Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

Die FBP-Fraktion hat für die Aktuelle Stunde im Dezember-Landtag 2023 das Thema: «Förderung der psychischen Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen» gewählt.

Im Zeitalter multipler Krisen und rasantem gesellschaftlichen Wandel stehen gerade Familien vor vielfältigen und komplexen Herausforderungen. Viele Kinder und Jugendliche stehen unter Druck und sind überfordert, was zu psychischen Belastungen oder gar Erkrankungen führen kann. Ein bekanntes afrikanisches Sprichwort sagt: „Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“ Es sind also nicht nur die Eltern gefordert ihre Kinder vor psychischen Belastungen zu bewahren, sondern die gesamte Gesellschaft. Psychische Erkrankungen und Suchterkrankungen entwickeln sich oft über lange Zeit schleichend. Schon Hippokrates merkte um 400 v. Chr. an, dass Vorbeugen besser sei als Heilen. Demensprechend wichtig ist die Prävention bereits in der Kindheit.

Die Ursachen zur Entstehung psychischer Störungen sind vielfältig und wichtiger Gegenstand der psychologischen Forschung. Bis heute können psychische Störungen nicht auf eine einzige spezifische Ursache zurückgeführt werden. Mittlerweile gelten neben den psychologischen Ursachen wie Traumata oder innere Konflikte auch biologische (körperliche) Faktoren, wie Stoffwechselveränderungen oder genetische Vorbelastungen auch soziale Komponenten wie familiäre Spannungen, Überforderungen in der Schule und Mobbing, bei der Entstehung psychischer Störungen als relevant.

Hauptforderungen der UNICEF Schweiz Liechtenstein

Psychische Erkrankungen sind ein globales Phänomen, das jeden vierten Menschen im Laufe seines Lebens betrifft. In einer von UNICEF Schweiz und Liechtenstein durchgeführten Studie gaben 37 Prozent der befragten Schweizer Jugendlichen an, von psychischen Problemen betroffen zu sein. Einer von fünf jungen Menschen mit Anzeichen einer Angststörung und/oder Depression hat sogar bereits versucht, sich das Leben zu nehmen. Etwa ein Drittel der Be-fragten spricht mit niemandem über seine mentalen Belastungen.

Unsere Lebensbedingungen haben grossen Einfluss auf unsere Gesundheit und unser men-tales Wohlbefinden. Daher hat die UNICEF Schweiz Liechtenstein folgende Hauptforderungen definiert.

• Präventionsprogramme müssen junge Menschen bereits früh erreichen. Solche Pro-gramme sollten darauf abzielen, Schutzfaktoren zu stärken und neben Fachkräften des Ge-sundheitswesens auch Erwachsene im direkten Umfeld der Kinder und Jugendlichen ein-zubeziehen.

• Es braucht ausreichende und passende Angebote. Angebote müssen für und mit Ju-gendlichen entwickelt werden. Nur im direkten Dialog mit jungen Menschen kann eruiert werden, welche Angebote sie wie nutzen und was ihnen in der Versorgung fehlt.
1 Entstehung psychischer Störungen: Theorien & Erklärung (studysmarter.de)
Aktuelle Stunde, Dezember Landtag 2023

• Das Stigma rund um psychische Gesundheitsdienste muss abgebaut werden. Dies kann nur geschehen, wenn wir als Gesellschaft lernen, über unsere Gefühle zu sprechen. Dazu ist viel Aufklärungsarbeit erforderlich, die sich an junge Menschen sowie an Erwach-sene richten muss.

• Stetiges Monitoring ist essenziell. Die Datenlage zur psychischen Gesundheit muss ver-bessert werden. Forschung ist notwendig, um Lücken aufzuzeigen, bedarfsorientierte Mas-snahmen zu entwickeln und die Wirkung von Massnahmen zu messen.

• Nur gemeinsam schaffen wir Veränderung. Es braucht Allianzen, Lobbying und die Par-tizipation junger Menschen. Alle Bereiche der Gesellschaft müssen einen Beitrag leisten, um die psychische Gesundheit zu stärken.

Handlungsempfehlungen des Zukunftsrates U24 der Schweiz

Am 23. November 2023 hat der Zukunftsrat U24, der erste Bürgerinnen- und Bürgerrat für Jugendliche, mögliche Lösungsvorschläge zur Verbesserung der psychischen Gesundheit von jungen Menschen in der Schweiz seine Handlungsempfehlungen im Bundeshaus der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Im Zentrum standen die Themen Prävention, nationale Strategie, Massnahmen in den Lebenswelten Schule, Familie und Arbeit sowie Medien und Gesundheitsangebote. Zusammengefasst lauten die Schwerpunkte der Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats U24 wie folgt:

1. Mehr Aufklärung, Prävention und nationale Priorität gefordert

Der Zukunftsrat U24 fordert die Politik und Verwaltung dazu auf, mehr für die psychische Gesundheit der jungen Bevölkerung auf nationaler Ebene zu tun. In der Schweiz hat der Bund wenig Grundlagen, in der gegenwärtigen Krisensituation auch wirklich tätig zu werden. Das Gesundheitssystem ist zudem nicht auf Prävention ausgerichtet. Mit den Handlungsempfehlungen «2.2 Landesweite Datenerhebung» sowie «2.3 Präventionsgesetz» wird nicht nur gefordert, ein nationales Monitoring einzuführen, sondern auch die gesetzlichen Grundlagen da-für zu schaffen, präventiv und koordiniert vorzugehen. Der Zukunftsrat U24 ruft die heute weit-gehend kantonal geregelte Gesundheitspolitik dazu auf, stärker interkantonal und national zu-sammenzuarbeiten und so wirkungsvollere Massnahmen zu ergreifen («2.1 Interkantonale Zu-sammenarbeit»). Zusätzlich werden in einer Reihe einzelner Empfehlungen einheitliche Be-mühungen eingefordert, insbesondere die junge Bevölkerung über das Problem von psychi-schen Krankheiten aufzuklären («5.8 Aufklärungskampagnen»).

2. Massnahmen in den Lebenswelten Schule, Familie und Arbeit

Der Zukunftsrat U24 fordert neue Angebote zur Erkennung und Prävention von psychischen Problemen in Schulen, am Arbeitsplatz und in Familien. Als Ursache für psychische Probleme erkennt der Rat die Phase der frühkindlichen Entwicklung als besonders wichtig an und will deshalb erstmalige Eltern besser aufklären lassen («6.1 Lehrveranstaltungen für erstmalige Eltern»), damit mehr Wissen zur psychologischen Entwicklung von Kindern bei den wichtigsten Bezugspersonen vorhanden ist. Im Kontext der Primarschulen und im Bereich der Sekundar-schule empfiehlt der Rat die nationale Einführung des Fachs «Psychologie und Persönlichkeitsentwicklung» (Empfehlung Nr. 5.6). Ausserdem sollen innerhalb der Schule sowie auch als Angebot der Gemeinden bessere Hilfsangebote für den Übergang ins Erwachsenenleben vorhanden sein, zum Beispiel für die Steuererklärung, zum Wohnen, Wissen zu Finanzen oder der politischen Rechte («1.2 Übergang ins Erwachsenenalter»).

3. Massnahmen für die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz

Der Zukunftsrat U24 will Fortschritte in der Regulierung der Arbeitswelt sehen, um die lang-fristige Resilienz der Arbeitnehmenden zu stärken. Dafür empfiehlt der Rat die Erweiterung der SUVA-Richtlinien (Empfehlung mit der Nr. 4.2) sowie eine berufsbezogene Überarbeitung der Gesamtarbeitsverträge (GAV), welche auf den Eintritt ins Berufsleben besondere Rücksicht nehmen. Hier werden unterschiedliche Neuerungen für (junge) Arbeitnehmende eingefordert: Die bessere Regelung von Verfügbarkeiten ausserhalb der Arbeitszeit, die Ermöglichung von Arbeitszeitverkürzungen sowie auch ein stärkerer Diskriminierungsschutz für Betroffene psychischer Krankheiten («4.1 Obligatorischer GAV»). Der Vorschlag der Einführung einer 4-Tage-Woche (Empfehlung Nr. 4.4) wurde im Zukunftsrat intensiv diskutiert, schluss-endlich aber nicht mit der erforderlichen Mehrheit angenommen.

4. Social-Media-Regulierung und Stärkung der Gesundheitsangebote

Auch die fortschreitende Digitalisierung erkennt der Zukunftsrat U24 als eine mögliche Ursache für psychische Probleme an. Es wird eine nationale gesetzliche Verankerung für die Regulierung von Social-Media-Plattformen eingefordert. Diese soll u.a. digitale Angebote stärker in die Pflicht nehmen, Alterskontrollen einzuhalten und jugendfreundliche Versionen zu erstellen («2.4 Regulierung und Aufklärung über Social Media»). Der Rat hat eine Reihe von Handlungsempfehlungen verabschiedet, welche die Effektivität sowie die Chancengerechtigkeit von Gesundheitsangeboten stärken sollen. So sollen periodische Standortbestimmungen zur psy-chischen Gesundheit im Bereich der Ausbildung dafür sorgen, dass Kompetenzen in der Selbstwirksamkeit aufgebaut werden und Probleme frühzeitig für alle jungen Menschen besser erkennbar sind («5.2 Psychologische Standortbestimmungen»). Auch die Informationsaufbe-reitung für die Bevölkerung zum Thema psychische Gesundheit soll mit einem einheitlichen und für alle gleich zugänglichen Online-Angebot verbessert werden («3.1 Mental Health Web-site»). Mehrere Massnahmen zur Verbesserung des Angebots für Jugendliche und junge Er-wachsene wurden nur knapp nicht angenommen, so wie zum Beispiel die Einrichtung eines Spezialprogramms zur besseren gesellschaftlichen Reintegration von psychisch Erkrankten („3.6 Angepasste Reintegration“) oder ein Informationstag in Ausbildungsstätten und bei Ar-beitgeber:innen («3.4 Obligatorische Durchführung eines Informationstags»).

Fragen

Basierend auf den Forderungen der UNICEF Schweiz Liechtenstein und den Handlungsemp-fehlungen des Zukunftsrates U24 der Schweiz lädt die Fortschrittliche Bürgerpartei die Regierung und den Landtag ein, folgende Fragestellungen miteinander zu behandeln:

  1. Wie kann Kindern und Jugendlichen eine gesunde psychische Entwicklung ermöglicht werden?
  2. Welche Rolle können Präventionsmassnahmen einnehmen?
  3. Welche Präventionsmassnahmen gibt es bereits in Liechtenstein?
  4. Wo herrscht bezüglich Präventionsmassnahmen in Liechtenstein noch Handlungsbedarf?
  5. Wie können die vorgeschlagenen Präventionsmassnahmen umgesetzt werden?

Montag, 27.November2023