordneten (7 von 25) und 60 Prozent der Regierungsmitglieder (3 von 5). Eine Regierungschefin – wie auch eine Landtagspräsidentin – hatte Liechtenstein bislang noch nicht.
Fotos: Liechtensteinisches Landesarchiv, B/221/8/1, SgAV 5/282/2, SgAV 11/2433/1